■ Am Freitag wird im Iran ein neuer Präsident gewählt. Die Kandidaten mußten dem religiösen Führer des Landes, Ali Chameini, "absoluten Gehorsam" schwören. Favorit für den Wahlsieg ist der erzkonservative Parlamentspräsident Nateq Nuri.: Mus
Am Freitag wird im Iran ein neuer Präsident gewählt. Die Kandidaten mußten dem religiösen Führer des Landes, Ali Chameini, „absoluten Gehorsam“ schwören. Favorit für den Wahlsieg ist der erzkonservative Parlamentspräsident Nateq Nuri.
Muster-Mullah gegen Außenseiter
Wahlkampf in der Islamischen Republik Iran kann gefährlich sein. 280 Menschen seien in den letzten Tagen verhaftet worden, berichteten die iranischen Medien am Montag. Ihre Vergehen: „Wahldelikte“. Unter anderem seien Anhänger des Präsidentschaftskandidaten Mohammad Chatemi auf Werbetour durch Teheran gefahren und hätten Kassetten mit „verwerflicher Musik“ abgespielt. Ob es sich um HipHop, Heavy metal oder im Theokratenstaat ebenfalls geächtete persische Volksmusik handelte, ist nicht überliefert.
Solche Gefahren sind ab heute abend gebannt. Dann gehen die offiziell erlaubten zwei Wochen Wahlkampf zu Ende. Am Freitag sind alle 33 Millionen IranerInnen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und „geistig gesund“ sind, aufgerufen, den Nachfolger von Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani zu wählen. Es sind die siebten Präsidentschaftswahlen seit dem Sturz des Schahs 1979.
Ausländische Beobachter streiten, ob die Abstimmung wirklich frei und mit Wahlen nach westlichem Vorbild zu vergleichen ist. Es ist wohl eher eine Auswahl. Denn dafür, daß nicht aus Versehen der „falsche“ Mann Präsident wird, hat der allmächtige Wächterrat eine Vorauswahl getroffen. Von 238 KandidatInnen ließ das von niemandem so richtig kontrollierte Gremium ganze vier übrig – der Rest sei nicht qualifiziert, hieß es von den Wächtern, die ihre Entscheidung nicht weiter begründen müssen. Ihrem Veto fielen unter anderem alle neun Bewerberinnen zum Opfer. Die Verfassung der Islamischen Republik klärt nicht eindeutig, ob Frauen für das Präsidentenamt kandidieren können. In dem entsprechenden Paragraphen ist von „islamischen Persönlichkeiten“ die Rede. Konservative Verfassungsexegeten behaupten, das könnten nur Männer sein – und so sah es auch der rein männlich besetzte Wächterrat.
Disqualifiziert wurde auch der Vorsitzende der „Freiheitsbewegung“, Ebrahim Jasdi. Der in den USA ausgebildete Pharmakologe gilt wegen seiner laizistischen Gedanken als ständig mit Verhaftung bedrohtes Enfant terrible in der iranischen Politikszene.
Übrig blieben der erzkonservative Parlamentspräsident Ali Akbar Nateq Nuri, der als weltoffen bezeichnete, langjährige Minister für Kultur und Religiöse Führung, Mohammad Chatemi siehe Porträts), der als Hardliner geltende frühere Informationsminister Mohammad Reyschari und der Rechtsberater Resa Savarei, der einzige Nichtkleriker unter den Aspiranten. Die beiden letzteren sind chancenlos, Chatemi hat gewisse Außenseiterchancen. Ihn jedoch kann Irans Religiöser Führer und offiziell mächtigster Mann, Ali Chamenei, nicht ausstehen. Nateq Nuri wird dagegen schon jetzt von interessierten Kreisen als künftiger Präsident tituliert. Standesgemäß wird er neben zahlreichen Kleriker- und religiösen Studentenorganisationen von Irans größter Fußballmannschaft Pirusi unterstützt. Chatemi konnte sich vorübergehend auf den kleineren Club Esteqlal stützen – doch in der vergangenen Woche liefen dessen Spieler zu Nateq Nuri über. Nur der Trainer versicherte, er bliebe unbeirrt seinem Favoriten Chatemi treu.
Alle Kandidaten müssen sich zu den Grundsätzen der Islamischen Republik bekennen und zum „absoluten Gehorsam“ gegenüber Ali Chamenei – ernsthafte Kritiker der Verhältnisse sind unter solchen Bedingungen naturgemäß nicht vertreten. Aber immerhin stehen mit Nateq Nuri und Chatemi zwei sehr unterschiedliche Charaktere zu Wahl, die zwei rivalisierende Fraktionen der Teheraner Machtmaschinerie repräsentieren.
Gerne hätte auch der seit acht Jahren amtierende Rafsandschani wieder kandidiert. Doch dazu wäre eine Verfassungsänderung notwendig gewesen. Hinter den Kulissen hatte der als Pragmatiker geltende Rafsandschani darauf hingearbeitet. Doch der Vorstoß scheiterte am Religiösen Führer Chamenei. Der einst als Garant für eine Öffnung zum Westen gepriesene Rafsandschani galt spätestens seit den letzten Parlamentswahlen, bei denen sich endgültig der konservative Flügel durchgesetzt hat, als politisch erledigt.
Ein anderer Wahlsieger als Nateq Nuri wäre eine Überraschung. Nicht zwingend deshalb, weil die WählerInnen es nicht so wollen, sondern weil es hinter den Kulissen ausgehandelt wurde. Falls die iranischen WählerInnen doch anders entscheiden, gibt es auch noch bei den Stimmauszählungen die Möglichkeit, auf ein im Sinne der Konservativen richtiges Ergebnis hinzuarbeiten. Bei der zweiten Runde der letzten Parlamentswahlen wurde in einigen Wahllokalen massiv manipuliert.
Doch damals standen landesweit mehrere hundert KandidatInnen zur Auswahl, diesmal sind es nur vier. Und Anhänger Chatemis haben angekündigt, ein scharfes Auge auf die Wahlurnen zu haben. Thomas Dreger
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