Mietenschutzschirm der Grünen: Enteignen heißt nicht verhandeln
Die Grünen wollen den Druck des Enteignungs-Volksentscheides für ein anderes Ziel nutzen. Damit missbrauchen sie das demokratische Instrument.
N achdem sie lange in Deckung waren mit ihrer Haltung zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, haben sich die Grünen nun endlich nach vorne gewagt. Spitzenkandidatin Bettina Jarasch will ihr Kreuzchen für die Vergesellschaftung der privaten Wohnungskonzerne setzen, hat sie gesagt, aber vergesellschaften möchte sie eigentlich nicht, dies sei lediglich die „Ultima Ratio“. Wer auf eine eindeutige Ansage zur Enteignung gespannt war, muss also feststellen: Das Rumgeeiere geht weiter.
Gesagt haben die Grünen stattdessen, was sie lieber wollen als Vergesellschaftung: einen „Mietenschutzschirm“ genannten Pakt mit der Wohnungswirtschaft. Diese soll sich etwa dazu verpflichten, die Mieten für fünf Jahre nicht zu erhöhen, auf Umwandlungen in Eigentum zu verzichten und Neuvermietung sozial auszurichten. Das Ziel ist, mindestens 50 Prozent der Mieter*innen Berlins dadurch zu schützen. Sicher, darüber kann man reden.
Der Volksentscheid aber dient in dieser politischen Zielstellung lediglich dazu, den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen, den Weg auch mitzugehen. Und Druckmittel wird es sicher brauchen, um profitorientierte Aktiengesellschaften zum Verzicht zu bewegen. Wer aber einen Volksentscheid, der zwar kein Gesetz zum Gegenstand hat, jedoch ein sehr konkretes Ziel benennt, dazu nutzen will, politisch etwas ganz anderes durchzusetzen, missbraucht dieses demokratische Instrument.
Wenn der Volksentscheid am Ende erfolgreich ist, werden mindestens doppelt so viele Wähler*innen ihre Stimme für die Enteignung abgegeben haben, als sich die Grünen an Stimmen ausrechnen. Deren Willen einfach umzudeuten, und wie Jarasch als allgemeinen Auftrag zu verstehen, „geeignete Maßnahmen“ gegen die Mietenproblematik zu ergreifen, ist eine Anmaßung und erschüttert das Vertrauen in demokratische Mitbestimmungsprozesse. Wer Enteignung sagt, sagt eben nicht Verhandlung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Greenpeace-Vorschlag
Milliardärssteuer für den Klimaschutz
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen