Mit Männern wandern gehen: Bromance am Gipfelkreuz
Auch wenn unsere Kolumnistin den Ausblick von einer Bergspitze genießen kann – eines hat sie gelernt: Nie mehr mit Männern wandern.
E ines muss ich zugeben: Wenn ich einmal oben angekommen bin, liebe auch ich es. Den Ausblick, das gute Essen und wie sich das Gefühl in mir ausbreitet, etwas bezwungen zu haben. Abgesehen davon habe ich schon viele Stunden damit verbracht, schimpfend hinter einem Mann her zu klettern, und mir dabei in den leuchtendsten Farben ausgemalt, wie ich mich nach der Tortur von ihm trenne.
Ich rede hier vom Bergsteigen, gegen das ich im Prinzip ja überhaupt nichts habe. Im Gegenteil. Als ich mal eine Woche allein in Edinburgh war, stiefelte ich den stadteigenen Berg höchst freiwillig hinauf und fand es super. Nun gut, der Arthur’s Seat ist jetzt nicht wirklich hoch, und es gab auch keine einzige Stelle, an der es hätte brenzlig werden können, aber trotzdem ging es stetig aufwärts, und so war ich danach angenehm müde und verschwitzt. Doch daneben gibt es eben auch dieses Phänomen, das ich gern das „Caspar David Friedrich-Syndrom“ nenne und das vor allem Männer im mittleren Alter zu ergreifen scheint.
Keine Frage: Einen Ausflug in die Berge mögen Frauen und Männer gleichermaßen. So habe ich eine Freundin, die fast jede freie Minute an einer Felswand verbringt. Trotzdem sind es meiner Beobachtung nach eher die Männer, die eine fast schon neurotische Beziehung zu Steilhängen entwickeln. Man sieht sie mit eingeschnürtem Unterleib am Kletterseil baumeln oder wie Gottes Sohn höchstpersönlich am Gipfelkreuz kleben – die vielen Dating-App-Fotos sprechen Bände.
Ein metaphorischer Phallusvergleich
Und könnt ihr euch an Brad Pitt als extrem blondierten Bergsteiger erinnern, der seine schwangere Frau sitzen lässt, um irgendeinen fernen Hubbel zu besteigen? Solche Filme lieben die Typen ja. Die haben dann so kernige Titel wie „Cliffhanger – Nur die Starken überleben“ und stecken voll von Gebirgskitsch und Bromance, die anscheinend nur dann so richtig auflodert, wenn ein paar abgefrorene Zehen im Spiel sind.
Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber ich glaube, diese Gipfelsucht ist nicht mehr als ein metaphorischer Phallusvergleich. Meiner ist 8.126 Meter hoch. Meiner 8.163 Meter. Wow! Krass! Und sonst so?! Okay, ich verstehe ja, dass es immer irgendwie schön ist, den Helden zu spielen, aber die Frage ist ja, auf wessen Kosten.
Ich zum Beispiel hätte hellhörig werden müssen, als mich ein Mann einmal unbedingt mit auf den Traunstein nehmen wollte, einen relativ hohen Berg in Österreich, den kein bergerfahrenes Familienmitglied mit ihm besteigen wollte, aber für mich, die verliebte Flachländerin mit Hang zur Selbstüberschätzung, alles easy peasy, so dachte ich zumindest, und kraxelte gutgläubig hinter ihm her.
Doch beim Abstieg wurde es, nun ja, ungemütlich. Denn während wir beim Aufstieg die Schattenseite erwischt hatten, ging es in der prallen Sonne hinunter. Der Pfad war steil, das Geröll lose, rechts der Abgrund und alle paar Meter eine Gedenktafel, die an einen Todessturz erinnerte. Ich bekam erst einen Sonnenstich, dann einen soliden Schreianfall, während gut gelaunte Rentner*innen an uns vorbei Richtung Tal galoppierten.
Und was soll ich sagen: Letztes Wochenende ist es schon wieder passiert. Da versprach mir ein Mann ein paar schöne Stunden im Weinanbaugebiet, und ehe ich mich versah, hing ich zwischen schroffen Klippen. Ich schwöre, Männer und Berge genieße ich von nun an nur noch separat.
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