piwik no script img

MüllvermeidungEinmal spülen, bitte

Kommentar von Claudius Prößer

Die Berliner Umweltverwaltung überwindet endlich ihre Alibi-Kampagne „Better World Cup“ und investiert in ein Mehrwegbecher-System.

Mehr weg geht nicht? Geht wohl! Foto: dpa

U mweltschutz kann so leicht sein: Würden alle diejenigen unter uns, die zwischendurch mal das dringende Bedürfnis nach einem Kaffee im Gehen verspüren, sich einen formschönen und langlebigen Becher besorgen und denselben jeden Morgen frisch gespült im Fjällräven-Rucksack platzieren, dann könnten sie sich ganz einfach an einem von über tausend Standorten in der Stadt ihr Heißgetränk hineinfüllen lassen und dieses unterwegs genießen, um später zuhause den Becher zu reinigen und wieder in die Umhängetasche zu betten: Umweltschutz kann so schwer sein!

Es klingt trivial, aber die Sache mit der Nachhaltigkeit funktioniert einfach nicht, wenn man auf rationales Handeln von Individuen setzt. Die mögen das Richtige wollen, nur kommt immer irgendwas dazwischen oder die Zeit am Morgen ist eh schon knapp oder die Sauerei mit dem benutzten Becher zwischen den Papieren für die Uni kann ja auch keiner wirklich gebrauchen.

Genau deshalb hat die Mitte 2017 von der Senatsumweltverwaltung angestoßene Refill-Initiative „Better World Cup“ keinen messbaren Nutzen. Nicht einmal ihre Urheber trauen sich davon zu sprechen, dass die Kampagne das To-Go-Geschirr tatsächlich reduziert hat: Genau wie vor dem Start ist noch heute die Rede von 170 Millionen Bechern, die alljährlich in oder neben den Mülleimern landen.

Deshalb ist die zweite Stufe im Kampf gegen das Becherunwesen – das Pilotprojekt „Mehrwegpfandbecher“, das Senatorin Regine Günther (Grüne) gerade auf den Weg bringt – ein absolut überfälliger Schritt. Der am Montag präsentierte Konzessionär Recup bekommt nun 160.000 Euro Förderung über zwei Jahre, um sein noch recht überschaubares Mehrweg-System auszubauen, ganz gezielt entlang der U2 und der Stadtbahn zwischen Ost- und Westkreuz.

Ein neuer Anreiz für die Ausgabestellen, die bei dem System ja freiwillig mitmachen, ist die „Spüllogistik“, die Recup jetzt aufbauen soll. Dann könnte der Becher, den man mitsamt Cappuccino bei Coffeeshop A erworben hat, bei Brezelbude B abgegeben werden, von wo er mit dem Lastenrad eingesammelt, zentral gespült und wieder bei einer der teilnehmenden Filialen abgeliefert wird. Spart denen eine Menge Aufwand und senkt so die Hürde. Recup hat sich selbst zum Ziel gesetzt, über 300 Standorte entlang der beiden Linien zu gewinnen.

Funktionieren nicht ausgeschlossen

Ein „wichtiges Element auf dem Weg zur Zero-Waste-City“ sei das, sagte Regine Günther am Montag. Und, so sei ergänzt, im Gegensatz zu „Better World Cup“ auch eines, das ein ernstzunehmendes Potenzial zur Müllvermeidung in sich trägt. Ob das Mehrwegsystem nach den beiden Förderjahren zum Selbstläufer geworden ist und sich flächendeckend über die Innenstadt ausbreitet, weiß heute niemand. Aber es wäre eine klasse Sache, und gänzlich ausgeschlossen ist es auch nicht.

Käme es so, müsste Günthers grüner Parteifreund, der Abgeordnete Georg Kössler, nicht immer wieder den Ruf nach einer Steuer auf Einwegbecher erheben. Wobei sich das eigentlich gar nicht im Wege steht: Mit dem Geld, das der restliche Wegwerfwahn generierte, könnte das Mehrwegsystem unterstützt werden. Dann wären Umwelt- und Klimaschutz wirklich ein bisschen leichter geworden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Wer einen To-go-Becher in der Hand hält, wirkt wichtig, gefragt und beschäftigt. Deshalb achten viele darauf, regelmäßig mit einem Coffee to go durch die Straßen zu laufen, möglichst so, dass die Nachbarn sie sehen. Weiß ja keiner, ob sie zum nächsten Meeting hetzen oder nur zum Friseur." www.martermuehle.d...erfolgsgeschichte/



    Amerikanische Serien und Filme bewarben quasi kostenlos den Coffee to go der hierzulande erst in den 90er Jahren ankam. Für den Handel eine Erfolgsstory - jeder Bahnhofskiosk oder Bäcker ohne Steh- oder Sitzplätze kann nun den Koffein Schuss für Zwischendrin verkaufen. Wenn doch nur die italienischen Filme mehr Einfluss gehabt hätten! Bars in denen auch Eilige auf dem Weg zur Arbeit eine kurze Kaffeepause am Tresen genießen und nebenher einmal durch die Schlagzeilen blättern oder mit Nachbarn oder dem Barkeeper plaudern der seine Stammkunden kennt. Italiener_innen verweilen hier auch oft nur wenige Minuten aber genießen trotzdem die kleine Pause UND produzieren keinen Müll. Und mal ehrlich: Kaffeegetränke schmecken überhaupt nicht aus billigen beschichteten Pappbechern. Da kann mann / frau gleich eine Koffeintablette to go einwerfen. Wäre ehrlicher und ebenfalls Müllvermeidend. Da es aber nun mal so kam wie es kam plädiere ich ganz einfach für eine Verbot von Kaffeeeinwegbechern flankierend zur Recup Initiative. Womöglich inspiriert das Berliner Cafés die italienische Variante vom schnellen unkomplizierten Kaffee Genuss mit Stil. Günstiger und schneller am Tresen trinken oder länger verweilend am Tisch.