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Mutmaßliche Korruption im BundestagCSU-Politiker gesteht Aserbaidschan-Affäre laut Gericht

Um Entscheidungen im Europarat zu beeinflussen, soll Aserbaidschan Parlamentarier bestochen haben. Ein Ex-Abgeordneter äußert sich überraschend klar.

Der Angeklagte Eduard Lintner, ehemaliger CSU-Abgeordneter, vor Prozessbeginn im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts Foto: Matthias Balk/dpa

München dpa | Im Prozess gegen zwei Ex-Bundestagsabgeordnete im Zuge der Aserbaidschan-Affäre hat ein Ex-CSU-Parlamentarier laut einem Gerichtssprecher ein Geständnis abgelegt. Eduard Lintner aus Unterfranken habe im Sinne der Anklageschrift wegen Bestechung von Mandatsträgern gestanden, sagte ein Sprecher des Oberlandesgerichts München der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Lintners Aussage solle „am kommenden Verhandlungstag genauer ausgeführt werden“. Zuvor hatten die Badischen Neusten Nachrichten berichtet.

Lintner selbst bewertete seine Aussage auf Nachfrage der dpa anders: Er habe zwar gesagt, dass der Sachverhalt wie in der Anklageschrift geschildert zutreffe. Ein Geständnis sei das aber nicht, sagte Lintner: „Denn das ist aus meiner Sicht keine Bestechung.“

Aserbaidschan soll sich laut Anklage jahrelang – und das erfolgreich – bemüht haben, Entscheidungen in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) mit Hilfe von Geldzahlungen zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Neben Lintner ist in dem Verfahren auch der Ex-CDU-Parlamentarier Axel Fischer aus dem Wahlkreis Karlsruhe-Land wegen Bestechlichkeit angeklagt. Beide hatten die Anklagevorwürfe wiederholt bestritten. Lintner sprach nach der Anklageerhebung von „Unsinn“, Fischer nannte die Vorwürfe haltlos. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Insgesamt vier Beschuldigte

Lintner saß 33 Jahre lang im Bundestag, er war zeitweise Parlamentarischer Staatssekretär und bis 2010 Mitglied in der PACE. Der heute 80-Jährige soll laut Generalstaatsanwaltschaft München über zwei Gesellschaften bis 2016 einen „mehrfachen Millionenbetrag“ über ausländische Briefkastenfirmen erhalten haben. Das Geld soll er teils an andere Abgeordnete weitergeleitet haben, die dafür Entscheidungen im Sinne Aserbaidschans beeinflussen sollten.

Fischer, von 2010 bis 2018 als EVP-Fraktionschef in der PACE aktiv, soll im Interesse Aserbaidschans positive Reden gehalten und vertrauliche Dokumente frühzeitig weitergeleitet haben. Dafür soll er über die Jahre hinweg Bestechungsgelder in Höhe von einigen zehntausend Euro erhalten haben.

Neben Lintner und Fischer stehen seit Januar zwei weitere Beschuldigte vor allem wegen Beihilfe vor Gericht. Einer der Mitangeklagten, der wegen Beihilfe zur Bestechung von Mandatsträgern und Steuerhinterziehung angeklagt ist, hatte sich laut Gerichtssprecher zuvor ebenfalls geständig gezeigt. Eine weitere Ex-Abgeordnete, gegen die zwischenzeitlich auch ermittelt wurde, ist gestorben.

Ermittlungen dauerten mehrere Jahre

Die Ermittlungen hatten sich über Jahre hingezogen. Schon im Jahr 2020 hatte es bei Lintner Durchsuchungen gegeben, im Jahr darauf hatte das Bundeskriminalamt Fischers Abgeordnetenbüro im Bundestag durchsucht.

Die Ermittlungen seien wegen des „konspirativen Vorgehens der Angeschuldigten“ sehr komplex und zeitaufwendig gewesen, hatte die Generalstaatsanwaltschaft mitgeteilt. Auch im Ausland seien zahlreiche Objekte durchsucht worden. Insgesamt seien dafür etwa 15 Anordnungen oder Rechtshilfeersuchen gestellt worden, etwa nach Zypern, Liechtenstein, Belgien, Estland, Lettland und Aserbaidschan sowie in die Schweiz und die Türkei.

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6 Kommentare

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  • Geschickt hinter den Wahltag gezogen, gemauert und gedacht, das ginge alles noch so wie früher bei Strauß & Co.



    Diese Herren haben die Opfer des aserischen Kriegs gegen Armenien mit auf ihrem Schmalspurgewissen, wenn das so war, wie gerade zu vermuten!

  • Mich würde ja schon interessieren, was genau Herr Lintner unter dem Straftatbestand der "Bestechung" versteht. Zu sagen, das geschilderte Geschehen sei keine Bestechung nach § 334 StGB, ist meiner Meinung nach ziemlich frech und zeugt von mangelndem Unrechtsbewusstsein.

  • Er ist hoit so a rechter Baazi, der Lintner. Man nimmt Geld an und stimm im Sinne des Geldgeber, aber Bestechung? Nooooin, das habe seine Meinung nicht beeinflusst, das Geld war...nur...ein Dankeschön?

    Ein CSUler lässt sich nicht bestechen. Aber wenn jemand Geld loswerden will sagt man natürlich nicht nein...

  • Also der Sachverhalt laut Anklageschrift ist korrekt (Geld gegen Stimme), aber darin erkennt Herr Lintner keine Bestechung? Die bin ich aber auch die Argumentation gespannt. Und fühlen sich die WählerInnen dieses Herrn von der CSU nicht hintergangen?

    • @Anna Bell:

      Warum sollten sich die Wähler:innen gerade bei einem Politiker der CSU, also der Partei von FJS, ausgerechnet beim Thema Korruption hintergangen fühlen?

    • @Anna Bell:

      Suggestivfragen verbieten sich hier. Ich bin eher baff erstaunt, für wie wenig Geld sich Abgeordnete bestechen lassen. Und das hat nichts mit der Parteizugehörigkeit zu tun. Auf die CSU reflexhaft zu schimpfen ist eher Audruck von zu wenig Räsonnement.

      Lobbyismus und Abhängigkeiten gibt es auch bei der Linken. Bei der Linken erinnere man sich nur an die Krim-Versteher wie die ehemalige Linke Sahra Wagenknecht und linke "Wahlbeobachter" auf der Krim wie Torsten Koplin, Hikmat Al-Sabty und Piotr Luczak - deren Reisen nach der Annexion der Krim 2015 von der pro-russischen Regierung bezahlt wurden; nicht zu vergessen Putin-Überzeugungstäter wie Hans Modrow, Sevim Dagdelen, nicht zu vergessen den früheren Linken-Abgeordneten Dieter Dehm.

      Am wenigsten ist Bestechlichkeit bei den Grünen zu beobachten, das hängt wohl mit deren Rechtsstaatsempfinden zusammen. Gleichwohl sind auch die Grünen durch Netzwerke und Freunderlspolitik gegen Lobbyismus nicht gefeit.