Mieterhöhungen der Degewo: Vordruck beim Bäcker an der Ecke

Degewo-Mieter*innen können eine geringere Mieterhöhung beantragen. Die Grünen fordern, die Erhöhung für Sozialwohnungen zurückzunehmen.

Menschen demonstrieren gegen steigende Mieten. Auf einem Schild steht "Keine Rendite mit der Miete".

Gentrifizierung ist berlinweit ein Problem: Demo gegen steigende Mieten in Kreuzberg im Februar 2017 Foto: dpa

Die Mieter*innen rund um den Kreuzberger Mariannenplatz sind sauer. Seit Wochen protestieren sie gegen eine saftige Mieterhöhung durch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo. Sie fordern die Rücknahme – bekommen haben sie eine Kappung, und die auch nur, falls sie einen Antrag stellen. Das reicht vielen nicht. Am Sonntagmittag haben sich trotz Hagel und Regen etwa 40 Menschen in einem Hinterhof am Mariannenplatz getroffen, um das weitere Vorgehen zu beraten. Unterstützung erhielten sie dabei von Politiker*innen der Grünen und der Linkspartei.

„Wir müssen jetzt sehen, wie wir mit diesen Anträgen umgehen“, sagt Rosa Risch. Sie gehört zu der Gruppe, die den Protest koordiniert. Im Januar hatte die Degewo Mieterhöhungen im sozialen Wohnungsbau in stadtweit 1.741 Fällen erklärt – und zwar von bis zu 15 Prozent. Die Gesellschaft erklärte, sie habe in den vergangenen Jahren auf die jährliche Erhöhung verzichtet und hole diese nun nach.

Eine Gruppe von Mieter*innen am Mariannenplatz formulierte daraufhin einen offenen Brief und sammelte mehr als 1.000 Unterschriften. Im April reagierte die Politik: Der Senat und die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften schlossen eine Kooperationsvereinbarung. Danach darf die Miete der 300.000 Wohnungen im Besitz der Gesellschaften nur um zwei Prozent im Jahr – bzw. acht Prozent in vier Jahren – oder maximal 30 Euro monatlich erhöht werden. Die Degewo teilte ihren Mieter*innen daraufhin mit, wenn dies auf sie zutreffe, könnten sie „die Einhaltung dieser Kriterien beantragen“.

„Politisches Kalkül“

„Das ist politisches Kalkül“, sagt Rosa Risch. „Die Degewo will uns auseinanderdividieren – statt dass wir uns organisieren, soll jeder für sich alleine vorgehen.“ Auch Canan Bayram, rechtspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, kritisiert das Schreiben der Degewo: „Der Brief ist kaum verständlich.“ Wie man ihn als Nicht-Juristin verstehen solle, könne sie sich nicht vorstellen. „Es geht nicht, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften das gleiche Verhalten an den Tag legen wie die Privaten, die oft auf Unwissenheit und Sprachbarrieren der Mieterinnen und Mieter setzen“, so Bayram. „Ich bin froh, dass ihr Druck auf uns ausübt“, verkündet Pascal Meiser, Bezirksvorsitzender der Linkspartei in Friedrichshain-Kreuzberg, den versammelten Mieter*innen.

„Die Degewo will, dass möglichst wenige Leute tatsächlich Anträge stellen“, sagt Kat­rin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Berliner Grünen-Fraktion, die ebenfalls zum Treffen gekommen ist. Sie kritisiert die Erhöhung grundsätzlich: „Diese Koalition ist angetreten, um Mieter*innen in Sozialwohnungen zu entlasten – da gelten dann nicht zwei Prozent, da gelten null Prozent.“

Die Grünen haben deswegen einen Parlamentsentwurf vorbereitet: Das Abgeordnetenhaus soll beschließen, alle Mieterhöhungen seitens der landeseigenen Gesellschaften in Sozialwohnungsbeständen ab dem 1. Januar 2017 zurückzunehmen – notfalls über eine sogenannte Gesellschafteranweisung. „Dass ausgerechnet für diese Bestände nicht nur Mieterhöhungen von Sozialmieterinnen und Sozialmietern erhoben werden, sondern auch noch nicht genutzte Mieterhöhungen aus früheren Jahren nachgeholt werden, ist absolut inakzeptabel“, heißt es in der Begründung des Entwurfs, der der taz vorliegt. Die Linkspartei habe zugestimmt, sagt Schmidberger – man warte nun auf die SPD. Sie hoffe, dass das Parlament im Mai über den Entwurf abstimmen könne.

Betroffene Mieterin

„Die Politik hat ihre eigenen Gesellschaften nicht im Griff“

Bis dahin müssen die Mieter*innen die vorhandenen Instrumente nutzen. Sechs Wochen beträgt die Antragsfrist. Die Anwohner*innen wollen gemeinsam einen Vordruck erarbeiten und ihn beim Bäcker an der Ecke auslegen. Für türkeistämmige Nachbar*innen soll es eine Ausfüllanleitung auf Türkisch geben. „Es ist eine Frechheit, dass wir Mieter*innen das selbst berechnen müssen“, sagt eine Anwohnerin. „Die Politik hat offenbar ihre eigenen Gesellschaften nicht im Griff.“

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