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Mordprozess zu Idar-ObersteinAnklage fordert lebenslang

Er sollte Maske tragen und erschoss einen Tankstellenmitarbeiter. Die Staatsanwaltschaft sieht eine besondere Schwere der Schuld.

Die Anklage fordert lebenslänglich: Oberstaatsanwaltin Frohn und Verteidiger Küster im Gerichtssaal Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Bad Kreuznach taz | Der Todesschütze von Idar Oberstein soll zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden. Das fordert die Staatsanwaltschaft im Prozess vor dem Landgericht Bad Kreuznach. Im September vergangenen Jahres hat der 50-jährige Angeklagte nach einem Streit über die Maskenpflicht einen Tankstellenmitarbeiter erschossen.

„Die Tötung von Alexander W. war Mord!“, sagte Staatsanwältin Nicole Frohn in ihrem Plädoyer am Montag. Der Angeklagte habe sein Opfer heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen erschossen. Sie sprach von einem krassen Missverhältnis zwischen Anlass und Tat. „Das Opfer war austauschbar“, sagte Frohn, der Mensch Alexander W. habe bei der Entscheidung keine Rolle gespielt.

Vorangegangen war der Tat nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft die Radikalisierung des Angeklagten. Er habe sein Opfer in den Kopf geschossen, um ein Zeichen gegen die Coronaschutzmaßnahmen zu setzen, von denen er sich belastet gefühlt habe. Der Angeklagte habe den Suizid seines Vaters verkraften müssen, er habe sicher auch wirtschaftlich unter den Auswirkungen der Pandemie gelitten und die Maskenpflicht abgelehnt. Aber: „Wer hat nicht unter Belastungen gelitten?“, fragte die Staatsanwältin Frohn.

Nach der Tat das Opfer verhöhnt

Als Beispiel trug sie Sprachnachrichten aus der Zeit vor der Tat vor, in denen der Angeklagte bereits Gewaltfantasien gegen PolitikerInnen auslebte, die er für die Maßnahmen verantwortlich machte. „Die Deutschen haben für solche Fälle die Gaskammer erfunden, schade, dass sie aus der Mode gekommen sind.“ Die Versuche der Verteidigung, den Angeklagten als schuldunfähig darzustellen, wies Frohn zurück. Er sei voll verantwortlich, trotz der erhebliche Alkoholmengen, die er vor der Tat zu sich genommen hatte. „Das ist nicht im Delirium passiert“, habe er selbst in seiner polizeilichen Vernehmung zu Protokoll gegeben.

Die Staatsanwältin beantragte auch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Noch nach dem tödlichen Schuss habe er sein Opfer verhöhnt, etwa wenn er die Bezeichnung „Tankstellenboy“ benutzt habe. Mit seiner Tat habe er sich über die Gesetze und alles Expertenwissen erhoben. Zum Abschluss ihres Plädoyers zitierte sie eine Audionachricht des Angeklagten, die er unmittelbar nach der Tat an seinen Schwager verschickt hatte. „Es ist ein Mord, den ich bitter bereuen, für den ich wahrscheinlich bis zum Ende meines Lebens im Knast sitze“.

Folgt das Gericht ihrem Strafantrag, wird der Angeklagte anders als sonst üblich auch nach einer verbüßten Haftdauer von 15 Jahren nicht in Freiheit kommen. Er wird das Gefängnis frühestens im Rentenalter verlassen können. Das Plädoyer der Verteidigung wird für Freitag erwartet.

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1 Kommentar

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  • Das erschreckende ist, dass der Täter sein Ziel erreicht hat. Ich mache niemanden mehr auf die Maskenpflicht aufmerksam, unterstütze nur die, die mutig genug sind, es trotzdem zu tun.



    Trotz aller Analysen, dass es ein Fehler war, dass Trump das Maskentragen zum Politikum gemacht hat, ist es hier zeitversetzt genauso passiert. Bei manchen Politikern, vor allem in der FDP, aber auch überall sonst, habe ich das Gefühl, dass der Täter ja ein verständliches Anliegen gehabt habe, aber halt übertrieben hätte.