Migrantisches Leben in Dresden: Der Dönerinnovateur
Baris Kul verkauft seit 25 Jahren Döner in Sachsen. Anfeindungen sind für ihn Alltag. Er kontert mit Optimismus und neuen Dönerkreationen.
Mittagszeit in Dresden. Barış Kul steht hinter der Theke seines Schnellrestaurants, im Hintergrund drehen sich zwei Dönerspieße, klassisch und Chicken. Trotz des üppigen Fleischangebots isst der Wirt heute einen Fetasalat im Garten. Kul, Brillenträger mit Vollbart und noch keine 50 Jahre alt, gehört wohl zu den ersten Dönerpionieren der ehemaligen neuen Bundesländer. Aus Duisburg kommend machte er bereits in den 1990er Jahren in den Osten rüber.
„Als ich 1995 nach Sachsen zog, eröffnete ich in Zittau einen der ersten Dönerläden. Abends kamen die Leute zu mir in den Laden. Da war sonst nichts los. Nix! Keine Bar, keine Disco, einfach nichts.“ Er erzählt von Nazis mit Glatze und Springerstiefeln, die hereinkamen, Döner aßen und ihm, noch mit Soße im Gesicht, zuriefen: „Ihr Ausländer nehmt uns die Arbeitsplätze weg.“ Von der anderen Seite der Theke habe er dann: „Hör auf mit der Scheiße. Döner ist nicht deine Arbeit, wir haben unsere Arbeit mitgebracht“ entgegnet, „ganz ruhig“, wie er sagt. Die Nazis kamen weiter für den Döner.
Zwischenzeitlich hatte der Imbissbetreiber mehrere Läden, verteilt in ganz Sachsen. Momentan führe er nur noch das Schnellrestaurant für mehrere Dutzend Gäste im Dresdner Stadtteil Plauen. Die Nazis von damals erkenne man heute nicht mehr so einfach an ihrem äußeren Erscheinungsbild. „Die haben komplett die Klasse gewechselt“, sagt er und meint damit auch, dass Freund*innen aus Dresden, die er seit einem Vierteljahrhundert kennt, seit zwei, drei Jahren zu den „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber …“-Sager*innen gehören.
„Da sage ich Ihnen ins Gesicht, dass sie sich auf die Seite der Nazis geschlagen haben“, redet sich Kul leicht in Rage, während er bis dahin besonnen Salatstückchen auf seine Gabel auftürmte. Das sei auch ein Problem des Ostens: Bisher hätten die meisten gedacht, dass nur den „Ausländern“ das Leben schwer gemacht werde. Rassismus, vor allem Alltagsrassismus, erlebten hier viele. Aber er möchte trotzdem nichts auf sein Dresden kommen lassen. „Es gibt hier eine Menge toller Menschen, aber wir sind zu wenige, die sich gegen das rechte Gedankengut stellen“, sagt er und zupft ein paar braune Blätter an der Hecke im Garten ab.
„Döner mit Niveau“
2008 übernahm Kul den klassischen Dönerimbiss im südlichen Dresden und baute ihn peu à peu aus. Der Laden hat nun mehrere Sitzecken mit Lederbezug, türkischer Wein wartet in Regalen auf Kenner*innen, und im Hinterhof des Hauses können seine Gäste den Döner Hawaii – Döner mit Knoblauchsoße und Dosenananasstücken – unter vier Palmen („winterhart, bis 10 Grad!“) Palmen genießen.
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„An den Wochenenden kommen zu 80 Prozent Familien, da haben die Großeltern noch nie einen Döner gegessen. Aber die Enkel laden 60- und 70-Jährige hierher ein und es gibt zum ersten Mal Döner.“ Viele kommen als Stammgäste, und für die lässt sich Kul einiges einfallen. „Döner mit Niveau“ wolle er anbieten und erwartet von seinen zehn Mitarbeiter*innen, dass sie nicht nur „komplett mit alles?“ fragen. Er versteht sich als Dönerinnovateur, und das sollen auch seine Gäste zu spüren bekommen.
Gefragt nach dem Döner Hawaii auf der Speisekarte, winkt er müde ab. Ananasdöner sei ja nun wirklich oft in Dresden zu finden. Aber er erfinde wirklich Neuartiges. „Der Döner darf nicht stehenbleiben“, erklärt er und beschreibt seinen neuesten Coup: den Texas Döner, mit Barbecuesoße und karamelisierten Zwiebeln. Die Revolution des Döners, sie hat im Osten schon längst begonnen.
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