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Musikfestival in MonheimExzessives Klopfen und Röcheln

Mit der Monheim Triennale arbeitet die Kleinstadt am Rhein an ihrem Ruf als Kulturstandort. Sie präsentiert sich mit Neuer Musik, Jazz und Pop.

Hibo Elmi, zweite von rechts und die ugandisch-britische Band Nihiloxica in Monheim Foto: Niclas Weber

Gelegen zwischen den Kunst- und Musikmetropolen Düsseldorf und Köln, arbeitet seit einigen Jahren die Kleinstadt Monheim am Rhein an ihrem Ruf als Kulturstadt. Möglich machen das sprudelnde Einnahmen einer Gewerbesteueroase.

Davon profitieren auch rund 2.800 Schü­le­r:in­nen, die jeweils ein Instrument gestellt bekommen und an der örtlichen Musikschule etwas über die Avantgarde lernen, genau wie eine Kneipe inmitten einer Hochhaussiedlung, die regelmäßig Free-Improv-Konzerte veranstaltet. Und ein Festival für experimentelle und elektronische Musik richtet der Ort auch aus: die Monheim Triennale, die am Wochenende ihren Abschluss fand.

Acht Musikerinnen und acht Musiker sind von der Festivalleitung eingeladen, ein Projekt zu verwirklichen. Dafür laden sie wiederum Künst­le­r:in­nen ihrer Wahl ein und spielen gemeinsam in den unterschiedlichsten Konstellationen. Ein Hauch von Improvisation liegt über dem Rheintouristenschiff, auf dem ein Großteil der Konzerte stattfindet. So will die Monheim Triennale die Grenzen aufheben zwischen Neuer Musik, Jazz und Pop.

„Musik im 21. Jahrhundert so abbilden, wie sie sich uns darstellt“, nennt Kurator Rainer Michalke das. In der Realität dominiert in Monheim jedoch Spielfreude über Konzept – beim Auftritt des US-Duos Matmos gemeinsam mit Wobbly etwa. Eigentlich hätten die drei Elektronikmusiker gemeinsam mit der irischen Klangkünstlerin Jennifer ­Walshe konzertieren sollen. Deren Coronatest zeigte kurz vor dem Auftritt einen Strich zu viel, also wird das Quartett zum Trio.

Aufspüren musikalischer Potenziale in Alltagsgeräuschen

Auf der Suche nach Sound sind die drei jedoch um keine Absurdität verlegen: Kontaktmikrofone in der Mundhöhle übertragen Gurgelgeräusche an Laptops, die diese wiederum prozessiert an die Saallautsprecher schicken. Dazu liest ein Performer einen Text über schädliche Wirkungen von Wasser. Matmos und Wobbly lüpfen den metaphorischen Hut vor der Musique concrète, dem Aufspüren musikalischer Potenziale in Alltagsgeräuschen, die ihre Blütezeit in den 1950ern in den damals sündhaft teuren Studios der französischen Rundfunkanstalten feierte.

Aber weil den Dreien klar ist, dass diese Klangmöglichkeiten 2022 jedem Teenager am Laptop offenstehen, machen sie daraus eine campe Performance mit Subtext: Jeder Mensch ist ein Soundkünstler – solange man nicht langweilt. 
Immer wieder gibt es in Monheim solche Momente, in denen Per­for­me­r*in­nen auf eine musikalische Tradition schauen und sich überlegen, was sie heute damit anstellen können.

Die kanadische Jazzpianistin Kris Davis hat sich für ihren Auftritt vom Komponisten Olivier Messiaen inspirieren lassen, der in den 1940ern die Grenzen von musikalischer Transposition formulierte. Davis überträgt diese Kompositionsregeln auf eine traditionelle Jazzband in der Besetzung Bass, Flügelhorn, Klavier und Schlagzeug. Ihr Auftritt ist 45 Minuten konzentrierter Jazz, der gelegentlich den Anschein freier Improvisation erweckt, jedoch streng durchkomponiert war.

Davis, die Musik in Boston unterrichtet, hatte dafür drei ihrer Studierenden ausgewählt. Und da sie an ihrem Jazz-Studiengang versucht, über Revisionen des Kanons und die Besetzung der Ensembles für mehr Gendergerechtigkeit zu sorgen, besteht auch ihr Ensemble in Monheim aus zwei Frauen und einem Mann.

Es wurde sich „der Arsch abgetanzt“

Sofia Jernberg, Stimmperformerin aus Schweden, geht den umgekehrten Weg: Sie transponiert Folksongs und Jazzklassiker in das Feld der Neuen Musik. Unterstützt wird sie dabei von Mu­si­ke­r:in­nen aus der Free-Improv-Szene und dem Hamburger Streicherensemble Resonanz.

Dessen Mu­si­ke­r:in­nen bemühen sich, ihren Instrumenten durch Klopfen oder Zupfen Sounds zu entlocken, während Jernberg ihrer Stimme in Röcheln und Knurpsen verwandelt und mit plötzlichen Tonwechseln die klaus­tro­pho­bische Intensität der Performance aufbricht. Schließlich performt sie den Jazz-Standard „Lush Life“ und dehnt ihn mit vokalem Timestretching und Trompetendrones von Peter Evans zu einem kurzen Moment der Glückseligkeit.

Im Nachhall dieser Monheim Triennale bleiben vor allem jene streng komponierten Momente hängen. Sobald das Zusammenspiel der Mu­si­ke­r:in­nen freier und improvisatorischer wurde, schleichen sich zu schnell Klischees ein: ein Krautrock-Motorik-Beat, der etwas zu schneidig gerät, eine Wall of Sound aus Gitarren und Saxofon, die zur Überwältigung neigt.

Musik im 21. Jahrhundert – sie könnte stärker vertreten sein. Denn das Kurator:innen-Team hat weitgehend darauf verzichtet, Künst­le­r:in­nen von der Schnittstelle zwischen Clubmusik und elektronischem Experiment einzuladen, wie sie etwa auf Labels wie PAN und Hyperdub gepflegt wird. Ausnahme ist Hibo Elmi, DJ und Produzentin vom ugandischen Kollektiv Nye­ge Nyege.

Zusammen mit dem britisch-ugandischen Drum­ensemble Nihiloxica mischt sie elektronische Drones mit prozessiertem Gesang sowie den Sound dreier Trommler aus der Buganda-Tradition zum 45-minütigen, rhythmischen Exorzismus. „Ich habe mir den Arsch abgetanzt“, sagte die Moderatorin des Festivals nach dem gemeinsamen Auftritt. Darauf lässt sich doch aufbauen.

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