Mumbais Komiker Vir Das: Anzeige nach Auftritt
Weil er in einer Show Indiens Gesellschaft Heuchelei vorwirft, ist Netflix-Star Vir Das mit Kritik konfrontiert. Ihm wird „Landesbeleidigung“ vorgeworfen.
MUMBAI taz | Ein Land wie Indien einzufangen, fällt auch Stand-up-Comedians schwer. Netflix-Star Vir Das machte es sich nicht leicht mit seinem Monolog „Zwei Indien“ („Two Indias“), der derzeit in den sozialen Medien viral geht. Der Comedian tourt derzeit um die Welt, und während eines Auftritts in Washington, DC, umreißt er die gegensätzlichen Seiten Indiens mit vielen Klischees. Seine Beschreibungen tun weh: „Ich komme aus einem Indien, in dem wir tagsüber Frauen verehren und sie nachts in Gruppen vergewaltigen.“
Der 42-Jährige ließ bei seiner Ansprache keines der großen Themen aus: Luftverschmutzung, Kricket, die anhaltenden Bauernproteste, Redefreiheit und den Pandemiefonds des indischen Premiers, dessen Spender nicht öffentlich bekannt sind.
Doch schon bald folgte für den Comedian der Vorwurf der „Landesbeleidigung“ sowie mehrere Strafanzeigen. Aufgebrachte User machen unter dem Hashtag #VirDasInsultsHindus Stimmung gegen den Komiker. Auf die Kritik teilte Das mit, er habe sich „satirisch“ geäußert. Dennoch: Der Verband der Filmangestellten Westindiens erklärte, seine Mitglieder würden nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten. In mindestens einem indischen Bundesstaat soll er ein Auftrittsverbot erhalten.
Der stellvertretende Vorsitzende der regierenden hindunationalistischen BJP in Delhi griff Vir Das’ Bemerkungen über Vergewaltigungen von Frauen auf. Diese „abfällige“ Äußerung auf einer globalen Bühne schade dem Bild der indischen Frau. Besonders von der oppositionellen Kongresspartei und im Netz bekam Das Zuspruch „Wenn Sie sich von Vir Das beleidigt fühlen, dann wissen Sie, aus welchem Indien Sie kommen.“
Unklar ist, was passiert, wenn er wieder in Indien ist
Es ist nicht das erste Mal, dass Das über den indischen Premierminister Narendra Modi (BJP) scherzt, doch mit einer Empörungswelle dieser Art war er noch nicht konfrontiert. Die Stimmung im Land ist aufgeheizt: Die Meinungsfreiheit ist zwar in der indischen Verfassung verankert, allerdings mit der Einschränkung, die religiöse Harmonie zu wahren. Gerade kritische Töne gegenüber Indien im Ausland sehen rechte Gruppen als ein Tabu.
Dennoch ist der Entertainer provokant, laut und manchmal auch vulgär. Er sieht sich als Weltbürger, der in Nigeria geboren wurde, in Delhi aufwuchs und seine letzten Jahre in der Filmstadt Mumbai verbrachte. Als einer der erfolgreichsten (englischsprachigen) Komiker Indiens, der ab und zu schauspielert, ist er Aufsehen gewohnt.
In der Vergangenheit griff er kontroverse Themen wie das „Rindfleischverbot“ für seine Satire auf. Dieses Verbot wird in einigen Regionen des Landes teilweise blutig durchgesetzt.
Aber nicht nur der Komiker Vir Das sorgt für Aufregung. Sein Kollege Munawar Faruqui wurde zwischenzeitlich für vermeintliche Witze über hinduistische Götter verhaftet. Seitdem musste Faruqui Auftritte absagen, da er bedroht wurde. Was Vir Das erwartet, wird sich nach seiner Rückkehr nach Indien zeigen.
Leser*innenkommentare
Toto Barig
Religionen sind bzgl. Humor extrem empfindlich. Vom "Gotteslästerungsparagraphen" 166 StGB (z.B. gegen die Karikatur eines Schweines am Kreuz) bis zu den Mordtaten von Islamisten gegen Charlie Hebdo: Die Religionen fürchten Humor wie der Teufel das Weihwasser und schlagen schlimmstenfalls wild um sich.