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Monat der MännergesundheitAuch du, lieber Mann

Luisa Faust
Kommentar von Luisa Faust

Im November sollen sich Männer um ihre Gesundheit kümmern. Bei der Kampagne „Movember“ geht dabei um mehr als einen hübschen Schnurrbart.

Männergesundheit geht auch ohne Bart Foto: Tobias Leipnitz/plainpicture

L ieber Mann, wie geht es dir? Nein, wirklich – wie fühlst du dich? Hast du heute Gemüse gegessen? Ausreichend Wasser getrunken? Genug geschlafen? Wann hast du letzte Mal mit deinen Freunden gesprochen? Und wann mit deinem Urologen?

Hast du schon Pläne für den 19. November gemacht, für den internationalen Männertag? Vielleicht könntest du dich an diesem Tag um deine Gesundheit kümmern. Ein paar Vorsorgeuntersuchungen vereinbaren, ein wenig Yoga machen, im Tagebuch deine Gefühle sortieren – wie wäre das?

Falls du das nicht alles an einem Tag schaffst, bleibt dir noch der Rest vom November, es ist noch Zeit, im Monat der Männergesundheit. Wenn du der Welt mitteilen möchtest, dass du dich jetzt um dich selbst kümmerst, kannst du dir einen Schnurrbart wachsen lassen. Dann bist du Teil einer Aktion, einer Bewegung, zeigst dich solidarisch, beim „Movember“.

Die Kampagne, die nach Moustache (engl. Schnurrbart) und November benannt ist, soll Aufmerksamkeit schaffen und Spendengelder sammeln für eine in Sachen Gesundheit vernachlässigte Gruppe: die Männer. Sie sollen so dazu motiviert werden, zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen und auch mal über ihre psychische Gesundheit zu sprechen.

Männer sind so verletzlich

Klingt das irgendwie albern? Einen Monat lang Schnurrbart tragen und auch mal über Gefühle sprechen? Tatsächlich ist die Lage ziemlich ernst: Männer sterben im Schnitt fünf Jahre früher als Frauen. Das ist kein Naturgesetz, es liegt nicht in ihrer Biologie. Manches ist das Resultat von ihrem Gesundheitsverhalten. Männer spielen ihren Schmerz öfter runter, ignorieren häufiger Krankheiten und körperliche Symptome.

Männer gehen deswegen seltener zum Arzt, sie essen weniger gesund, sie nehmen mehr Drogen. Sie verpassen häufiger Vorsorgeuntersuchungen und sterben deswegen vermeidbare Tode an männerspezifischen Krebsarten wie Prostata- und Hodenkrebs. Sie nehmen seltener psychologische Hilfe in Anspruch als Frauen, ihre psychischen Erkrankungen sind unter­diagnostiziert und unterbehandelt. 73 Prozent aller Suizide werden von Männern begangen.

Männer leben außerdem riskanter: Ihre Berufe sind gefährlicher, sie verletzen sich dreimal so häufig bei Arbeitsunfällen wie Frauen. 95 Prozent der Verunglückten bei Arbeitsunfällen mit Todesfolge sind männlich. Männer sind häufiger Opfer von Gewalt, die meistens von anderen Männern ausgeht.

Sind die Männer also selbst schuld, ­müssten sich einfach mal besser um sich kümmern? Ein bisschen vielleicht, aber das ist nicht alles.

Und dann noch die HPV-Impfung

Viele Männer haben weniger regelmäßig Kontakt zum Gesundheitssystem als Frauen, für die ein Frauenarztbesuch meist selbstverständlich ist, gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen inklusive. Einen Abstrich für die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs zahlt die Krankenkasse. Brustkrebsuntersuchungen gibt es für Frauen routinemäßig ab 30 Jahren, die Hälfte von ihnen nimmt das in Anspruch.

Wollen sich Männer gegen Prostatakrebs schützen, müssen sie oft explizit nachfragen. Die Vorsorgeuntersuchung wird ab 45 Jahren empfohlen, aber nur 24 Prozent der Männer nehmen das in Anspruch. Und eine routinemäßige Untersuchung für Hodenkrebs gibt es gar nicht, da muss der Mann selbst tasten. Manches wird zwar gerade besser: Die HPV-Impfung, die vor Gebärmutterhalskrebs schützt, war lange nur für junge Frauen ­vorgesehen. Inzwischen wird sie aber genauso für Jungen empfohlen, denn auch bei Männern kann das Virus Tumor­erkrankungen auslösen.

Das ist ein Anfang, aber gendersensible Medizin braucht es für beide Geschlechter: Für Frauen, deren Schmerz so oft nicht ernst genommen wird, und für Männer, die sich ihren Schmerz oft gar nicht erst eingestehen. Wie so oft, macht das Patriarchat alles schlimmer: Studien zeigen, dass Männer, je mehr sie an herkömmliche Rollenbilder glauben, umso mehr die Sorge um sich selbst vernachlässigen. Dann vertun sie sich mehr, schätzen sich grundsätzlich gesünder ein als Frauen. Dabei sind sie ähnlich viel krank.

Lieber Mann, natürlich kannst du das nicht alles im November lösen, und auch nicht durch einen Schnurrbart. Aber du solltest wissen, dass auch du verletzlich bist.

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Luisa Faust
Volontärin bei der wochentaz
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4 Kommentare

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  • Zum Thema Prostatavorsorge:



    Das Abtasten wird von vielen Urologen/ Forschern nicht mehr als zielführend angesehen.



    Ein PSA-Test (des Urins) bringt etwas, wenn man es so macht:



    mit circa 44 - 52 Jahren einen Test machen. Falls ok, gut. Sonst MRT oder Biopsie (Gewebeprobe).

    Ab 60 Jahren alle fünf Jahre ein neuer PSA-Test. Dann vergleichen mit dem Testwert aus dem Test mit 44-52 Jahren. Ist er (stark) angestiegen? Dann MRT oder Biopsie.

    Hintergrund: Mit zunehmendem Alter steigt der PSA-Wert normalerweise an. Das erschwert die Aussage des Tests.

    Es gibt also Leute, die einen hohen Wert von "Natur aus" haben.

    Ein "Fehlalarm" (hoher Wert, ohne Krebs) kann psychisch belasten, bis das Ergebnis des MRT/der Biopsie vorliegt (ca. zwei Wochen bangt man dann). Das ist auch zu bedenken.

    Es ist leider nicht so einfach, zu entscheiden, was man tun soll.

    Alles ohne Gewähr. Habe es aus der Presse (nicht Fachpresse, sondern NRZ).

  • "Männer spielen ihren Schmerz öfter runter, ignorieren häufiger Krankheiten und körperliche Symptome." Und was ist mit dem berühmten "Männerschnupfen" ? Wird mit dem nicht immer suggeriert dass Mäner weinerlicher sind, wenn sie ein Leiden haben ?

  • "Männer sterben im Schnitt fünf Jahre früher als Frauen. Das ist kein Naturgesetz, es liegt nicht in ihrer Biologie. "



    Wagemutige Behauptung. Gibt es dafür stichhaltige Belege?

    • @Encantado:

      Das hat Marc Luy mit seiner Klosterstudie vor etwa 20 Jahren gut nachweisen können. Und es ist auch in Bereich der Demografieforschung gut belegt, dass sowohl die Veränderungen als auch die starken nationalen Differenzen im Gender Gap bei Lebenserwartungen auf soziale, nicht auf biologische Bedingungen hinweisen.