Moralkeule gegen NBA-Spieler Kobe Bryant: "Direktflug in die Unmenschlichkeit"
Weil US-Basketballer Kobe Bryant für eine türkische Fluggesellschaft wirbt, gehen Exilarmenier auf die Barrikaden. Der Star solle die Sache noch einmal überdenken, fordern sie.
LOS ANGELES/BERLIN taz | Kobe Bryant ist Ärger gewohnt. Seit 14 Jahren dient er als ebenso zuverlässiger wie erfolgreicher Punktesammler in der Profiliga NBA. In dieser Zeit hat er sich mit dem Basketballriesen Shaquille ONeal angelegt, er hat sich gegen Vergewaltigungsvorwürfe verteidigen und gegen sein Image als Egomane ankämpfen müssen. Jetzt wird wieder gegen den Star der Los Angeles Lakers demonstriert. Der Grund: Bryant hat einen Sponsoringvertrag mit einer türkischen Fluggesellschaft abgeschlossen.
Die Airline hat auch die Fußballteams von Manchester United und Barcelona unter Vertrag. Weil die Fluglinie demnächst Direktflüge nach Los Angeles anbietet, holten sie Bryant als "Werbebotschafter" an Bord. Der wird fürstlich entlohnt. Alles schien in Butter. Doch Bryant hatte die Rechnung ohne die vielen Exilarmenier gemacht. Vor allem die armenische Jugendorganisation in den Staaten macht mobil gegen den Werbemillionär aus Kalifornien. "Wir sind sehr enttäuscht", sagte Caspar Jivalajian, "wir haben Kobe gebeten, sich über die historischen Hintergründe zu informieren." Zwischen 1915 und 1917 waren im damaligen Osmanischen Reich hunderttausende Armenier bei Massakern und Todesmärschen getötet worden.
Historiker sprechen von einem Genozid. Die türkische Regierung aber will davon nichts wissen; obwohl Großwesir Damat Ferid Pascha die Verbrechen am 11. Juni 1919 öffentlich eingestanden hatte, wehrt sich die türkische Regierung bis heute gegen die Bezeichnung der Vorgänge als Völkermord. Die armenische Gemeinde in den USA ist 700.000 Mann stark, und sie wirft Bryant Naivität und Geldgier vor. "Er hat einen Direktflug in die Unmenschlichkeit gebucht", heißt es plakativ. Am Rande von Spielen der Los Angeles Lakers ist es bereits zu kleineren Demonstrationen gekommen. Von Bryant, der noch nie einen Fuß auf türkischen Boden gesetzt hat, ist nicht viel mehr zu erfahren als das übliche PR-Gewäsch: "Man hat mir gesagt, die Türkei wäre ein Spitzenland", lässt er wissen, "der Deal beweist, dass wir global vernetzt sind." Auch die Airline äußert sich nicht zu dem Fall. Die Proteste der US-Armenier sollen offenbar ins Leere laufen.
Viele Parteien haben ein Interesse daran, dass Bryants Deal nicht zu einem Politikum wird. In Washington hatte man in diesem Jahr schon genug damit zu tun, türkische Diplomaten zu beschwichtigen. Im März hatte der Außenausschuss des Repräsentantenhauses eine Resolution verabschiedet. Darin wurden die Massaker an den Armeniern als Völkermord bezeichnet. Der türkische Botschafter wurde daraufhin kurzfristig aus Washington abberufen. Einen Monat nach seinem Weggang kehrte er in die USA auf seinen Posten zurück. "Die Botschaft, die wir senden wollten, ist verstanden worden", sagte Botschafter Namik Tan damals vor seinem Abflug am Flughafen von Ankara.
In den vergangenen Tagen sind die Türken wieder hellhörig geworden, weil die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die Resolution offenbar zur Abstimmung bringen will. Kobe Bryant kann sich am Samstag wieder aufs Wesentliche konzentrieren. Er spielt Basketball gegen die Miami Heat. Das kann er am besten. MARKUS VÖLKER
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