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Musiker über Cumbia und Politik in Peru„Ich hoffe, dass sich ein konservativer Kandidat durchsetzt“

Los Wembler's de Iquitos aus Peru sind Pioniere des psychedelischen Cumbia Amazónica. Zum Tag der Toten treten sie im Hamburger Knust auf.

Sind in Hamburg zu Gast: Los Wembler's de Iquitos Foto: Los Wembler's de Iquitos

Interview von

Knut Henkel

taz: Herr Sánchez Casanova, heute spielen Sie zum Tag der Toten im Knust zum Tanz auf. Wird der Tag der Toten in Peru ähnlich wie in Mexiko als große Party zu Ehren der Verstorbenen begangen?

Jairo Sánchez Casanova: Oh nein, wir sind nicht ganz so aktiv wie die Mexikaner und verwandeln das ganze Land in eine große Fiesta, aber ich ehre meine Verwandten am Tag der Toten schon regelmäßig mit Gitarre, Harfe und Playback-Box auf dem Friedhof. Das macht mir und meiner Familie Spaß und wir essen dann auch etwas am Grab der Verstorbenen. Das ist in Peru gar nicht so selten, aber mit den Me­xi­ka­ne­r:in­nen können wir uns und wohl auch keine andere Nation in Lateinamerika messen. Die sind uns da weit voraus.

taz: Peru ist für spezielle Spielarten der Cumbia bekannt – Ihre Band Los Wembler’s de Iquitos hat die Cumbia Amazónica geschaffen. Wie kam es dazu?

Sánchez Casanova: In Iquitos, der peruanischen Amazonasstadt, gab es in den 1960er Jahren eine vibrierende traditionelle Musikszene, wo Pandilla, Carimbó und natürlich auch Cumbia sehr populär waren. Mein Vater, ein versierter Gitarrist, hatte die Idee, den Sound seiner Band zu elektrifizieren, ersetzte Kontrabass und Co und schuf so eine Cumbia mit einem anderen Sound – dem des Amazonas.

taz: Wo liegen die Unterschiede?

Im Interview: Jairo Sánchez Casanova

69, ist von klein auf in der Band aktiv, die sein Vater Salomón Sánchez Saavedra gründete.

Sánchez Casanova: In den verzerrten psychedelischen Gitarren, dem Zwitschern von Vögeln im Hintergrund und vielem mehr.

taz: Leben Sie und die Band weiterhin in der Amazonasstadt Iquitos?

Sánchez Casanova: Ja, natürlich.

taz: Ist das Leben dort auch von Korruption, von sozialen Protesten gegen die herrschenden Strukturen geprägt wie im Rest des Landes?

Konzert

Samstag, 1. November: „Cumbia de los muertos: Los Wembler's de Iquitos“, 21 Uhr, Knust, Hamburg

Sánchez Casanova: Nein, wir haben Glück. Unsere Politiker auf lokaler Ebene sorgen nicht für die politischen Skandale, die wir aus anderen Regionen und aus Lima kennen. Dort hat sich die Präsidentin Dina Boluarte bereichert und mit vielen Entscheidungen das Land bis zu ihrer Absetzung gespalten.

taz: Haben Sie Vertrauen in die Nachfolgeregierung? Peru scheint nicht nur ein Sicherheitsproblem zu haben, sondern auch an politischer Glaubwürdigkeit zu verlieren?

Sánchez Casanova: Ja, ich halte den ehemaligen Parlamentspräsidenten José Jerí, ihren Nachfolger, für eine bessere Option als Boluarte. Sie hat als vermeintlich linke Präsidentin nie den Dialog mit der Bevölkerung gesucht, hat sich ihr Gehalt massiv erhöht und wird als eine der korruptesten Prä­si­den­t:in­nen in die Geschichte des Landes eingehen. Ich hoffe, dass wir mit einer konservativen Regierung zu mehr Sicherheit, zu weniger Korruption und mehr Perspektiven kommen. Für mich hat sich die Linke mit Pedro Castillo, der Ende 2021 abgesetzt wurde, und seiner Nachfolgerin Dina Boluarte diskreditiert.

taz: Ist es wirklich so einfach? Peru hat mehr als 40 Parteien, die sich für ein politisches Mandat bei den nächsten Wahlen bewerben. Viele halten die Demokratie für gefährdet.

Sánchez Casanova: Das ist sie auch aus meiner Perspektive, aber ich habe die Hoffnung, dass sich ein konservativer Kandidat durchsetzt, der Reformen durchsetzt, den bewaffneten Banden Paroli bietet, die in vielen Regionen agieren, und der Jugend Perspektiven aufzeigt.

taz: Wie steht es um die Perspektiven der Jugend in Iquitos – ist es dort besser?

Sánchez Casanova: Ich denke ja. Meine Kinder haben alle eine gute Ausbildung mit Perspektive. Ihre Kinder wachsen jetzt heran und bauen sich Perspektiven auf.

taz: Werden Sie in Ihre Fußstapfen treten, Cumbia amazónica spielen?

Sánchez Casanova: Eher nicht. Zwar arbeitet einer meiner Söhne im Musikbusiness, aber die Zeiten ändern sich. Ich lebe vor allem von meinem Restaurant in Iquitos, nur am Rande von der Musik. Vielleicht ein Widerspruch, denn Los Wemblerʼs de Iquitos gibt es seit 1968, und ich habe als Knirps von zwölf Jahren dort an den Percussions angefangen, aber so ist es eben.

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