Miniserie „Ehrenpflegas“: Oh, ihr lieben Pflegekräfte
Die Miniserie „Ehrenpflegas“ biedert sich peinlich an Jugendliche an. Aber die Alternativen der Kritiker'innen sind auch nicht besser.
Es treten auf: Boris, ein fauler, nicht sehr kluger Pflegeschüler mit einem Herzen aus Gold. Die hübsche Prinzessin Miray, die am Ende ihre zarte Sympathie für den trotteligen Boris erkennt. Und Harry Potter, eine junge Frau, die so heißt, weil sie gern liest und eine Streberin ist. Sie alle absolvieren die neue generalisierte Pflegeausbildung und werden so zu besseren Menschen. Zwischendrin noch ein, zwei Demenzwitze, weil: die werden nicht alt. Haha.
Die Miniserie „Ehrenpflegas“ ist Teil einer Kampagne des Familienministeriums und richtet sich an Jugendliche. Dafür hat man einen Plot schustern lassen, der die neue Pflegeausbildung in eine sich von Punchline zu Punchline hangelnden Coming-of-Age-Geschichte unterrührt.
Beim echten Pflegepersonal kommt das nicht gut an: Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe sieht „Selbstverständnis, Ethos und Pflegefachlichkeit der Berufsgruppe“ verletzt. Die Petition einer Pflegefachkraft, die „beleidigende Ehrenpflegas-Kampagne“ sofort zu stoppen, hat knapp 8.000 Unterschriften.
Die Kritiker’innen haben recht: Es ist natürlich eine Peinlichkeit, dass ein Ministerium versucht, mit einer anbiedernd coolen Kampagne Jugendliche anzusprechen, die es offenbar für unreif hält. Und natürlich stößt die lächerliche Darstellung all jene vor den Kopf, die in dem Bereich arbeiten.
Die Alternativen sind auch peinlich
Die Alternativen der Kritiker’innen haben andererseits ihr ganz eigenes Peinlichkeitsniveau. In der Petition wird moniert, nicht dargestellt würden „Schlüsselpraktiken von Pflegenden wie Therapieassistenz, eigenverantwortliches Nebenwirkungsmanagement, Wundversorgung, Trauerbegleitung, Kriseninterventionsgesprächen, Angehörigenberatung und -anleitung.“ Na, noch wach?
Die Kampagne ist schlecht, ja, aber gibt es überhaupt die Möglichkeit einer guten Kampagne? Vielleicht wären die 700.000 Euro, die „Ehrenpflegas“ gekostet hat, besser in eine SitCom investiert gewesen. Die BBC hat mit „Getting On“ gezeigt, wie man liebevoll und lustig vom Krankenhausalltag erzählen kann. Aber das Grundproblem bleibt doch, dass der Beruf der Pflegenden trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht sonderlich angesehen ist. Pflegende machen halt das, wovon man als Normalsterbliche’r nix wissen will. Und keine Kampagne kann reinholen, was die Gesellschaft nicht aufbringt: ein ehrliches Interesse an der Situation in der Pflege.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!