Militärschlag gegen Syrien: Vorerst Ruhe nach dem Twitter-Sturm
Führt ein westlicher Angriff auf das syrische Regime zu einer internationalen Konfrontation? Diplomatie soll das verhindern.
„Alle Optionen sind auf dem Tisch“, hatte zuvor die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, gesagt. Ihr Chef Donald Trump stiftete in bewährter Manier am frühen Morgen (Ortszeit) Verwirrung auf Twitter, indem er mitteilte, eine Militäraktion könne „sehr bald oder gar nicht bald“ stattfinden und er habe nie einen präzisen Zeitpunkt genannt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte in einem TV-Interview am Donnerstagmittag, dass Entscheidungen „zum gegebenen Zeitpunkt, wenn wir es für am nützlichsten und effizientesten halten“ getroffen werden würden. Er hängte sich auch am weitesten aus dem Fenster, was den von medizinischen Helfern bestätigten Giftgasangriff auf Zivilisten in der Stadt Douma bei Damaskus am vergangenen Samstagabend angeht: „Chemische Waffen wurden eingesetzt, zumindest Chlor, und sie wurden vom Assad-Regime eingesetzt“, so Macron; dafür habe er „Beweise“.
Sollte es zu einem Militärschlag gegen Assad kommen, wird er ohne Deutschland stattfinden. „Deutschland wird sich an eventuellen – es gibt ja keine Entscheidung, ich will das noch mal deutlich machen – militärischen Aktionen nicht beteiligen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in Berlin. „Aber wir sehen und unterstützen, dass alles getan wird, um Zeichen zu setzen, damit dieser Einsatz von Chemiewaffen nicht akzeptabel ist.“
Deutschland scheint einen Militärschlag aber zumindest politisch mitzutragen. „Es ist ganz wichtig, dass wir uns abstimmen und in diesen Fragen zusammenbleiben“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas bei einem Treffen mit seinem britischen Amtskollegen Boris Johnson auf einer Militärbasis bei Oxford. Zuvor hatte Maas in Irland gesagt: „Wenn man den Druck auf Russland aufrechterhalten will, dann können die westlichen Partner jetzt nicht auseinanderlaufen.“
Die Zeichen stehen auf Deeskalation
Nach der Aufregung, die die vermeintliche Ankündigung eines Raketenangriffs auf Syrien durch Trump am Mittwoch verursacht hatte – in einem Tweet, der vor allem eine Antwort auf die russische Drohung darstellte, US-Raketen abzuschießen –, standen die Zeichen am Donnerstag insgesamt eher auf einen langen Atem und den Versuch, jede geopolitische Eskalation im Vorfeld zu vermeiden.
Wichtigstes Anzeichen dafür sind Kontakte zwischen den Generalstäben in den USA und Russland, über die unter anderem die russische Zeitung Kommersant berichtete. Ein Punkt dabei soll sein, dass Russland von den USA erwartet, vor einem Angriff die Koordinaten der Angriffsziele zur Verfügung zu stellen, damit keine Russen zu Schaden kommen. Die USA wiederum erwarten, dass Russland im Gegenzug auf einen eigenen Gegenschlag verzichtet.
Heiko Maas, Bundesaußenminister
„Wir suchen keine Eskalation“, sagte eine Sprecherin von Russlands Außenminister Sergei Lawrow am Donnerstagnachmittag vor Journalisten in Moskau. In den Tagen zuvor hatten russische Politiker mehrfach gedroht, auch die Abschussorte von US-Raketen, die auf Syrien abgefeuert werden, anzugreifen – also US-Kriegsschiffe im Mittelmeer.
Verschiedene Berichte sprechen auch von Vermittlung der Türkei und Israels. Der türkische Präsident Erdoğan und der israelische Regierungschef Netanjahu haben sowohl zu Washington als auch zu Moskau gute Beziehungen und haben eigene wichtige Interessen im Syrienkonflikt. Sie haben sowohl mit Putin als auch mit Trump telefoniert, wird von offiziellen Stellen bestätigt. Auch der „heiße Draht“ zwischen den Generälen der USA und Russlands in der Region, der in vergangenen Jahren beispielsweise Konfrontationen zwischen den jeweiligen Luftwaffen im syrischen Luftraum vermieden hat, ist wieder aktiv.
In Erwartung der Option, dass Russlands Militär bei einem westlichen Angriff auf Syrien verschont bleibt, hat Berichten zufolge Syriens Regierung ihre gesamte Luftwaffe mittlerweile auf russische Basen verbracht. Syriens Regierung verzeichnet auch einen weiteren Etappensieg: Die Rebellengruppe Dschaisch al-Islam (Armee des Islam) übergab die Stadt Douma, die letzte noch von Rebellen gehaltene Stadt in der Region Ost-Ghouta östlich der syrischen Hauptstadt Damaskus, am Mittwoch offenbar kampflos an die russische Militärpolizei. Die Rebellenführer ließen sich in das von türkischen Truppen gesicherte syrische Rebellengebiet im Norden Syriens evakuieren. (mit dpa, afp)
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