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Münchner Philharmoniker gecanceltRhetorisches Schlachtfeld in Flandern

„Blanker Antisemitismus“: Die Ausladung der Münchner Philharmoniker wegen ihres israelischen Dirigenten beim Flanders Festival in Gent löst Debatte aus.

Der in Tel Aviv geborene Lahav Shani ist der designierte Chefdirigent der Müncher Philharmoniker Foto: Sven Hoppe/dpa

Wenige Tage vor ihrem geplanten Auftritt auf dem „Flanders Festival“ im belgischen Gent am 18. September wurden die Münchener Philharmoniker dort wieder ausgeladen. Der Grund: Ihr in Tel Aviv geborener designierter Chefdirigent Lahav Shani, ist zusätzlich Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra.

Das Festival sei deshalb „nicht in der Lage, für die nötige Klarheit über seine Haltung gegenüber dem genozidalen Regime in Tel Aviv zu sorgen“, heißt es in einer Erklärung auf der Website. Und das, obwohl sich Shani in der Vergangenheit mehrfach „für Frieden und Versöhnung“ ausgesprochen habe.

In Absprache mit dem flämischen Kulturminister, sowie dem Genter Stadtrat habe man sich entschlossen, keine Zusammenarbeit mit Partnern einzugehen, die sich nicht eindeutig von der israelischen Regierung distanzieren würden, heißt es weiter.

Klare Worte von Kultur und Politik aus Deutschland

Die Ausladung sorgt für Entsetzen in Deutschland. Von Seiten der Stadt München und der Philhamoniker heißt es erbost: „Israelische Künstlerinnen und Künstler unter Generalverdacht zu stellen und kollektiv zu bestrafen, lehnen wir entschieden ab“. Menschen aufgrund ihrer Herkunft von der Bühne zu verbannen, sei „ein Angriff auf wesentliche demokratische Werte“.

Kultur darf kein Instrument politischer Boykotte sein.

Sven Lehmann

Auch Kulturstaatsminister Wolfram Weimer findet klare Worte. Auf X schreibt der Politiker von „blankem Antisemitismus“ und einer „Schande für Europa“. Er wolle das Thema nun in die europäische Kulturpolitik tragen.

Ebenfalls meldete sich am Donnerstag der Abgeordnete und Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien Sven Lehmann (Büdnis 90/ Die Grünen) zu Wort und betont die eigentlich verbindende Rolle von Musik und Kunst.

„Europa ist auf kulturellen Austausch und Meinungsfreiheit gegründet. Diese Werte müssen wir verteidigen. Kultur darf kein Instrument politischer Boykotte sein, sondern, muss Räume für Dialog schaffen.“

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3 Kommentare

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  • Wenn die "Ausladung" von Lahav Shani mit Verweis auf den Völkermord in Palestina falsch ist.

    Sind dann die Ausladungen russischer Dirigenten und Künstler nicht genauso falsch ?

    Ich will hier dazu gar keine Position vertreten.

    Aber ich denke über diese Frage sollten wir alle einmal nachdenken.

  • Ich bin weder Christ noch Kirchenmitglied, allerdings irreversibel christlich getauft und evangelisch konfirmiert. Wäre also eine Inquisition berechtigt und verpflichtet, von mir eine klare Stellungnahme zu Margot Käsmann zu fordern und wäre es korrekt, mich im Fall der Weigerung von meiner beruflichen Tätigkeit wo auch immer auszuschließen?



    Warum dann geht das mit Billigung der belgischen Regierung bei Herrn Shani?

  • Niemand muss sich von etwas distanzieren, was sie oder er sich nicht positiv zu eigen gemacht hat.



    Eines von mehreren Motiven bei jüdischen Menschen, vor allem in den USA, sich demonstrativ gegen den israelischen Staat zu positionieren, könnte auch darin liegen, nicht sozial "gecancelt" zu werden.



    Genauso muss sich auch kein*e Palästinenserin proaktiv von den Taten der Hamas distanzieren.



    Die Hauptstadt und der Regierungssitz Israels ist Jerusalem, auch wenn das manche Staaten nicht anerkennen. Die Rede vom "genozidalen Regime in Tel Aviv" hat was von Israel oder früher DDR in Anführungszeichen.