Mode-Marotten in der Fußball-Bundesliga: Der aus der Kälte kam
Köln-Coach Steffen Baumgart treibt die Männlichkeitsrituale an der Seitenlinie ins Absurde.
H at ein Fußballtrainer keine Lust mehr auf seinen Job, muss er nur auf Regenwetter warten und dann, sobald es an einem Spieltag gießt, mit Regenschirm an die Seitenlinie treten. Die Boulevardpresse, zumindest die englische, würde über den Beschirmten spotten, Fans würden ihn angehen. Seine Reputation bekäme Kratzer.
Das ging vor ein paar Jahren dem englischen Trainer Steve McClaren so, der nach seinem Auftritt als „Wally with the Brolly“ (der Trottel mit dem Schirm) verhöhnt wurde. Seit Jahrhunderten scheint sich nur wenig verändert zu haben: Als der Regenschirm-Pionier Jonas Hanway um 1750 sich erstmals in England mit einem Schirm vor dem Regen schützte, machte sich die Öffentlichkeit in allen Schattierungen über ihn lustig. Zu Französisch, das Ganze, ätzte man. Heute hieße es: zu schwul.
Also lassen sich Trainer, die als durch und durch mannhaft gelten wollen, auch heutzutage noch vollregnen. Triefnass stehen sie da. Sie zeigen sich lieber als begossene Pudel, riskieren eine Lungenentzündung, als dass sie sich eine Blöße geben. In diesem Spiel der harten Hunde in der Coaching-Zone bellt nun ein gewisser Steffen Baumgart, seines Zeichens Übungsleiter des 1. FC Köln, am lautesten. Er trägt auch bei Minusgraden nur ein T-Shirt. Derart leicht bekleidet, tigert der Bärbeiß herum, bringt immerhin sein Blut in Wallung, sodass man sich nicht sorgen muss um seine Gesundheit (oder doch?).
Wetter-Warrior
Baumgarts Beispiel scheint Schule zu machen. Auch den Trainer Lukas Kwasniok sieht man inzwischen im Kurzarmleibchen sein Team aus Paderborn dirigieren. Die Trainer im T-Shirt stellen ihre Unverwüstlichkeit zur Schau, ihre Resistenz gegen unschöne Unbilden, sie gehen als Wetter-Warrior voran – und werden nur noch von einigen Ultras auf den Rängen übertroffen, die ihre Oberteile ausziehen und die Hühnerbrust respektive Bierwampe zur Schau stellen.
Baumgart hat erst eine Schiebermütze aufgesetzt. Jetzt zieht er sich aus. Muss man das Schlimmste bei höheren Temperaturen befürchten? Badehose am letzten Spieltag? Und was macht der Mann, der Hitze hat, zu Hause? Geht er nackt umher? Bisher funktioniert seine Show an der Linie ja gut. Der FC spielt nicht übel, hält sich im soliden Mittelfeld.
Was Baumgart tut, mag seinem Team helfen, aber er setzt damit die anderen Trainer unter Druck. In der Dauenjacke oder im Wollmantel erscheinen sie als Weicheier. Und schau mal, der da hat sogar eine Kaschmirmütze auf! Das ist fast so schlimm wie das Aufspannen eines Regenschirms bei einem Wolkenbruch. Also: Steffen, zieh dir was an, das ist ja nicht zum Aushalten!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe