Mit „Godzilla x Kong“ die Welt retten: Natur, Patriarchat und Kernenergie
Der Blockbuster „Godzilla x Kong: The New Empire“ geht die derzeit größten gesellschaftlichen Spaltungspunkte an. Und will uns am Ende alle vereinen.
G yaōn!!!“ ist die onomatopoetisch-japanische Umschreibung von „Roarrrr!!“, und bezeichnet das Geräusch, das Godzilla macht. Bei Bedarf lässt es sich auf ein stolzes „Gyaōōōōōn!!!!!“ ausweiten, denn das Biest hat gerade gut brüllen: Der neue „Godzilla x Kong“-Film spielte allein in den ersten Tagen (am Karsamstag startete er in den USA, am Donnerstag in Deutschland) über 202 Millionen Dollar ein.
Was dran ist am Reptil, liegt jedoch nicht auf erzählerischer Ebene. Das Abenteuer aus dem Monsterverse kommt in seiner neuesten Ausführung als seelenlose CGI-Schlacht daher, das Schönste und Schrecklichste daran sind die dystopischen Bilder von Monstern, die die Pyramiden von Gizeh oder die Strandkulisse Rios zerdeppern.
Die kleinen Menschlein im Film haben schon seit einigen Sequels nichts mehr zu melden, ihre Rolle wurde auf Erklärversuche der langweiligen Storyline reduziert. Die geht so: King Kong und Godzilla fühlen, dass was passiert; dann passiert auch was, denn ein Megaaffe namens Scar King greift an und will die Welt vernichten; Godzilla und King Kong holen die Megamotte Mothra zu Hilfe, um Scar King und seinem buckligen Gesellen (ein Wesen namens Shimo, das alles schockfrosten will) die Stirn zu bieten.
Riesendino ohne emotionale Bindungen zu Säugetieren
Dennoch ist das Werk mehr als ein auf 200 dB aufgeblasener Aggro-Tierfilm. Denn Godzilla repräsentiert von jeher Atomkraft und die darin steckenden tödlichen Gefahren. Das Radioaktivität speiende Monster ist vor exakt 70 Jahren als Reaktion auf die Atombombenangriffe auf Japan entstanden. Die Filmreihe arbeitete sich so am Trauma der Japaner:innen durch die grässlichen Explosionen in Nagasaki und Hiroshima ab.
Von der Arten-Systematik her ist Godzilla ein Riesendinosaurier, gehört also zu den Reptilien, und kann keine emotionalen Bindungen zu Säugetieren wie dem Menschen aufbauen – mit Echsen ist nicht gut schmusen. Der Primat King Kong dagegen steht für das Gegenteil von Godzilla: Natur, Nachhaltigkeit, Empathie und Bindung, vielleicht sogar für den neuen Mann.
King Kong war schon immer in seinen Grundzügen freundlich, die weiße Frau wollte er einst nicht genuin umbringen, sondern hatte sich schlichtweg in sie verknallt. Und die Szene aus dem tollen King Kong-Remake von Peter Jackson, in der der Affe seinem Love Interest das Reich auf Skull Island zeigt, diesen vor Biodiversität strotzenden, naturbelassenen Dschungel, und dazu das Wort „schön“ gebärdet, treibt einem noch immer Tränen in die Augen. King Kong ist somit ein Öko und Naturschützer und wird nur sauer, wenn man ihn aus dem Dschungel herausholt.
Demonstrative Freundschaft zu Frauen
Im neuen Film verbünden sich zudem nicht nur die Gegenpole King Kong und Godzilla, Natur und Kernenergie, sondern man bittet auch Mothra dazu, ein Rieseninsekt, das Weiblichkeit repräsentiert. (Die Motte wird in den japanischen Originalfilmen oft von zwei weiblichen Feen-Zwillingen begleitet, die singend mit ihr kommunizieren.) Der Gegenspieler von Godzilla, King Kong und Mothra, jener Scar King, steht dagegen für die alte, aggressive Männlichkeit, der King Kong mit seiner demonstrativen Freundschaft zu Frauen längst abgeschworen hat.
Somit versucht der neue Godzilla-Film, die momentan größten gesellschaftlichen Spaltungspunkte – Naturschutz, Energieproblematik, das herrschende Patriarchat – zu vereinen. Und damit auch uns zu vereinen.
Als konsequente:r Umweltschützer:in müsste man zwar „Atomkraft, nein danke“ rufen – mit Godzilla haben wir keine Zukunft, erst wenn er begönne, Windenergie auszupusten. Man kann „Godzilla x Kong“ aber als Gesprächsangebot für ein friedliches Miteinander zwischen Männern und Frauen, Klimaschützer:innen und der Atomkraftindustrie lesen: Am Ende verdreschen King Kong, Mothra und Godzilla schließlich gemeinsam den alten Macho Scar King. Vielleicht rettet das ja doch ein bisschen die Welt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen