Münchens OlympiJa, Hamburgs Umfrage-Nein: Doppelwumms gegen Hamburger Olympia-Träume
In München stimmt eine breite Mehrheit für Olympische Spiele. Die meisten Hamburger sind laut NDR-Umfrage dagegen. Kann die Kampagne schon einpacken?
I m Rennen um eine deutsche Olympia-Kandidatur ist Hamburgs Konkurrent München mit einem Referendum vorgeprescht. Und die Münchner:innen sind offenbar vom Olympia-Fieber angesteckt: 66 Prozent Ja-Stimmen bei einer starken Beteiligung von 42 Prozent sind weit mehr als erwartet.
Damit ist die Latte für das im kommenden Mai geplante Hamburger Referendum vielleicht schon unerreichbar hoch gelegt. Und die Begeisterung vor Ort ist zwar nicht das einzige Kriterium für die Vergabe der deutschen Bewerbung – aber ein sehr gewichtiges.
Und in Hamburg ist die Stimmung entgegengesetzt: Am Freitag, zwei Tage vor der Münchner Abstimmung, hatte der NDR eine Umfrage veröffentlicht. Danach sind 60 Prozent der Befragten dagegen, dass Hamburg sich für die Austragung der Spiele 2036, 2040 oder 2044 bewirbt. Was noch schwerer wiegt: Nur ein gutes Viertel, 27 Prozent, haben sich dafür ausgesprochen.
Selbst wenn es also gelingen sollte, die 13 Prozent Unentschiedenen im kommenden halben Jahr vom Segen Olympischer Spiele zu überzeugen, würde das bei weitem nicht zur Mehrheit reichen. Zumal bei denen am wahrscheinlichsten ist, dass sie an der Abstimmung gar nicht teilnehmen werden.
Finanzierung ist wieder der Knackpunkt
Es lohnt sich der Blick auf die Details: Laut der Umfrage, die nicht repräsentativ ist, aber so gewichtet, dass sie die Bevölkerungsstruktur der Stadt abbildet, befürchten 54 Prozent Nachteile für die Stadt, sogar 56 Prozent für sich persönlich.
Der meistgenannte Kritikpunkt lautet: „Für Olympische Spiele geben Bund und Stadt Geld aus, das für wichtigere Dinge fehlt.“ – Fast zwei Drittel der Hamburger:innen stimmen dem zu, 65 Prozent. Das sind noch mehr als jene, die fürchten, dass Hamburg zur Dauerbaustelle wird (63 Prozent).
Schon beim Olympia-Referendum 2015 war die Finanzierung ein zentrales Argument, mit dem die Gegner die Olympia-Pläne des Senats zum Scheitern gebracht hatten. Die Finanzen der öffentlichen Hand liegen den Hamburger:innen traditionell am Herzen. Da sind sie ganz hanseatischen Kaufleute, die wissen wollen, was sie für ihr Geld bekommen.
Fast schon unter „ferner liefen“ kommen in der Umfrage Sorgen um die Natur, vor Gentrifizierung und steigenden Mieten, die aber immer noch mehr als ein Drittel der Befragten umtreiben. Auf der anderen Seite interessieren Olympische Spiele über die Hälfte der Hamburger:innen bestenfalls „eher wenig“. Begeisterung sieht anders aus.
In den potenziell mitbetroffenen Nachbarländern fällt dieselbe Umfrage zum Teil deutlich positiver aus. In Schleswig-Holstein, das nach 1936 und 1972 zum dritten Mal die Segelwettbewerbe ausrichten möchte, sprechen sich immerhin 38 Prozent für die Spiele aus. In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind mit 42 Prozent sogar mehr Menschen dafür als dagegen. Von einer Olympia-Euphorie Münchner Kalibers ist aber auch das noch sehr weit weg.
Dass sich in den Flächenländern weniger Widerstand arktikuliert, ist leicht zu erklären: Wenn die zwei, drei Wettbewerbe ausrichten, droht weder jahrelanges Baustellenchaos noch die dauerhafte Aufwertung ganzer Stadtviertel. Und auch die Landesfinanzen würde eine solche Beteiligung nicht (weiter) ruinieren.
Das kann für Hamburg ganz anders sein: Für die Spiele in Paris sind 6,6 Milliarden Euro aus der öffentlichen Hand geflossen, das entspricht ziemlich genau einem Drittel des Hamburger Landeshaushalts. Es wird auf die Lastenverteilung zwischen Bund und Stadtstaat ankommen, ob nur unsere Kinder oder auch noch unsere Enkel die Schulden abbezahlen müssen.
Selbst wenn die Bundesregierung nicht den Fehler von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wiederholen sollte, bis zum 2015er-Referendum nicht klar zu sagen, wie viel der Bund zu zahlen bereit ist – sie wird sicher keinen Blankoscheck ausstellen, der sämtliche Mehrkosten deckt. Und die fallen bei Bauten der öffenlichen Hand ja gelegentlich an. Das Internationale Olympische Komitee jedenfalls, das übrigens 57 Prozent der befragten Hamburger:innen für „zu korrupt und intransparent“ halten, pflegt seine Verträge so zu gestalten, dass Kostenrisiken nicht bei ihm liegen.
Der Klimaentscheid gibt die Richtung vor
Es sieht aus, als könnte Hamburg sich das Referendum sparen und die Kampagne einrollen, bevor sie richtig begonnen hat. Nicht nur, dass das Münchner Ergebnis kaum einzuholen ist. Der rot-grüne Senat könnte sich selbst auch die Schmach ersparen, von genau zwei von oben initiierten Referenden seit Bestehen der Bundesrepublik zwei verloren zu haben – und das auch noch mit demselben Thema.
Eigentlich haben die Hamburger:innen ja auch aktuell längst über Olympia entschieden, wenngleich das nicht explizit auf dem Wahlzettel stand: vor zwei Wochen, beim Zukunftsentscheid. Hamburg muss danach bis 2040 klimaneutral sein. Und Spiele mit über zehn Millionen Besucher:innen in sechs Wochen werden sich nicht klimaneutral machen lassen. Mal davon abgesehen, dass das Geld, das in die Spiele flösse, für Klimaschutz-Investitionen dringend gebraucht wird.
Hamburgs regierende SPD jammert schließlich andauernd, wie teuer die Umsetzung des Klimaentscheids werde. In einer Art trotziger Verweigerungshaltung sagte Fraktionschef Dirk Kienscherf sogar, „die Grünen“, seine Koalitionspartner, seien nun in der Pflicht, konkrete Pläne dafür vorzulegen. Das klingt nicht nach einem Senat, der, wie zunächst beteuert, das Ergebnis des Volksentscheids respektiert, und sich mit vereinten Kräften daran macht, dem vom Volk erlassenen Gesetz Geltung zu verschaffen.
Man kann das auch als Einladung verstehen, beim Olympia-Refendum im Mai noch mal mehr Wumms hinter die Sache zu bringen.
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