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Mode-Marotten in der Fußball-BundesligaDer aus der Kälte kam

Köln-Coach Steffen Baumgart treibt die Männlichkeitsrituale an der Seitenlinie ins Absurde.

Der Bärbeiß, der Hitze hat: Steffen Baumgart an der Seitenlinie Foto: David Inderlied/dpa

H at ein Fußballtrainer keine Lust mehr auf seinen Job, muss er nur auf Regenwetter warten und dann, sobald es an einem Spieltag gießt, mit Regenschirm an die Seitenlinie treten. Die Boulevardpresse, zumindest die englische, würde über den Beschirmten spotten, Fans würden ihn angehen. Seine Reputation bekäme Kratzer.

Das ging vor ein paar Jahren dem englischen Trainer Steve McClaren so, der nach seinem Auftritt als „Wally with the Brolly“ (der Trottel mit dem Schirm) verhöhnt wurde. Seit Jahrhunderten scheint sich nur wenig verändert zu haben: Als der Regenschirm-Pionier Jonas Hanway um 1750 sich erstmals in England mit einem Schirm vor dem Regen schützte, machte sich die Öffentlichkeit in allen Schattierungen über ihn lustig. Zu Französisch, das Ganze, ätzte man. Heute hieße es: zu schwul.

Also lassen sich Trainer, die als durch und durch mannhaft gelten wollen, auch heutzutage noch vollregnen. Triefnass stehen sie da. Sie zeigen sich lieber als begossene Pudel, riskieren eine Lungenentzündung, als dass sie sich eine Blöße geben. In diesem Spiel der harten Hunde in der Coaching-Zone bellt nun ein gewisser Steffen Baumgart, seines Zeichens Übungsleiter des 1. FC Köln, am lautesten. Er trägt auch bei Minusgraden nur ein T-Shirt. Derart leicht bekleidet, tigert der Bärbeiß herum, bringt immerhin sein Blut in Wallung, sodass man sich nicht sorgen muss um seine Gesundheit (oder doch?).

Wetter-Warrior

Baumgarts Beispiel scheint Schule zu machen. Auch den Trainer Lukas Kwasniok sieht man inzwischen im Kurzarmleibchen sein Team aus Paderborn dirigieren. Die Trainer im T-Shirt stellen ihre Unverwüstlichkeit zur Schau, ihre Resistenz gegen unschöne Unbilden, sie gehen als Wetter-Warrior voran – und werden nur noch von einigen Ultras auf den Rängen übertroffen, die ihre Oberteile ausziehen und die Hühnerbrust respektive Bierwampe zur Schau stellen.

Baumgart hat erst eine Schiebermütze aufgesetzt. Jetzt zieht er sich aus. Muss man das Schlimmste bei höheren Temperaturen befürchten? Badehose am letzten Spieltag? Und was macht der Mann, der Hitze hat, zu Hause? Geht er nackt umher? Bisher funktioniert seine Show an der Linie ja gut. Der FC spielt nicht übel, hält sich im soliden Mittelfeld.

Was Baumgart tut, mag seinem Team helfen, aber er setzt damit die anderen Trainer unter Druck. In der Dauenjacke oder im Wollmantel erscheinen sie als Weicheier. Und schau mal, der da hat sogar eine Kaschmirmütze auf! Das ist fast so schlimm wie das Aufspannen eines Regenschirms bei einem Wolkenbruch. Also: Steffen, zieh dir was an, das ist ja nicht zum Aushalten!

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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16 Kommentare

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  • 1G
    14397 (Profil gelöscht)

    "Köln ist eine tolerante Stadt."



    Leider gilt das für ihre Eingeborenen nur teilweise. Bin Immi (Zugezogener) aus Bonn und weiß wovon ich rede...

  • 1G
    14397 (Profil gelöscht)

    Wenigstens ein warmer Bruder im homophilen deutschen Männerballtretergewerbe.

  • Däh&Zisch Mailtütenfrisch schlenzt ein:

    “ Träner - Der ist ja nicht mal tätowiert... und btw.: Eine Fußballmannschaft ist kein Streich-Orchester.“

    kurz - “Trink Sester mein Bester!“

    • @Lowandorder:

      Das Streich - Orchester ist ja wohl eher aus Freiburg als aus Colonia

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Liggers. Aber aus Osnabrücker Sicht -



        Im Westen nichts Neues - Newahr.



        Läuft das aufs selbe raus!



        Normal Schonn.

  • Köln ist eine tolerante Stadt. Es kann sogar einen stereotyp hetero auftretenden Fußballtrainer ertragen. Anderswo ist man da offenbar noch nicht so weit... ;-)

    Eigentlich interessant fand ich die Mutmaßung, dass Baumgart damit seinem Team real helfen könnte. Ist das wirklich Ihr Eindruck? War nicht Baumgart schon, als noch längärmlig herumlief, Coachingzonen-füllend als Tempramentsbündel unterwegs, und DAS galt als ein wichtiger Faktor seines Erfolgs in Köln - Männlichkeitsriutuale mal ganz außen vor?

  • Der Artikel sagt mehr über Herrn Völker (im hinteren Teil) als über Herrn Baumgart aus. Der will bestimmt kein Rollenmodell sein oder irgendwas zur Schau stellen. Vielleicht mal ein Interview mit ihm hören oder lesen?

  • ich dachte, wir wollten die Menschen nicht nach dem Aussehen, sondern (wenn es sich um eine Situation am Arbeitsplatz handelt) nach ihren Leistungen beurteilen...

    • @mlevi:

      Also - sach mal so.

      In Kölle is das sowas von schwierig!



      Und wg - 🥅 ⚽️ 🥅 - Sowieso!



      Na aber - Si’cher dat. Da mähtste nix.



      Dat wüßt ich ever - Normal!

  • "Was Baumgart tut, mag seinem Team helfen, aber er setzt damit die anderen Trainer unter Druck."

    Ist nicht genau das das Anforderungsprofil eines Trainers?

  • Ah ja, okay. Hochinteressant. Und in Buxtehude ist gestern gegen 15Uhr ein Sack Reis geplatzt.

    • @willifit:

      Ja wie? Normal - Na aber Si‘cher dat. Dat wüßt ich ever. Da mähtste nix. Normal. Jede Jeck is anders!



      &!Däh



      “Was so viel bedeutet wie: Jeder Narr ist anders. Übe Toleranz und Nachsicht dem anderen gegenüber aus im Wissen um die eigene Unvollkommenheit. Und auch wenn dieses kölsche Sprichwort offiziell nicht zum Kölschen Grundgesetz gehört, sagen es die Kölner oft und gerne.“

      kurz - Ach härm & ahl Schwaadlapp -



      Mach der Kopp zu! (Öscher Platt;)

    • @willifit:

      Rubrik verstanden?

      • @Bastian Bech:

        Na aber Si’cher dat. Dat wüßt ich ever.



        Normal.



        Rückseite von der Rubrik - Die Wahrheit



        Nur - mit ⚽️ Woll.

  • Möglicherweise hat Steffen Baumgart als ehemaliger Spieler aber auch einfach ein anderes Kälte-Empfinden.

    • @Ludowig:

      Darüber hinaus hilft Bewegung, dass man nicht so leicht friert und er hat mit seinem Speck auch einen gewissen natürlichen Schutz.