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UN-Bericht zu KlimaanpassungMit dem Wasser bis zum Hals

Die gefährdetsten Länder bekommen oft am wenigsten Geld für Anpassung an die Erderhitzung. Ein Vorschlag: Milliardäre müssten mehr beitragen.

Bau eines neuen Staudamms in Bangladesch 2021; der alte wurde von einem Zyklon zerstört Foto: Mushfiqul Alam/NurPhoto/afp
Jonas Waack

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Jonas Waack aus Berlin

taz | Ärmere Länder entwickeln zunehmend Pläne, wie sie sich an die Erderhitzung anpassen wollen. Die Gelder für diese Anpassung sind aber deutlich zu wenig und sehr ungerecht verteilt. Das stellen ein Bericht zu Anpassungsplänen der Vereinten Nationen und ein Index für Anpassungsfinanzierung der Entwicklungsorganisation Brot für die Welt fest, die am Dienstag veröffentlicht wurden.

„Die Bundesregierung sollte nicht zu kurz denken und an der Klimafinanzierung sparen“, warnt Sabine Minninger, Klima-Expertin von Brot für die Welt. Nicht nur habe Deutschland als einer der größten CO2-Emittenten der Welt eine moralische Verantwortung gegenüber Menschen in ärmeren Ländern, die zur Erderhitzung kaum beigetragen haben, aber an den Folgen verarmen, erkranken oder sterben.

„Wenn man Flucht bekämpfen will, sollte man nicht Flüchtlinge, sondern Fluchtursachen bekämpfen“, sagt Minninger. Der Klimawandel werde zum Fluchttreiber. Zunehmende Dürren oder der Meeresspiegelanstieg vertreiben bereits heute Millionen Menschen. Diese Katastrophen zu mildern, sei am menschlichsten und am billigsten dadurch zu erreichen, indem Anpassungsmaßnahmen vor Ort angemessen gefördert werden, sagt Minninger.

Deutschland verteilt seine Anpassungsgelder nur ein klitzekleines bisschen besser als der Durchschnitt

Brot für die Welt zufolge konnten sich die Länder im Globalen Süden im Untersuchungszeitraum 2016-22 erstmals besser an die Klimakrise anpassen als zuvor. In Bangladesch, sagt Minninger, seien zum Beispiel dank neuer Deiche, Frühwarnsysteme und Zyklon-sicherer Schutzbunker deutlich weniger Menschen bei Tropenstürmen gestorben als zuvor.

Insgesamt sind laut Brot für die Welt die Anpassungsbedarfe der meisten Länder aber „stark unterfinanziert“. Nur einer von tausend Menschen in Entwicklungsländern erhalte seinen angemessenen Anteil internationaler Anpassungsgelder.

Ärmste Länder bekommen besonders wenig Geld

Die Lücke in der Anpassungsfinanzierung betrug laut dem Adaptation Gap-Report der UN 2024 bis zu 359 Milliarden US-Dollar. Diese Lücke wurde für die nötige Anpassung weltweit berechnet, ist aber je nach Land sehr unterschiedlich. Für ihren Anpassungsindex hat Brot für die Welt deshalb die Anpassungsgelder der Geberländer von 2016 bis 2022 abgeglichen mit dem Klimarisiko einzelner Staaten.

Am stärksten betroffen vom Klimawandel und am schlechtesten finanziert sind dem Index zufolge fragile, arme Staaten wie Südsudan, Niger und Afghanistan. Besonders in Afrika erhalten zahlreiche Staaten deutlich zu wenig Geld. Deutschland verteile seine Anpassungsgelder „nur ein klitzekleines bisschen besser“ als der Durchschnitt, sagt Minninger. Seitdem die USA kaum noch Entwicklungshilfe leisten, ist Deutschland der größte Anpassungsgeldgeber vor Japan und Frankreich.

Zu wenig Aufmerksamkeit erhält bei der Finanzierung laut Brot für die Welt die Geschlechtergerechtigkeit. Frauen leiden dem Weltklimarat zufolge oft stärker unter den Folgen der Erderhitzung, weil sie weniger Zugang zu Unterstützung bekommen. Außerdem wissen sie in ihrem Dorf oder ihrer Nachbarschaft oft besonders gut, wie Hilfe am besten verteilt werden kann. Nur 0,8 Prozent deutscher Anpassungsgelder zielen primär auf die Verbesserung von Geschlechtergerechtigkeit. Bei spanischen Geldern liegt der Anteil dagegen bei 32 Prozent.

Um ausreichend Geld für Anpassung zu sammeln, fordert Minninger, dass Verursacher stärker an Klimaschutz und -anpassung beteiligt werden, zum Beispiel durch eine Abgabe auf Privatjets. „Es gibt keinen Grund, Milliardäre davon zu verschonen, zur Klimagerechtigkeit beizutragen.“

Viele Pläne gibt es schon

Auf der UN-Klimakonferenz, die dieses Jahr im November in Brasilien stattfindet, wird Klimaanpassung ebenfalls Thema sein. Auch dort ist Streit ums Geld vorprogrammiert: Die ärmsten Länder wollen eine Verdreifachung der Finanzierung bis 2030.

Bei der UN haben inzwischen 67 Länder ihre Anpassungspläne eingereicht. Darin legen sie dar, wie sie immer häufigere und heftigere Wetterextreme wie Stürme, Dürren und Hitzewellen bewältigen wollen. Außerdem beschreiben sie, wie zum Beispiel Bäue­r*in­nen mit immer knapper werdendem Wasser und Küstendörfer mit steigenden Meeresspiegeln umgehen können.

„In der ganzen Welt legen Regierungen das Fundament für widerstandsfähige Volkswirtschaften und Gesellschaften“, sagte UN-Klimachef Simon Stiell bei der Vorstellung des Berichts. Aber viele Länder hätten weiterhin keinen Zugang zur nötigen Finanzierung. „Zu oft sind sie mit komplizierten Genehmigungsverfahren konfrontiert, mit lückenhafter Unterstützung und zu abhängig von externer Expertise.“

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