Migrationsbeauftragte tritt zurück: Vielfalt soll nicht anstrengend sein
Osnabrück hat mit Anna-Magdalena Papadopoulos die Vorsitzende seines Migrationsbeirats verloren. Sie wirft der Stadt Missachtung und Rassismus vor.
Aber so ist es nicht. Ende Juni ist Anna-Magdalena Papadopoulos, seit Herbst 2022 ehrenamtliche Vorsitzende des Beirats, zurückgetreten. Aus Protest.
Der Beirat werde von der Stadtverwaltung „nicht wirklich gehört, ernstgenommen und wertgeschätzt“, sagt Papadopoulos der taz. Das Problem sei strukturell – und nicht neu.
Besonders massiv kritisiert die ehemalige Vorsitzende die städtische Ausländerbehörde. „Wie Freunde, denen man helfen will, werden die Menschen dort oft nicht behandelt. Es gibt endlose Wartezeiten, man bekommt keine Antworten, Arbeitserlaubnisse gehen verloren, weil die Behörde es nicht schafft, sie zu verlängern.“ Unterbesetzung sei nicht der einzige Grund. „Das fühlt sich wie institutioneller Rassismus an“, sagt Papadopoulos.
Vorsitzende des Migrationsbeirats tritt zurück
Den Ausschlag für ihren Rücktritt gab ein Eklat um eine Pressemitteilung des Beirats aus dem Frühjahr 2024. Sie durfte, sagt Papadopoulos, noch heute spürbar fassungslos und zornig, „nicht über das Presseamt der Stadt veröffentlicht werden, wie sonst alles von uns, sondern nur über unsere eigenen Kanäle, was natürlich die Öffentlichkeitswirksamkeit senkt“.
Die Mitteilung war laut Titel eine „Kampfansage“ gegen „rechtsradikale Theorien zur ‚Remigration‘“ anlässlich des „Correctiv“-Berichts über ein Treffen Rechtsextremer Ende 2023, die über Deportationspläne debattiert hatten. „Diese Pläne bedrohen unsere Existenz“, steht in der Mitteilung. „Sie bedrohen unsere Demokratie und unsere Gesellschaft.“ Der Migrationsbeirat der Stadt Osnabrück stehe „solidarisch gegen Rechtsextremismus, Diskriminierung und Hass“.
„Im Entwurf stand erst auch etwas über die CDU“, sagt Papadopoulos, „und über ihr Verständnis von Asyl“.
Was dann geschah, habe sie schockiert. „Es hieß, das dürfe nicht über das Presseamt der Stadt veröffentlicht werden.“ Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU) habe auf ein Gespräch gedrungen. Das habe Anfang Mai als Online-Meeting stattgefunden, im Beisein von Vertreterinnen des Presseamts.
„Der Termin wurde mir gewissermaßen diktiert, und ich musste ihn im Auto annehmen“, sagt Papadopoulos. „Ich habe gefragt, was denn das Problem sei, aber es gab keine Antwort. Es ging nur um das Formale. Es gebe ein ‚Neutralitätsgebot‘. Das Gespräch war unschön, hart, absolut nicht auf Augenhöhe. Als Migrationsbeirat sind wir ja Teil der Stadt, aber das hat man dabei nicht gemerkt. Schlimm war das.“
Mehr noch: Als der Migrationsbeirat die Correctiv-Recherchen in einer seiner Sitzungen zur Sprache bringt, Papadopoulos eine Stellungnahme vorträgt, auch vor Vertretern der Stadtpolitik, wird es hitzig. AfD-Stadtratsmitglied Alexander Garder sei laut geworden, ausfallend, sagt Papadopoulos. „Das war eine verbale Attacke.“
„Das Ganze war sehr schwierig für mich“, sagt Papadopoulos der taz. „Ich bin ein Mensch, der gern etwas bewirkt. Das ging hier nicht.“ Warum alles so eskaliert ist, versteht sie nicht. „Ist das, weil wir versuchen, Bedeutung für uns herzustellen? Weil wir politischer werden?“ Osnabrück gebe sich stets weltoffen. Dass das zuweilen nicht so sei, wolle sie nicht verbergen.
Arbeit des Migrationsbeirates behindert?
Die Ratsgruppe Grüne/SPD/Volt, die Mehrheit der Sitze im Stadtparlament hält, bedauert den Rücktritt. Sie findet zu dem Vorfall klare Worte: „Ich stelle mir die Frage, ob die Verwaltung Ratsbeschlüsse ernst nimmt, in denen Remigrations-Forderungen und Ausländerfeindlichkeit von allen demokratischen Ratsmitgliedern verurteilt werden, im Gegenzug aber offenbar die Arbeit des Migrationsbeirates behindert wird“, kritisiert SPD-Ratsmitglied Elena Moormann.
Papadopoulos lege, so Moormann, „den Finger in die Wunde“. Die Kommunalpolitik müsse sich gemeinsam mit der Verwaltung kritisch hinterfragen. „Wenn wir einen Migrationsbeirat haben wollen, was wir ausdrücklich tun, dann müssen wir ihn stärken und ihm Raum geben. Dafür braucht es auch eine entsprechende Offenheit und Unterstützung von Seiten der Verwaltungsspitze“, sagt Moormann. Bei der „Weiterentwicklung der Ausländerbehörde“ müsse der Beirat stärker Berücksichtigung finden.
Die Stadt Osnabrück tut derweil so, als gäbe es gar kein Problem: „Aus Sicht der Stadtverwaltung“, schreibt ihr Sprecher Arne Köhler der taz, „gab es keine Konflikte mit Frau Papadopoulos“. Die Zusammenarbeit mit dem Migrationsbeirat werde von den Mitarbeitenden der Verwaltung „stets als angenehm und konstruktiv empfunden“.
Anna-Magdalena Papadopoulos ist mittlerweile aus Osnabrück weggezogen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft