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Mobilitätsentwickler über Diensträder„Das Rad als Statussymbol“

In den kommenden Jahren wird die Zahl der Diensträder jährlich um eine halbe Million steigen, sagt Ronald Bankowsky. Er ist Gründer von mein-dienstrad.de.

Nicht nur der Postbote sollte ein Dienstrad haben Foto: Sven Kaestner/ap
Anja Krüger
Interview von Anja Krüger

taz: Immer mehr Unternehmen bieten Beschäftigten ein Dienstrad an. Wie viele Diensträder gibt es in Deutschland?

Ronald Bankowsky: Das Dienstrad wird in der Regel über Leasing-Unternehmen angeboten. Die Anbieter ­geben keine Zahlen heraus, das ist ein gut gehütetes Geheimnis. In Deutschland sind Diensträder seit 2012 möglich, 2018 hat es einen Schub gegeben, und Corona hat den Trend verstärkt. Ich schätze, dass es in Deutschland zurzeit rund 500.000 Diensträder gibt und in den kommenden Jahren rund eine halbe Million jährlich hinzukommen. Gerade bei den bis 30-Jährigen findet ein Umdenken statt. Für junge Leute ist eher das Rad als das Auto ein Statussymbol.

Wie viele Diensträder sind von Ihnen?

Auch wir geben keine Zahlen heraus.

Im Interview: Ronald Bankowsky

52, ist Gründer und Geschäftsführer der Onlineplattform „mein-dienstrad.de“. Außerdem forscht er zu nachhaltiger Mobilität.

Wie funktioniert das Dienstrad?

Der Arbeitgeber schließt einen Rahmenvertrag mit einem Anbieter und legt die Bedingungen fest. Zum Beispiel: Darf der Beschäftigte ein Rad haben oder zwei Räder, ein E-Bike oder konventionelles Rad, und was darf das Rad kosten. Im Pflegebereich geht es oft um 500 bis 700 Euro, bei anderen geht es bis 10.000 Euro.

… 10.000 Euro, das ist aber ziemlich viel für ein Dienstrad, oder?

Je nachdem, aus welcher Branche das Unternehmen kommt. Im Beraterbereich oder im IT-Bereich sind es schnell 10.000 Euro, während es im sozialen Bereich oft eine Deckelung bis 4.000 Euro gibt. Über ein Onlineportal können Beschäftigte einen Händler finden und sich ein Fahrrad aussuchen. Dann wird ein Leasingvertrag geschlossen, der Arbeitgeber zahlt 36 Monate die Leasinggebühren. Danach kann der Beschäftigte entscheiden, ob er das Fahrrad kaufen oder einen neuen Vertrag schließen will.

Der Arbeitgeber zieht die Rate vom Bruttolohn ab. Was kostet Beschäftigte ein Dienstrad ungefähr?

Ein Beispiel: Wer 2.800 Euro brutto verdient und ein E-Bike für 2.450 Euro nutzt, zahlt im Monat einschließlich Versicherung und Wartung rund 44 Euro, obwohl die Nutzungsrate knapp 76 Euro beträgt. Das ist möglich, weil die Rate vom Bruttolohn abgezogen wird und dafür weder Sozialabgaben noch Steuern gezahlt werden müssen.

Auch Arbeitgeber sparen Sozialabgaben.

Arbeitgeber sparen ein bisschen Sozialabgaben, aber sie beteiligen sich auch an den Kosten. Wenn es gut läuft, zahlen Firmen plus/minus null. Unternehmen, die nachhaltige Mobilität fördern wollen, zahlen Zuschüsse. Das machen viele. Sie übernehmen zum Beispiel prozentual einen bestimmten Satz oder 20 Euro für ein Wartungspaket.

Wie sind die Räder versichert?

Das hängt vom Anbieter ab. Bei uns ist es so, dass der Kunde das Rad schon mutwillig in einem Fluss versenken muss, damit der Schaden nicht ersetzt wird. Denn das wäre Vorsatz. Ansonsten ist alles, was passieren kann, abgedeckt. Verschleiß ebenfalls. Im Augenblick gibt es hervorragende Bedingungen auf dem Versicherungsmarkt. Denn jeder Versicherer möchte hier gerne mitmischen.

Knapp 1,9 Millionen Angestellte der Kommunen haben Anspruch auf ein Dienstrad, das sieht der Tarifvertrag vor. Werden Diensträder in weiteren Tarifverträgen vereinbart?

Ja. Ich gehe davon aus, dass der komplette öffentliche Dienst und weitere Branchen dazukommen. Abgesehen davon: Der Druck auf Arbeit­geber steigt, Diensträder anzubieten. Das Dienstrad hat sich bereits als Klebstoff erwiesen, um gute Mitarbeiter zu halten und zu bekommen.

In Deutschland gibt es rund 5,2 Millionen Firmenwagen. Lösen Diensträder den klassischen Dienstwagen ab?

Nein, Dienstwagen wird es weiterhin geben. Für Personen, die im Vertrieb unterwegs sind oder weil sie regelmäßige Strecken reisen. Aber auch da kann ein Dienstrad hilfreich sein. Denn diese Leute können ja privat Fahrrad fahren.

Was muss die neue Bundesregierung tun, um den Trend zum Dienstrad mehr zu unterstützen?

Grundsätzlich muss die Radinfrastruktur massiv ausgebaut werden. Damit wäre viel geholfen.

Ist das wichtiger als mehr finanzielle Vorteile?

Ja. Auf der Website www.steigum.de können Beschäftigte sehen, was sie an Geld für Sprit sparen oder an C02-Ausstoß vermeiden, wenn sie mit dem Rad statt mit dem Auto fahren.

Im Moment ist der Fahrradmarkt leer gefegt. Bremst das denn die Diensträder nicht aus?

Man bekommt hinsichtlich der Farbe oder Größe vielleicht nicht das Wunschfahrrad, aber wenn der Kunde ein Rennrad oder ein Hollandrad will, kriegt er das. Bei sehr speziellen Wünschen sind Wartezeiten von drei oder vier Monaten möglich.

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3 Kommentare

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  • Staatlich subventionierte Anschaffung eines Fahrrades, das dann für Sonntags-Schönwetter-Touren, mit elektrischem Antrieb natürlich, genutzt wird. Ansonsten wird weiter Auto gefahren.

    Wie lässt sich dieses Szenario vermeiden?

  • 10.000 Euro für ein Velo? Und was mach ich wenn es regnet, schneit oder einfach harter Winter ist? Bekomme ich dann noch einen Elektro-Dienstwagen für 50.000 Euro? Willkommen in der Klassengesellschaft 2.0

    • @V M:

      10.000 € für ein E-Bike ist die obere Preisklasse mit Carbonrahmen etc. Für ein vernünftig ausgestattetes E-Bike wie ich es fahre werden rd. 4.000. € fällig. Ich pendle regelmäßig zur Arbeit mit 10.000 Jahreskilometern, das ist natürlich nichts für Weicheier, die nicht aus Überzeugung fahren und bei Temperaturen von plus 5 Grad lieber mit ihrem Auto mit Popoheizung unterwegs sind. Man muss schon eine positive Einstellung zum Radfahren mitbringen, sonst gibt das nichts. Ich staune immer über KollegInnen, die fünf Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt wohnen und dennoch mit dem Auto fahren. Darauf angesprochen hört man dann: Das Auto ist ja eh da und will bewegt werden, da stehen immer so komische Leute an der Bushaltestelle, der Wind bringt meine Frisur durcheinander usw. Diese KollegInnen betrachten halt ihr Auto als rollenden zweiten Wohnsitz.