Musée d'art moderne Grand-Duc Jean: Museum mit Ausblick
Luxemburger Alchemie: Die Festung wird zum Museum, die Stahl- zur Finanzindustrie, und Texte werden in der Ausstellung „L‘Image papillon“ zu Bildern.
Das Musée d’art moderne Grand-Duc Jean, kurz Mudam, auf dem Plateau Kirchberg hat einen herrlichen Blick auf Luxemburg-Stadt. Das Museum, das sich – anders als sein Name besagt – auf die zeitgenössische Kunst konzentriert, ist eine Schenkung an den luxemburgischen Großherzog Jean zu dessen 25-jährigem Thronjubiläum. Das Jubiläum wurde 1989 gefeiert – die Eröffnung des Museums allerdings erst 2006.
Dass es fast 20 Jahre dauerte, bis Ieoh Ming Pei auf sein drittes europäisches Museum nach der Pyramide im Louvre und dem Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums in Berlin zurückschauen konnte, lag nicht zuletzt an dessen herrlichem Blick auf Luxemburg. Denn der New Yorker Stararchitekt hatte als Standort für das Gebäude aus dem hellem, aus dem Burgund stammenden Sandstein die Überreste der militärischen Festungsanlage Thüngen gewählt.
Dieser traditionsreiche Standort, aber auch Anlage und Material des Museums sowie seine fehlende Kunstsammlung führten in der Öffentlichkeit zu langwierigen Diskussionen bis hin zu erbittertem Widerstand gegen das Projekt.
Bis 8. September, Mudam, Luxembourg.
Sehr viel schneller kam es zur Akzeptanz des realisierten Museums und seiner Ausrichtung auf aktuelle Kunst. Neben Deutsch, Englisch und Französisch liegen die Museumsflyer auch schon auf Koreanisch und Chinesisch vor. Obwohl Luxemburg klar kulturelle Provinz ist, rechnet inzwischen nicht nur die internationale Kunstszene mit dem Mudam, es steht auch fest auf dem Reiseplan der internationaler Kulturtouristen, vor allem aus dem asiatischen Raum.
Der portugiesische Flyer fehlt noch
Dazu ist der Ausländeranteil im Großherzogtum, das EU-Verwaltungssitz ist und sich seit den 90er Jahren zu einem internationalen Finanzzentrum entwickelt hat, relativ hoch. Von den rund 540.000 Einwohnern kommen knapp 83.000 aus Portugal. Der Flyer auf Portugiesisch fehlt noch, meint also Enrico Lunghi. Der Luxemburger Kunsthistoriker, der 1996 mit den Casino Luxembourg den ersten zeitgenössischen Kunstraum der Stadt gegründet hat, ist seit 2009 Direktor des Mudam.
Der Aufbau seiner Sammlung lief parallel mit dem Baubeginn des Museums an, der jährliche Ankaufsetat liegt bei 620.000 Euro. Inzwischen ist die Sammlung so weit gediehen, dass im Frühjahr erstmals die Ausstellung „A More Perfect Day“ mit Arbeiten von neunzehn Künstlern und zwei Künstlerkollektiven aus den Beständen des Mudam nach Seoul, Korea, gereist ist.
Im Gegenzug eröffnet im Herbst in Luxemburg eine Einzelausstellung der koreanischen Bildhauerin Lee Bul, die in den 90er Jahren für ihre Cyborg-Torsi bekannt wurde und inzwischen die radikalen Architektur-Utopien vom Anfang des 20. Jahrhunderts in ihren Skulpturen thematisiert. Bis dahin überzeugt aber noch die Ausstellung „L’Image papillon“, mit der der Kurator des Mudam, Christophe Gallois, auf ungewöhnliche Weise Bezug auf die Literatur nimmt.
„L’Image papillon“ ist der Titel einer erst kürzlich erschienenen Untersuchung der Literaturwissenschaftlerin Muriel Pic zum Werk des deutschen Schriftstellers W. G. Sebald (1944–2001). Von ihm ließ sich Gallois für sein Ausstellungskonzept anregen. Denn Sebald durchsetzte seine Texte – etwa die 1990 und 2001 veröffentlichten Erzählungen „Schwindel. Gefühle“, „Die Ausgewanderten“, „Die Ringe des Saturn“ und „Austerlitz“ – mit alten Schwarz-Weiß-Fotografien, deren Herkunft und ursprünglicher Verwendungszusammenhang unklar sind.
Die komplexen Beziehungen zwischen Bild und Gedächnis
Jeweils eines dieser Bilder führt nun in die monografischen Präsentationen 15 zeitgenössischer Künstler ein, die ähnlich wie Sebald die komplexen Beziehungen von Bild und Gedächtnis ausloten und die Aktualität wie auch Historizität der Erinnerung thematisieren.
Neben bekannten Namen der zeitgenössischen Kunst wie Tacita Dean, Zoe Leonard, Danh Vo oder Felix Gonzales-Torres, die für die medienübergreifenden Auseinandersetzungen mit der Beziehung von Geschichte und Gegenwart stehen, trifft man in Peis schönen, luftig konzipierten Galerien auch auf Namen, die einem nicht unbedingt geläufig sind.
Mathieu Kleyebe Abonnenc etwa, 1977 in Französisch-Guayana geboren, untersucht mit den Mitteln des Films, der Zeichnung und der Skulptur die Kolonialgeschichte, mit Schwerpunkt auf der Geschichte der Dekolonialisierung Afrikas. Dabei führt seine Recherche auch ins Private, Familiäre. Artefakte wie ein Freimaurerring des Großvaters stehen gleichgewichtig neben den Kupferstäben, die Abonnenc einfach an die Wand gelehnt hat.
Das Kupfer stammt aus Katanga im Kongo. Und wie bei Sebald das Bild den Fluss des Textes unterbricht, quer steht und Fragen aufwirft, so hakt dieser an die Wand gelehnte Kupferstab, der an die Holzstäbe erinnert, die André Cadere (1934–78) unerlaubt in Museen und Ausstellungsräumen hinterließ, in den Fluss von Mathieu Kleyebe Abonnencs Videoaufzeichnung ein, die den Schmelzvorgang in einer alten Fabrik in Frankreich oder Belgien dokumentiert: gewissermaßen die Schmelze der Vergangenheit, mit der der Künstler immer weiter in den Komplex der gegenwärtigen Konflikte und ihrer Ursachen vordringt.
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