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Mieterhöhung am MariannenplatzBethanien wird Luxusimmobilie

Die vom neuen Verwalter geforderten hohen Mieten können sich weder die etablierten Nutzer wie die Kita, noch die Besetzer leisten. Eine schleichende Entmietung des Kreuzberger Kulturhauses droht.

Post vom Vermieter verheißt selten Gutes. Im Kreuzberger Bethanien aber dürften die neu angebotenen Verträge zum baldigen Auszug der Mieter führen. Denn die können sich die von der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) geforderten Quadratmeterpreise nicht leisten. Einrichtungen wie Kita, Musikschule und Künstlerhaus droht damit der Auszug aus der bezirkseigenen Immobilie - obwohl das Bezirksparlament erst 2006 dessen Umwidmung zu einem soziokulturellen Bürgerhaus beschlossen hatte.

Damit könnte bald Schluss sein, wenn die GSE, die im Auftrag des Bezirks handelt, bei ihren Mietforderungen bleibt. "Der Vertragsentwurf, den wir bekommen haben, sieht eine Mietsteigerung von 53,5 Prozent und eine Nebenkostensteigerung von über 30 Prozent vor", klagt Bernhard Kotowski, Geschäftsführer des Berufsverbands Bildender Künstler (BKK). Der BKK betreibt die Druckwerkstatt im Bethanien. Kotowski findet die Mieterhöhung von 76.299,36 Euro auf 115.602,36 Euro jährlich "sittenwidrig". Sein Verdacht: "Der Bezirk will uns aus dem Bethanien drängen."

Die Druckwerkstatt belegt 1.200 Quadratmeter im Bethanien, die Hälfte davon sind unattraktive Kellerräume. Statt diese überteuert zu mieten, würde die Druckwerkstatt lieber umziehen - mehr Geld für die Miete bekommt die gemeinnützige Einrichtung von der Kulturverwaltung dafür ohnehin nicht. In ähnlicher Lage dürften bezirkseigene Einrichtungen wie der Kunstraum und die Musikschule stecken, die mit schmalem Budget wirtschaften müssen.

Mit wirtschaftlichen Argumenten begründet die GSE die Mieten, die sie als Treuhänderin des Bezirks errechnet hat. Das defizitäre und stark sanierungsbedürftige ehemalige Krankenhaus soll sich finanziell selbst tragen. Das Bewirtschaftungskonzept der GSE sieht Mietzahlungen nach Quadratmetern vor, in denen auch die hohen Instandsetzungskosten enthalten sind. Auf die Parteien umgelegt bedeutet das laut GSE-Geschäftsführer Dieter Ruhnke 6,14 bis 6,20 Euro Brutto-Warmmiete pro Quadratmeter.

Ob diese Kalkulation stimmt, wird von den Mietern bezweifelt. "Bereits seit 2004 zahlen wir eine marktübliche Gewerbemiete", ärgert sich Druckwerkstatt-Chef Kotowski. "Aber jetzt sollen wir auch für die Fehler des Bezirks mitzahlen: jahrelanger Leerstand und Mietausfall durch Besetzer."

Auch die Fraktion, die seit 2005 den Südflügel des Bethanien umsonst nutzt, hat mit den Mietforderungen Probleme. "7,84 Euro brutto pro Quadratmeter sollen wir jetzt zahlen", sagt Michael Witzer von der Initiative Zukunft Bethanien. "Im Gespräch waren bisher etwas über 5 Euro." Miete wolle man zahlen, aber nicht in dieser Höhe. Posten wie Grunderwerbssteuer lehne man "aus politischen Gründen" ab. Die unter dem Namen "Projektzusammenhang New Yorck" arbeitenden Initiativen seien nicht in der Lage, die von der GSE geforderten Beträge aufzubringen. "Diese Mietpolitik führt zu einer Kommerzialisierung des Hauses", sagt Witzer. "Damit ignoriert der Bezirk das BürgerInnenbegehren, das eine öffentliche Nutzung vorsieht".

Das Künstlerhaus Bethanien, einer der ältesten Mieter im Haus, will nun in billigere Räume in der Kohlfurter Straße umziehen. Einen ebenso kulturaffinen wie solventen Nachmieter zu finden, dürfte dem Bezirk Probleme bereiten. Vom Bezirk und der GSE waren am Dienstag keine Stellungnahmen zu erhalten,

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