Müllkrise im Libanon: Verletzte bei Protesten
In der Müllkrise zeichnet sich keine Lösung ab – und die Nerven liegen blank. Nun ist es bei Protesten zu schweren Ausschreitungen gekommen.
Laut der Polizei wurden 35 Beamte verletzt, als sie Demonstranten zurückzudrängen versuchten, die Sicherheitsbarrieren nahe der Parlaments- und Regierungsgebäude durchbrechen wollten. Die Beamten gingen teils mit Tränengas, Gummigeschossen und Wasserwerfern gegen Tausende Protestler vor. In der Hauptstadt waren am Abend auch Schüsse zu hören.
Die Proteste vom Samstag waren die massivsten Unmutsbekundungen im Libanon, seit sich in den Straßen die Müllberge türmen, nachdem die größte Deponie des Landes vor einem Monat geschlossen wurde. Die notorisch zerstrittene Regierung konnte sich bisher nicht auf eine Alternativlösung einigen.
Einige Bewohner Beiruts haben in ihrer Not bereits damit begonnen, Müll selbst zu verbrennen. Dabei gelangten vielerorts giftige Dämpfe in Wohnungen. Gesundheitsminister Wael Abu Faur warnte daher zuletzt vor einer Gesundheitskatastrophe, sollte das Land das Abfallproblem nicht in den Griff bekommen.
Korruption und Chaos
Auf die Straßen trieb die Menschen jedoch nicht nur der beißende Gestank, sondern auch Wut über staatliche Korruption und politisches Chaos in Umgang mit der Müllkrise. Zu den Protesten aufgerufen hatten das Online-Netzwerk „Ihr Stinkt!“ sowie andere Bürgerrechtsgruppen.
„Wir wollen in unserem Land leben!“, war auf einem Transparent der Teilnehmer zu lesen. Auf einem anderen stand über Fotos libanesischer Politiker in roten Lettern: „Einiger Müll sollte NICHT recycelt werden.“ Andere skandierten in Anlehnung an die Revolutionen des Arabischen den Slogan „Das Volk will das Regime stürzen!“
Die Demonstranten hatten sich zunächst am Rijad-Solh-Platz nahe des Regierungssitzes versammelt. Einige lösten sich aus der Menge, um eine Barriere zu überwinden, woraufhin Bereitschaftspolizisten hart einschritten. Einige von Tränengas benommene Protestler wurden weggetragen. Der private TV-Sender LBC meldete, Beamte hätten sogar einen ihrer Kollegen angegriffen.
Straßenschlachten bis in die Nacht
Der Sprecher des Roten Kreuzes, George Kattaneh, rechnete mit weitaus mehr Verletzten unter den Demonstranten, da die Straßenschlachten bis tief in die Nacht andauerten. Einige der Demonstranten zogen später zum nahe gelegenen Martyrer-Platz und erklärten, die ganze Nacht dort ausharren zu wollen.
Innenminister Mohammed Machnuk, der sich derzeit im Ausland aufhält, zeigte sich entrüstet über Berichte von Schüssen, die während der Ausschreitungen zu hören waren. Die Schützen würden zur Rechenschaft gezogen, sagte er dem privaten TV-Sender Al-Dschadeed. Zudem kündigte er an, die Abfallkrise bei einer Kabinettssitzung in der kommenden Woche lösen zu wollen.
Ob sich die Proteste zu einer größeren Volksbewegung auswachsen, ist noch unklar. Doch haben die Organisatoren die Bürger aufzurufen, sich ihnen anzuschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!