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Misslungene Aktion gegen AntisemitismusMit Hass gegen Hass

Die Kampagne „Solidarisch gegen Hass“ will den „Antisemiten des Jahres“ küren. Ein Werbebild stößt auf scharfe Kritik, auch aus dem Senat.

Kann auch nichts dafür Foto: imago/watchtheworld

Berlin taz | Was machen die Logos der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, der Israel-Boykott-Kampagne BDS und ein Judenstern auf dem Hintern eines Esels, der Richtung Wüste trabt? Sie bewerben eine Veranstaltung der Kampagne „Solidarisch gegen Hass“ am kommenden Sonntag auf dem Bebelplatz. Gekürt werden soll dort „der Antisemit des Jahres“, der, so heißt es ebenso auf dem Ankündigungsbild, „mit seinesgleichen in die Wüste“ geschickt werden soll. Während der BDS dauerhaft des Antisemitismus bezichtigt wird, ist Amnesty seit einem Anfang des Jahres veröffentlichten Bericht unter Beschuss, in dem ­Israel eine „Apartheidspolitik“ gegen Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen vorgeworfen wird.

Die als Kundgebung angemeldete Veranstaltung verspricht eine „große Show“ – sorgt aber bereits jetzt für große Kritik. Auf Twitter werfen Use­r:in­nen den Ver­an­stal­te­r:in­nen vor, selbst Hass zu schüren.

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Wieland Hoban, Vorsitzender des Vereins Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, kritisiert in einem Brief den Antisemitismusbegriff der Veranstalter:innen. Dieser diene dazu, „Kritik am Umgang des Staates Israel mit der palästinensischen Bevölkerung zu deligitimieren“ und dafür Amnesty „auf eine Ebene mit der Holocaustrelativierung der Querdenker“ zu stellen. „Dazu evozieren die Bilder von Esel und Wüste rassistische Stereotype, die arabischstämmige Menschen als rückständig und barbarisch darstellen“, so Hoban weiter.

Als Provokation empfinden Hoban und andere auch den Termin. Am 15. Mai begehen Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen den Nakba-Tag, mit dem an Flucht und Vertreibung von etwa 700.000 arabischen Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen im Zuge der Staatengründung Israels und des ersten arabisch-israelischen Krieges ab 1947 erinnert werden soll. In Berlin sind für diesen Tag zwei Demonstrationen in Mitte und Kreuzberg angemeldet.

Hochkarätige Jury

Die Kampagne „Solidarisch gegen Hass“ war 2019 nach einem antisemitischen Übergriff auf den Rabbiner Yehuda Teichtal ins Leben gerufen worden und soll als Plattform dienen, die eine „öffentlich sichtbare Solidarisierung mit Betroffenen vorurteilsmotivierter Straftaten ermöglicht“. Trägerinnen sind das Jüdische Bildungswerk für Demokratie gegen Antisemitismus Jehi ’Or, die Jüdische Gemeinde und das Jüdische Bildungszentrum Chabad Lubawitsch.

Entsprechend hochkarätig ist auch die Fachjury besetzt, die die Antisemitenwahl durchführen soll. Angekündigt sind der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde Berlin, Sigmount Königsberg, sowie deren ehemalige Vorsitzende Lala Süsskind, der Rapper Ben Salomo und Jana Erdmann von Chabad Lubawitsch. Eine Rede soll Rabbiner Teichtal halten. 50 Teil­neh­me­r:in­nen sind angekündigt.

Für Aufregung sorgt, dass die Kampagne von der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung aus Mitteln des „Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ unterstützt wird, wie auch ein Logo auf dem Veranstaltungsbild zeigt. Auf Anfrage der taz bestätigt die Justizverwaltung die Förderung, betont aber, keinen Einfluss auf die konkrete Arbeit zu nehmen.

Gespräch angekündigt

Gleichwohl hält sich das Haus von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) mit Kritik nicht zurück: „Nach unserer Einschätzung leisten das Poster und die Veranstaltung keinen guten Beitrag zu dem wichtigen Einsatz gegen Antisemitismus, den das Projekt ‚Solidarisch gegen Hass‘ leistet.“

Weiter heißt es, man stelle sich „entschieden gegen Kommunikationsstrategien und Kampagnen, die auf der Herabwürdigung von Personengruppen basieren“, dies leiste „keinen Beitrag zu der von gegenseitigem Respekt geprägten Gesellschaft, für die wir uns einsetzen“. Angekündigt wird, das Gespräch mit den Projektverantwortlichen zu suchen. Diese reagierten am Mittwoch nicht auf eine Anfrage der taz.

Reagiert hat unterdessen der Kurznachrichtendienst Twitter, der den Kanal von „Solidarisch gegen Hass“ aufgrund eines Verstoßes gegen die Nutzerricht­linien vorübergehend gesperrt hat. Am Mittwochnachmittag war der Kanal wieder erreichbar, allerdings ohne das entsprechende Posting.

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8 Kommentare

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  • schräges bild, scheint mir. wenn ich lev 16, 8-21 richtig in erinnerung habe, dann wird der bock für Asasel mit den eigenen sünden der gemeindes/des volkes beladen in die wüste geschickt, nicht beladen mit den sünden anderer. nun geh wissen...

  • 1. Der Bundestag hat vor einigen Jahren beschlossen, die BDS-Bewegung als "antisemitisch" zu bezeichnen. Dies wurde von vielen kritisiert, aber nicht als "Hass" eingestuft. Auch die Antisemitismusvorwürfe von Luisa Neubauer gegen Maaßen wurden in der taz nicht "Hass" genannt. Warum werden hier Antisemitismusvorwürfe als "Hass" bezeichnet?



    2. „Dazu evozieren die Bilder von Esel und Wüste rassistische Stereotype, die arabischstämmige Menschen als rückständig und barbarisch darstellen“, meint Wieland Hoban. Esel sind weltweit verbreitet und werden nicht mit arabischstämmigen Menschen assoziiert. Gleiches gilt für die Redewendung "in die Wüste schicken". Und vor allem: Die Kampagne richtet sich nicht gegen arabischstämmige Menschen, sondern gegen die BDS-Bewegung sowie gegen Amnesty International, also gegen 2 international tätige Bewegungen/Organisationen, die von der Kampagne zudem nicht wegen der Abstammung ihrer Mitglieder, sondern allein wegen ihrer politischen Positionen kritisiert werden.

    3. Die Kritik an dem Termin der Veranstaltung setzt als gegeben voraus, dass jüdische Organisationen in Deutschland gleichsam moralisch dazu verpflichtet seien, am "Tag der Nakba" keine politischen Veranstaltungen abzuhalten. Diese Annahme ist Unfug. Juden in Deutschland müssen an diesem von palästinensischen Organisationen begangenen Gedenktag ebenso wenig auf politische Veranstaltungen verzichten wie am Muttertag oder am Valentinstag.

    4. Die Bezeichnung von Organisationen, die Israel dämonisieren, als "antisemitisch" ist entgegen der Ansicht der Berliner Justizsenatorin ebenso wenig eine "Herabwürdigung von Personengruppen" wie z. B. die Bezeichnung von Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen als "antisemitisch" oder die Bezeichnung der AfD als "rechtsextremistisch". Es geht in allen diesen Fällen um eine scharfe politische Kritik an politischen Organisationen/Bewegungen, deren Mitglieder sich diesen Organisationen bzw. Bewegungen freiwillig angeschlossen haben.

  • "...wie Bahamas-level aesthetics & content, die eine Event am Tag der Nakba-Erinnerung bewerben"

    Sorry, aber ich verstehe kein Wort.

    • @Suryo:

      Der Verfasser der von Ihnen zitierten Aussage meint offenbar, dass die Ästhetik und die Inhalte, die durch die Kampagne vermittelt werden, sich auf dem Niveau der Zeitschrift "Bahamas" befänden. Eine (tatsächliche oder vermeintliche) Nähe zur "Bahamas" ist für manche Leute eben ein "Argument", das für sich allein bereits zur Disqualifizierung genügt.

      • @Budzylein:

        Ach so. Wer kennt diese Zeitung?

        Ich dachte, es ginge evtl. um die geringe Erhebung der Inselgruppe Bahamas über den Meeresspiegel.

        • @Suryo:

          Die "Bahamas" ist sicherlich weniger bekannt als z. B. die Zeitschrift "Geliebte Katze". Aber Hanno Hauenstein, von dem der zitierte Tweet stammt, wird sie sicherlich kennen, da die "Bahamas" ihn unlängst im nachstehend verlinkten Artikel als "Schaumschläger" bezeichnet hat: redaktion-bahamas....chaffen-zu-wollen/ (viertletzter Absatz)

  • Die Arabischen Bruderstaaten, sollten die Vertriebenen wie Menschen behandeln oder nicht schlimmer wie sie Deutschland behandelt. Das erinnert mich immer an die Vertriebenentreffen in der BRD, da wurde geschimpft, getrauert, geweint und getanzt.



    Die Einheimische Bevölkerung beschimpfte die Flüchtlinge als Revanchisten mit den Worten: Haut doch ab und geht dahin wo ihr hergekommen seid. Mit der Anerkennung der Oder- Neiße Linie war dann Schluss mit der Hoffnung auf Heimkehr. Die Palästinenser sollten endlich die Existenz Israels akzeptieren und von den Brudernationen Hilfe, Anerkennung und Staatsbürgerschaft einfordern. Solange die UN - Hilfsorganisation aber weiterzahlt an Kinder und Kindeskinder wird das nichts und das Gejammer wird von Generation zu Generation weitergegeben.