Model und Blogger über Plus-Size: „Dick ist völlig legitim“
Claus Fleissner wurde mit 38 Jahren Model und einer der ersten männlichen Plus-Size-Blogger. Männer und Mode, das ist immer noch kompliziert, sagt er.
taz: Herr Fleissner, was ist Ihre Message?
Claus Fleissner: „Accept your Extra-Inches – love yourself!“ Das schreibe ich unter jeden Artikel, ist manchmal aber natürlich leichter gesagt als getan. In meinem Fall geht es auch darum, Spaß an Mode zu haben. Am Ende sollte man einfach sagen können: „Jo, ich bin dick, aber ich kann alles machen, was schlanke Menschen auch können.“
Sie selbst benutzen also das Wort „dick“, das ist kein Problem?
Das ist absolut kein Problem. Da tickt natürlich jeder anders, aber dick ist für mich eine völlig legitime Bezeichnung. Ist halt das Gegenteil von schlank. „Fett“ finde ich aber negativ.
Ist der Druck auf Männer, „perfekte“ Körper zu haben, besonders hoch?
Wir haben es vielleicht einfacher. Ein Bauch wird bei einem Mann teilweise immer noch als Wohlstandsbauch behandelt. Frauen haben es schwerer, weil sie anders perfekt sein müssen.
Es gibt ja das Beispiel, dass Barbies kleinen Mädchen beibringen, sie müssen schlank ein. So ist es auch bei Jungs mit den Six-Packs ihrer „He-Man“-Actionfiguren. Es gibt Druck, aber anders, als bei Frauen. Muskeln stehen ja für Stärke und wenn Frauen auf den Körper reduziert werden, ist es ja eher eine Erniedrigung. Aber Männer leiden auch.
Haben Sie auch gelitten?
Gott sei dank nicht. Meine Eltern haben es ganz gut hinbekommen, mich so zu erziehen, dass ich selbstbewusst bin und selber Menschen nicht nach dem Äußeren beurteile. Ich war immer ein dickes Kind. Es gab ein paar Phasen, in denen es sich etwas verwachsen hat, das habe ich dann aber schnell wieder mit Essenszufuhr aufgeholt. (lacht)
Ich habe keine negativen Erfahrungen gemacht, andere aber schon. Denn Mobbing gibt es vor allem bei Kindern und Jugendlichen.
Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen mit Dicken inzwischen sensibler umgehen?
Nicht sensibler. Es ist aber schon mal gut, dass gerade meine weiblichen Kolleginnen die letzten Jahre viel dafür getan haben, dass man als Plus-Size-Model gesehen wird. Dass sie nicht als Frauen zweiter Klasse gesehen werden, wenn sie ein paar Pfunde mehr auf den Hüften haben.
Wir Männer ziehen da erst jetzt nach. Es kommt sehr viel Zuspruch, jetzt wo das Thema in der Öffentlichkeit steht, aber es kommt auch viel Hass.
Auch gegen Sie?
Auch da habe ich bisher Glück gehabt, was mich tatsächlich ein bisschen wundert. Das ist etwas, was man eher bei Bloggerinnen sieht. Ganz oft sind das dann selbst dicke Frauen, die Bloggerinnen fertig machen, wie sie sich überhaupt trauen können, sich so anzuziehen.
Warum ist die Kritik an Ihnen anders?
Die Kritik an mir ist konstruktiv und kommt manchmal, weil Menschen modische Outfits bei dicken Männern noch nicht gewohnt sind. Ich habe da glaube ich aus versehen eine Vorreiterrolle eingenommen. Bei Pailletten habe ich auch schon positive Kommentare bekommen.
Sie sind im Modebereich der erste deutschsprachige und männliche Plus-Size-Blogger. Inzwischen gibt es aber noch ein paar mehr. Warum trauen sich Männer das bisher noch nicht so richtig?
Das ist denke ich nicht von der Konfektionsgröße abhängig. Männer und Mode ist einfach so eine Geschichte, die nicht sofort verknüpft wird. Es gibt ja auch kein übergroßes Angebot an Männermode.
Fehlt also auch Plus-Size-Kleidung für Männer?
40, zieht sich gerne gut an und kommt aus Frankfurt am Main. Aus Spaß lief er bei einer Modenschau mit und arbeitet seitdem nebenher als Plus-Size-Model. Mit „Extra Inches“ betreibt er als erster Mann einen Plus-Size-Fashion-Blog im deutschsprachigen Raum. Hier gibt er Fashion-Tipps für dicke Männer und erklärt, dass es okay ist, dick zu sein, solange man sich in seinem Körper wohl fühlt. Sein Mann hilft ihm mit dem Blog und macht die Fotos von Claus.
Auf jeden Fall. In den letzten acht Jahren hat sich zwar schon was getan. Aber du hast definitiv kaum was Cooles, Neues, Modernes gefunden. Richtig angefangen hat damit erst Asos. Die haben die ganz schrillen Sachen teilweise in den großen Größen und das ist wirklich neu. Aber viele denken noch, ein dicker Mann würde sich einfach nicht für Fashion interessieren.
Wie sind Sie zum Modeln gekommen?
Wie die Jungfrau zum Kinde (lacht). 2014 habe ich bei Shopping-Queen gewonnen. Da kam dann die PR-Frau unserer Firma auf mich zu und meinte: „Schlag doch mal ein Outfit auf Facebook vor.“ So bin ich in den Social-Media-Bereich reingerutscht.
Deswegen war ich im Team für die „Kurvenrausch Plus Size Fashion Days“, die größte Plus-Size-Modenschau in Europa. Das war damals aber noch eine reine Veranstaltung für Frauen. Ich kam mit der Organisatorin ins Gespräch und sie meinte – mehr als Gag – ob ich nicht Lust hätte, da als Mann mitzulaufen. Nach dem Auftritt wurde mir eine Agentin einer Mode-Agentur vorgestellt und ich hatte ruck zuck den ersten Job. Witzige Geschichte, wenn du gerade 38 bist, 130 Kilo auf die Waage bringst und als Model nochmal Karriere machst.
Gibt es trotzdem noch einen Traum den Sie sich erfüllen wollen?
Ich würde gerne für Gucci über den Laufsteg gehen. Die haben super krasse Shows, die Klamotten sind auch sehr geil und das wäre gleichzeitig ein Zeichen für mehr Akzeptanz von dicken Männern.
Was können Sie dicken Männern sagen, die mit ihrem Körper nicht so positiv umgehen können?
Fragt euch, warum das so ist. Stell euch mal vor den Spiegel, von mir aus auch nackt oder in Unterhose und schaut, was euch gefällt. „Hey, ich habe schön breite Schultern, einen festen Bauch, die Proportionen sind schon irgendwie ganz toll und ich hab ein schönes Lächeln.“ Wenn ihr dann herausfindet, dass für euch alles fein ist, ihr euch aber trotzdem nicht wohl fühlt, liegt das vielleicht an der gesellschaftlichen Norm.
Wenn es euch aber aus euch heraus nicht gut geht, vielleicht auch aus gesundheitlichen Gründen, müsst ihr das ändern und anfangen an euch und eurem Körper zu arbeiten. Denn warum soll man einem dicken Mann sagen, er soll seinen Körper akzeptieren, wenn er sich ehrlich nicht damit wohl fühlt?
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