Moataz Salhanis Hackentreffer: Das Traumtor aus dem Lager

Ein Hackentreffer in der jordanischen Liga begeistert Fans in aller Welt. Das Tor ist nicht nur schön, es besitzt auch eine politische Dimension.

„Erst zu Hause sah ich, wie schön das Tor war“: Motaz Salhani Bild: youtube

Moataz Salhani ist ein weltberühmter Fußballer. Aber nicht sein Name, nicht sein Gesicht und auch nicht sein Verein Al-Wehdat SC sorgen für die Prominenz, sondern nichts anderes als der hintere Teil seines Fußes. Aus etwa 35 Metern Entfernung und aus vollem Lauf versenkte Salhani jüngst den Ball mit der Hacke und volley im gegnerischen Tor.

Es sei keine Absicht gewesen, „ich wollte den Ball nur mitnehmen, um dann zu schießen“, erzählte der 28-jährige Salhani später jordanischen Journalisten. Was er da angestellt hat, wird ihm erst langsam klar. „Als das Spiel vorbei war, sagten mir meine Kollegen, dass es ein schönes Tor war. Erst zu Hause sah ich, wie schön es war.“

Nicht nur Salhani fand das, über zwei Millionen Klicks auf YouTube machen das Tor weltberühmt. Doch erstaunlicherweise kaum den Schützen. „Manche Fans forderten, dass Salhani in die Nationalmannschaft berufen wird“, erzählt Ahmad Eid, Fan eines anderen jordanischen Clubs, Al Faisali, „doch die wissen gar nicht, dass er Syrer ist.“

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Vor ein paar Monaten kam Salhani für 25.000 Euro vom Ligakonkurrenten That Ras zu Al-Wehdat. That Ras, kein Spitzenklub, aber 2013 immerhin Pokalsieger, war seine erste Station in Jordanien, vorher kickte er in Syrien bei Al-Wahda aus seiner Geburtsstadt Damaskus.

Im Amman New Camp beheimatet

Salhanis sensationelles Hackentor vom 15. März war der goldene Treffer zum 1:0-Erfolg gegen Al-Ramtha. „Das Tor war nicht nur schön, sondern auch wertvoll, weil wir es geschafft haben, mit Ramtha den besten Club in dieser Saison zu schlagen“, sagt Zeyad Shilbaya, der Sportdirektor von Al-Wehdat.

Al-Wehdat SC ist der Club der palästinensischen Community in Jordanien. Er ist im Amman New Camp beheimatet, arabisch Al-Wehdat genannt. 1955 wurde es außerhalb von Amman gegründet, mittlerweile ist es Teil der jordanischen Hauptstadt, weshalb auch der – von den Bewohnern oft gewählte – Begriff des Flüchtlingslagers umstritten ist. 13 Schulen gibt es mittlerweile hier, und schon im Jahr 1956 richtete die UNRWA, die United Nations Relief and Works Agency, die das Lager aufgebaut hatte, auch Fußballplätze und Mannschaften ein. Wenn Al-Wehdat spielt, geht es immer um die Konkurrenz von Westbank und Eastbank, um das palästinensische und das alte Jordanien.

Im Jahr 1975 entschieden sich die Teams der Flüchtlingscamps, am jordanischen Spielbetrieb teilzunehmen. „Die Situation wurde brenzlig, als Al-Wehdat 1980 die Meisterschaft gewann, indem es Al-Ramtha schlug. Das bedeutete einen Auftrieb für die palästinensischen Jordanier, besonders die im Wehdat-Camp“, schreibt Joseph A. Massad, ein palästinensischer Historiker, der an der New Yorker Columbia University lehrt. Als 2010 Al-Wehdat gegen Al-Faisaly durch einen Treffer kurz vor Schluss gewann, warfen Faisaly-Fans Steine und fliehende Wehdat-Fans wurden von der Polizei angegangen, 250 wurden zum Teil schwer verletzt.

Königliche Familie geschmäht

Die gegnerischen Mannschaften – Al-Faisaly und Al-Ramtha – repräsentieren beide das alte Jordanien. Joseph A. Massad meint, es sei „ein Akt der nationalen Loyalität“, welchen Klub man unterstütze. Hier zeige sich, ob man sich als Palästinenser oder Jordanier verstehe. Tatsächlich wird im Fußballstadion die königliche Familie geschmäht und auch der Ruf „kuss ukht al-hukume“ ist zu hören: Fick die Regierung! Der Fußball-Klub Al-Wehdat, behauptet der italienische Soziologe Luigi Achilli, der anderthalb Jahre lang Feldforschung im Lager Al-Wehdat betrieb, sei mittlerweile das „Symbol des palästinensischen Nationalismus in Jordanien“, ein wichtigeres gebe es nicht.

Das Hackentor von Moataz Salhani ist also nicht nur schön, sondern auch politisch bedeutsam. Salhani selbst beklagt, dass die internationale Aufmerksamkeit nicht dem arabischen Fußball gilt: „Es gibt wirklich gute Spieler in der Region, aber niemand in den europäischen Medien weiß das.“ Ähnlich schimpft Mahmoud Khalilah, ein jordanischer Fußballfan: „Wenn ein europäischer Spieler wie Ronaldo so ein Tor erzielt, würden die Medien noch nach Jahren darüber reden.“

Was sein Tor für Moataz Salhani, den kaum bekannten Weltstar, bedeutet, ist unklar. Er hat einen syrischen Pass und spielt Fußball in einem Land, in dem mittlerweile 600.000 registrierte und noch viel mehr nicht gemeldete syrische Flüchtlinge leben. Angesprochen auf die syrische Auswahl, sagt er: „Ich wäre geehrt, wenn ich zur Nationalmannschaft eingeladen würde.“

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