piwik no script img

Misogynie in der KulturbrancheBesser nicht Mutter werden

Sorgearbeit kommt immer wieder in den Spielplänen vor. Doch die Theaterbranche hat ein Problem mit Mutterschaft, findet unsere Autorin.

Pausiert gerade: „#Motherfuckinghood“ von Claude De Demo und Jorinde Dröse am Berliner Ensemble Foto: Matthias Horn

T heater und Care – das ist so eine Sache. Denn auf der Bühne ist das Thema Sorgearbeit immer wieder präsent. Es kommt zwar in verschiedenen Wellen, verschwindet aber zum Glück nie ganz. Dabei werden auch inhaltlich immer neue Schwerpunkte gesetzt.

Momentan sind einige Stücke zum Thema Mutterschaft auf den Spielplänen. Zum Beispiel an der Berliner Volksbühne mit „Mama Mega“ oder „#Motherfuckinghood“ am Berliner Ensemble. Letztes pausiert allerdings gerade. Jorinde Dröse und Claude de Demo haben ihre Stückentwicklung vom Spielplan genommen, bis die Vorwürfe zu Mobbing und Machtmissbrauch im Haus geklärt sind.

Anfang März ist im Spiegel ein Artikel erschienen, in dem Mitarbeiterinnen der Maskenabteilung des Hauses von Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz berichten. Besonders betroffen: Mütter. Zitiert wird eine ehemalige Mitarbeiterin der Maskenabteilung mit den Worten: „Wir wollen so feministisch und frauenrechtlerisch sein am Berliner Ensemble, treten aber die Rechte unserer Frauen mit Füßen.“

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Miteinander und Füreinanderdasein: Das sind Themen, die zwar sehr viele Menschen interessieren, betreffen und uns alle als Gesellschaft etwas angehen. Deshalb gehört das Thema Care auch weiterhin auf die Spielpläne.

Sorgearbeit in den Spielplänen

Irritierend ist nur, dass diejenigen, die für diese Spielpläne verantwortlich sind, die also das Thema Sorgearbeit als gesellschaftlich relevant und wertvoll für aktuelle Diskurse einschätzen, häufig nichts von dem in ihre Arbeitspraxis mitnehmen, was auf ihren Bühnen verhandelt wird.

Dass so viele Kolleginnen die Stadt- und Staatstheater meiden, weil sie nicht nur weiße Institutionen, sondern auch Männerbuden waren, um sich stattdessen in solidarischen kollektiven Strukturen in der Freien Szene zu organisieren, ist nicht verwunderlich. Es trägt aber auch massiv zum Gender-Pay-Gap im Theaterbereich bei. Denn in der Freien Szene wird wesentlich schlechter verdient. Die Zynikerin in mir würde sagen: Hier braucht man nicht so viel über die Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf zu sprechen, weil man sich Kinder sowieso nicht leisten kann.

In allen Kunstsparten gilt Mutterschaft als uncool. Muttersein und das wilde, freie Künst­le­r*in­nen­le­ben – das geht nicht zusammen. Hier geht es nicht um Elternschaft an sich, sondern um die misogyne Abwertung von allen, die als „Mutti“ wahrgenommen werden. Wahrscheinlich ist das einer der Gründe, warum ich von einigen Kolleginnen erst sehr spät erfahren habe, dass sie Kinder haben.

Und dann ist da der Druck. Die Beobachtung, unter der Kolleginnen ab dem Moment ihrer Schwangerschaft stehen: Schafft die das? Das Arbeitsverständnis vieler Theaterleute besagt im Grunde: Du sollst keine anderen Götter neben dem Theater haben. Kinder oder generell Verpflichtungen gegenüber Menschen, die nicht Teil des Theaterkosmos sind, stören dieses System.

Ich habe keine Kinder und ich wollte auch nie welche. Ob die Mütterfeindlichkeit im Kulturbetrieb bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt hat, kann ich heute nicht mehr sagen. Aber ich erinnere mich sehr gut an ein Gespräch nach der ersten Probe meiner ersten Regiearbeit. Die Intendantin ermahnte mich, nie wieder selbstgebackene Kekse zum Probenstart mitzubringen. Man könne mich schließlich nicht ernst nehmen, wenn ich „als Mutti auftreten“ würde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!