Mordanschläge in Bangladesch: Ein Klima der Angst
Die Existenz des Islamischen Staates im Land ist nicht bewiesen. Trotzdem ist der religiös begründete Terror ein Problem.
Beide wurden 300 Kilometer voneinander entfernt auf die gleiche Art getötet: Drei Maskierte Männer erschossen sie am helllichten Tag im Vorbeifahren von einem Motorrad aus.
Site ist die einzige Quelle für die Selbstbezichtigung des IS. Die Regierung, die sich um den Ruf des Landes sorgt und wirtschaftliche Einbußen befürchtet, dementiert die Täterschaft der Terrormiliz wie überhaupt deren Existenz im Land. „Das ist absoluter Quatsch, es gibt keinen IS in diesem Land, auf gar keinen Fall“, erklärte Innenminister Asaduzzaman Khan.
Premierministerin Sheikh Hasina machte sogleich die oppositionelle Bangladesh Nationalist Party (BNP) und ihren islamistischen Bündnispartner Jamaat-e-Islami für die Morde verantwortlich. Sie seien Teil einer Verschwörung, um das „Image des Landes zu beschmutzen“. Beweise legte Hasina nicht vor. Die Polizei hat in beiden Fällen noch keine heiße Spur.
„Todesliste“ mit 21 Namen von Bloggern
Die Morde haben unter Ausländern im Land ein Klima der Angst verbreitet. Vor allem westliche Einrichtungen haben ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärkt und Mitarbeiter angewiesen, sich möglichst nicht in der Öffentlichkeit aufzuhalten. Australiens Cricket-Mannschaft sagte eine einmonatige Rundreise durch Bangladesch ab.
Innenminister Khan
Vergangene Woche gab es dann einen weiteren Mordanschlag auf einen Baptisten-Pastor in der nordwestlichen Stadt Iswardi. Drei junge Männer, die vorgaben, sich für das Christentum zu interessieren, stachen plötzlich auf ihn ein. Seine Frau kam ihm zu Hilfe und die drei flohen. Die Polizei nahm später fünf Männer fest, die zur verbotenen Gruppe Jamaat-ul-Mujahideen (JMB) gehören sollen.
Für die Existenz eines IS-Ablegers in Bangladesch gibt es bisher keinen Beweis. Doch die Polizei hat in den letzten zwölf Monaten selbst 15 Männer festgenommen, die sich laut der Ermittler entweder dem IS anschließen wollten oder für diesen in Bangladesch rekrutiert haben sollen. Unter den Festgenommen waren mutmaßliche Mitglieder von JMB und anderen verbotenen Organisationen. Dies berichtete kürzlich die Zeitung Daily Star.
Ende September erregte in Bangladesch eine „Todesliste“ mit 21 Namen von Bloggern Aufsehen. Als Urheber gilt die Gruppe Ansarullah Bangla Team (ABT), die der Bewegung Ansar al-Islam nahesteht, die als Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida gilt. Die Liste ist ernst zu nehmen, weil in diesem Jahr bereits vier Blogger ermordet wurden. Sie hatten sich prominent gegen religiösen Extremismus ausgesprochen und standen zum Teil auch auf Todeslisten.
Die Regierung reklamiert Fortschritte: 2015 habe es erst 37 terroristische Morde gegenüber 404 im Jahr 2013 gegeben. Für die Bedrohten ist das nicht wirklich beruhigend, zumal die Regierung die Meinungsfreiheit der Blogger nicht uneingeschränkt verteidigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt