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Mitgliederboom bei der SPDFast 25.000 neue Mitglieder 2018

Der Koalitionsvertrag steht noch immer nicht. Und die SPD verzeichnet vor dem geplanten Votum der Basis einen sprunghaften Mitgliederanstieg.

Haben sehr unterschiedliche Meinungen zur Koalition mit der Union: Schulz (l.) und Kühnert Foto: dpa

Berlin dpa/afp | Auch nach gut 20 Stunden zähen Ringens hat sich am Mittwochmorgen noch kein Durchbruch bei den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD abgezeichnet. Am Morgen hieß es aus Teilnehmerkreisen, es werde nach wie vor um Inhalte sowie um den Zuschnitt und die Verteilung von Ressorts gerungen. Die drei Parteien wollten nun vor Donnerstag den Koalitionsvertrag komplettieren. Am Mittwochmorgen wurde aber auch nicht völlig ausgeschlossen, dass die Verhandlungen noch scheitern könnten.

Wenn der Koalitionsvertrag kommt, hat die Basis der Sozialdemokraten das letzte Wort. Zuletzt traten tausende Menschen in die Partei ein, um an dem geplanten Mitgliedervotum über eine Fortsetzung der Großen Koalition teilzunehmen. Nach Ablauf der Aufnahmefrist am Dienstagabend teilte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil mit, dass sich insgesamt 463.723 Genossen an der Abstimmung beteiligen können.

Ein Sonderparteitag der Sozialdemokraten hatte am 21. Januar mit knapper Mehrheit die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union gebilligt. Die Mitglieder der SPD müssen dem Verhandlungsergebnis am Ende noch zustimmen. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur AFP unter SPD-Landesverbänden ergab eine Eintrittswelle in den gut zwei Wochen seit dem Parteitag. Klingbeil sprach auf dem Onlinedienst Twitter von 24.339 Neumitgliedern seit Jahresbeginn.

Die Sozialdemokraten sind in der Frage gespalten, ob sie nach ihrem historisch schlechten Bundestagswahlergebnis doch wieder ein Bündnis mit CDU und CSU eingehen sollen. Die von den Jusos angeführten „GroKo“-Gegner in der SPD riefen nach dem Sonderparteitag zu Parteieintritten auf, um eine Koalition mit der Union bei der Mitgliederbefragung zu verhindern. Allerdings lässt sich nicht feststellen, wie groß der Anteil der Kritiker einer Neuauflage der Großen Koalition unter den Neumitgliedern ist.

In die hessische SPD traten nach Angaben des Landesverbands bis Ende vergangener Woche mehr als 1.800 Menschen ein, die bayerischen Sozialdemokraten verzeichneten mehr als 2.900 Neuzugänge. Die SPD in Niedersachsen sprach von mehr als 1.100 Neuanträgen bis vergangene Woche. Der SPD in Brandenburg traten seit dem Parteitag fast 400 Menschen bei. Sachsen-Anhalt verzeichnete bis vergangene Woche 260 neue Anträge. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen hatte bereits Ende Januar mitgeteilt, etwa 3.600 Neuzugänge verbuchen zu können.

Ergebnis könnte Anfang März vorliegen

Wer bis Dienstagabend um 18.00 Uhr in die Mitgliederdatenbank aufgenommen wurde, kann sich an der Abstimmung über einen möglichen Koalitionsvertrag beteiligen. Ein Datum für das Votum steht noch nicht fest.

Die SPD will sich dem Vernehmen nach aber drei bis vier Wochen Zeit nehmen, um die Mitgliederbefragung zu organisieren, abzuhalten und das Ergebnis auszuzählen. Geplant sind im Vorfeld des Votums zudem sieben Regionalkonferenzen, auf denen die Parteispitze für das Verhandlungsergebnis werben will. Die Unterhändler von Union und SPD rangen am Dienstagabend darum, in den letzten Streitthemen der Koalitionsverhandlungen eine Einigung zu finden. Ein Abschluss der Gespräche wurde spätestens in der Nacht zum Mittwoch erwartet. Das Ergebnis der geplanten SPD-Mitgliederbefragung könnte dann Anfang März vorliegen.

Allerdings gingen beim Bundesverfassungsgericht fünf Anträge ein, in denen die Zulässigkeit der Abstimmung in Frage gestellt wird. Zwei der Anträge nahm das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe nach Angaben eines Sprechers bereits ohne Begründung nicht an. Wann über die anderen entschieden werden soll, war noch unklar. Im Dezember 2013 hatte das höchste deutsche Gericht das damalige Mitgliedervotum der SPD über eine Große Koalition in einem Eilverfahren zugelassen.

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6 Kommentare

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  • Der junge Kühnert sollte sich einmal mit der Frage befassen, ob sein Vorgehen irgendwie demokratisch zu rechtfertigen ist! Er versucht mit Tricks seine Meinung durchzusetzen. Eigentlich erwartet man von einem jungen Mann in seinem Alter schon ein wenig mehr Urteilsfähigkeit. Würde er später in der PArtei eine wichtige Rolle spielen, hätte ich Angst vor ihm - ein kleiner Kurz. Ist der Österreichische Kanzler sein Vorbild? In meinem Beitrag will ich nicht die Frage diskutieren, ob SPD-Mitglieder mit ja oder nein stimmen sollen. Es geht nur um die Kampagne zum Eintritt in die Partei. Welche faulen Eier er gelegt hat sieht man, wenn sogar aus den Reihen der widerlichen Braunen Stimmen kamen, für 2 Monate Parteimitgliedschaft und 20 Euro Merkel abzuwählen!

     

    Aber wieder einmal hat die Führung der Partei eine sehr schlechte Figur gemacht. Man kann jedes neue Mitglied herzlich willkommen heißen, aber stimmberechtigt sind nur die Mitglieder, die am 1. Januar schon in der Partei waren.

  • Oh bitte lieber Schülerspreche - verhindere, dass Martin Schulz uns in Europa verkauft.

     

    Ich glaube zwar Neuwahlen wären ein Desaster - aber immer noch besser als Martins Europahorror

  • Mehr Demokratie-Wagen auf die andere Tour, aber ob das wirklich etwas bringt?

     

    Die soziale Seite dieser Regierung ist eher schwach, dafür haben sie an einigen Stellen ein Einsehen gehabt, für die SPD zu wenig, insofern dürften die NEIN-Sager sich ganz gut mobilisieren können.

     

    Aber warum sie Kritik von Links in einer bürgerlichen Mitte-Rechts-Partei formulieren, können die NEIN-Sager auch nicht recht erklären. Anders formuliert: Diese 'rote' Liebe wird die SPD nicht erwiedern und so vermute ich, wird die SPD über die nächsten Jahre diese 'Neumitglieder' wieder verlieren.

     

    Überhaupt kommt es mir nicht so vor, als ob die SPD wirklich Mitglieder will, denn damit kommen dann ja soziale Milieus und Interessen ins Spiel, die stören.

     

    So war das ja früher: Fast eine Mio. Mitglieder - doch die stritten, die bildeten Milieus heraus, die sich in der Partei gegenüberstanden. Heute ist die SPD klein, aber fein: Da ist der Lehrer, der Zahnarzt und der leitende Beamte, es fehlen die arbeitslosen Eltern des Kindes, was der Lehrer unterricht, die Sekretärin vom Regierungsdirektor wählt gar nicht mehr und der Zahnarzt hat nur Kunden, die FDP wählen, aber schon mal bei guten Wetter in Sylt die Wahl verschlafen. Alles ist hier irgendwie entschleunigt und ruhig. Für Dramatik sorgt allenfalls die Medienholding der SPD.

     

    Und Neu-Mitglieder bringen auch Nähe - die bringt Reibung und das will die SPD nicht mehr haben.

     

    Die Austrittswellen nach den Hartz-Reformen und die Auseinandersetzungen um Schröder und Lafontaine hat die SPD mit einer Schrumpfkur gemeistert.

     

    Das wollen die auch so haben. Deswegen glaube ich: Viel Wind um Nix. Diese Regierung wird kommen und sie wird der SPD schaden, weil sie keine deutlichen Zeichen setzen kann. Es wirkt alles nach Angie und CDU - da werden einige Stammmitglieder der SPD sogar über einen Austritt nachdenken.

  • das höchst undemokratische Vorgehen der Mitgliedsbeitritte um gegen eine GroKo zu stimmen ist sehr bedenklich. Vor allem weil wirklich jeder kurzfristige eintreten kann, egal welcher Herkunft oder Gesinnung, um dann einfach nur dagegen zu sein und unserer Demokratie damit schaden können. Es ist ebenso immer bedenklich das Volk entscheiden zu lassen wenn Populisten wir der Juso Kühnert eine Situation ausschlachten um an die Macht zu kommen.

  • Bei sowas bitte die Altersverteilung der SPD dazuschreiben. Wenn die alten Wiki-Daten noch stimmen mit 8% Juso-Anteil von unter-36-jährigen und 50% ü60, hallo GroKo.

  • Als Ex-Juso setze ich alle Hoffnung auf die Jusos