piwik no script img

Militär will Präsident werdenHerr Sisi macht den Kandidaten

Abdel Fattah al-Sisi tritt als Militär zurück, um Präsident Ägyptens zu werden. An seiner Wahl gibt es keinen Zweifel, an seiner Eignung aber schon.

Kandidierender Militär: Abdel Fattah Al-Sisi in seiner bisherigen Berufskleidung. Bild: reuters

KAIRO taz | Es war Abdel Fattah al-Sisis letzter Auftritt in Uniform und sein erster als ägyptischer Präsidentschaftskandidat. In einer Ansprache an die Nation gab er am Mittwochabend im Staatsfernsehen seinen Rücktritt als ägyptischer Armeechef bekannt und erfüllte damit die Voraussetzung für seine Kandidatur für das höchste Amt im Staate, die er im gleichen Atemzug ankündigte.

Die Sisi-Saga rund um seine Bewerbung ist nun also abgeschlossen. Die Art und Weise, wie sich al-Sisi staatsmännisch in einer Rede an sein Wahlvolk wenden durfte, war symptomatisch. Denn kritische Stimmen könnten hier durchaus die Frage stellen, in welcher Position der 59-Jährige hier eigentlich sprach. Der Armeechef außer Dienst bewirbt sich nur als parteiloser Privatmann für das Präsidentenamt. Medial hat al-Sisi bereits hier den kleinen Zwischenschritt der Präsidentschaftswahlen übersprungen. Er wandte sich als Führer an die Nation.

Al-Sisi ist der Kandidat des Staates und dessen Machtzentren, der Armee, des Innenministeriums, der Geheimdienste, der Justiz und der im Machtgefüge weniger wichtigen staatlichen Institutionen. Die ägyptischen Medien überschlagen sich in Loyalitätsbekundungen. „Al-Sisis Name erschien als Licht in der Dunkelheit, in einem entscheidenden historischen Moment und ist ein Rendezvous mit dem Schicksal“, heißt es etwa in der staatlichen Tageszeitung Al-Ahram.

Ein Pathos, der sich in den anderen Medien täglich zigmal wiederholt. Weswegen es hinfällig ist, zu fragen, wer die Wahlen gewinnen wird. Kairo war schon längst vor seiner Kandidatur gepflastert mit überlebensgroßen Al-Sisi-Plakaten, mit und ohne brüllendem Löwen, auf denen es heißt, dass das Volk ihm huldigt.

Politisch polarisiertes Land

Sieht man von den Anhängern der Muslimbrüder, den Putschgegnern und einer von Politik frustrierten säkularen Jugend ab, steht al-Sisi für das Gros der Ägypter als Synonym für Stabilität.

Dass al-Sisi die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen kann, ist allerdings mehr als fraglich. Dazu müsste er drei Bedingungen erfüllen. Erstens müsste er das politisch polarisierte Land aussöhnen. Selbst wenn al-Sisi von einer Aussöhnung überzeugt wäre, und das ist zweifelhaft, würde sich dem sicherlich ein guter Teil des Sicherheitsapparats entgegenstellen.

Zweitens müsste er das Land wieder aus seiner politischen Isolation bringen. Mit Nachrichten über 529 Todesurteile in einem Schnellverfahren dürfte das kaum gelingen. Das bringt weder Touristen noch ausländische Investitionen zurück.

Die braucht er dringend für die dritte Bedingung: das Ankurbeln der Wirtschaft. Dabei kann al-Sisi im Moment nur auf eines zählen: die Milliarden, die aus den Golfstaaten fließen. Die Finanzlöcher mithilfe Saudi-Arabiens zu stopfen ist allerdings kein Dauerzustand. Am Golf wird man nicht ewig 90 Millionen Ägypter durchfüttern wollen. Dort ist man auch nicht wirklich an einem starken ägyptischen Regionalkonkurrenten interessiert. Ägypten wird vom Golf immer gerade so viel Geld bekommen, um damit weder leben noch sterben zu können.

Wahrscheinlicher ist, dass sich zu den fast täglichen Anschlägen auf Polizei und Militär und den blutigen Pro-Mursi- und Anti-Putsch-Demonstrationen auch noch eine wachsende Streikbewegung gesellen wird, die zur größten Herausforderung für Sisi wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Außer mit den Terror-Anschlägen und einer evtl. zunehmenden Streikbewegung wird der neue Gottkönig auch mit der Erinnerung der Ägypter zu tun haben: mit der Erinnerung, was man mit amtierenden Präsidenten alles so machen kann...

  • Wenn ich an Ägypten denke, denke ich fortan auch an 529 Todesurteile, die, so hoffe ich, den Ägyptern auch unfassbar erscheinen mögen.

    Alles was jetzt dort passiert, ist davon überschattet, und wenn der, der sich dort Präsident nennen will, das nicht rückgängig macht, kann er kein Hoffnungsträger sein.

    Diese Todesurteile als erste Amtshandlung zu widerrufen oder Begnadigung walten zu lassen, ist das erste, an was sich ein ägypt. Präsident messen lassen sollte.

    Dass die Todesurteile von Anfang an im Kalkül der Begnadigung gefällt wurden, um ein Sympathieeffekt bei deren Aufhebung zu erzeugen, wäre ungeachtet aller Perfidität zumindest denkbar. Egal, hauptsache dieser Schandfleck verschwindet aus dem Antlitz Ägyptens.

  • Toll Revolution,Frühling usw. für was?

    -> Husni Mubarak 2 würde ich mal sagen. Nur ein Regimechange indem Marionette A gegen B getauscht wurde