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Mietendeckel in BerlinIst der Deckel dicht genug?

Der Gesetzesentwurf zum Mietendeckel steht. Was bleibt übrig vom ursprünglichen Vorhaben? Und bringt dieser Mietendeckel jetzt überhaupt etwas?

Hält dieser Deckel den Druck aus? Foto: dpa

Ja!

In der Euphorie beschwindelt man sich ja gern manchmal selbst. Und euphorisch waren viele, als ein Papier aus dem Haus von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) an die Öffentlichkeit gelangt war, das extrem niedrige Mietobergenzen beinhaltete. Großer Jubel bei Aktivistinnen und Aktivisten, Zeter und Mordio bei allen anderen.

Denn das wahrhaft Revolutionäre an Lompschers Vorschlag waren weniger die Werte, die sich am Mietspiegel von 2011 orientierten, als viel mehr die Möglichkeit für alle, ihre Miete, so sie über den Obergrenzen liegt, absenken zu dürfen. Wenn die Bezirksämter die Antragsflut bewältigt hätten, wäre dies die vielleicht größte Entlastung für Mieter gewesen, die eine westliche Metropole seit Langem gesehen hätte.

Allein die Absicht mag die Bausenatorin adeln. Doch all die, die eine Woche lang in Partylaune waren, haben geflissentlich übersehen, dass Berlin keine Links-links-Linken-Koalition hat, sondern von einem Dreierbündnis aus SPD, Linken und Grünen regiert wird. Deren gemeinsames Endergebnis ist abgeschwächt, dennoch ist es mutig und macht Mut.

Mut macht es, weil der Senat gezeigt hat, dass er handlungsfähig ist. Selbstverständlich war das nicht, denn das Thema Mietenpolitik hat inzwischen eine solche Sprengkraft, dass auch die Koalition daran scheitern könnte. Umso erstaunlicher ist es, wie geräuschlos sich die drei Partner auf einen Referentenentwurf geeinigt haben, der ab Montag mit den Wohnungs- und Mieterverbänden abgestimmt wird.

Der Mietendeckel, wie er 2020 kommen soll

Sobald das Gesetz beschlossen ist, werden die Mieten auf dem Stand des Stichtags 18. Juni 2019 (Senatsbeschluss) für fünf Jahre eingefroren.

Die Mietobergrenzen liegen abhängig vom Baujahr zwischen 5,95 Euro und 9,80 Euro pro Quadratmeter. Die Zahlen basieren auf dem Mietspiegel von 2013 und wurden anhand der Preis- und Lohnentwicklung angepasst. Mietabsenkungen müssen von den Mietern beantragt und von den Bezirksämtern bewilligt werden.

Bei Wiedervermietung gelten die Obergrenzen.

Der Mietendeckel „atmet“. Das heißt, Mieterhöhungen bis zu den Obergrenzen werden ermöglicht. Gleichzeitig werden die Mietobergrenzen der Inflationsrate angepasst. Laut Senatsverwaltung ist auch „eine Anpassungsmöglichkeit der Miet­tabelle vorgesehen“.Mietabsenkungen sind möglich, wenn die Nettokaltmiete über der Obergrenze liegt und mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens eines Haushalts beträgt.

Modernisierungszuschläge sind bis zu 1 Euro pro Quadratmeter anzeige-, aber nicht genehmigungspflichtig. Darüber hinaus müssen Modernisierungen genehmigt werden. Bei Wohnungen in einem Gebäude mit maximal zwei Wohnungen sind Zuschläge von 10 Prozent erlaubt. Ebenso sind Zuschläge von bis zu 1,40 Euro pro qm möglich, falls der Vermieter die Wohnung in den letzten 15 Jahren modernisiert hat. (vag)

Mutig ist es, weil auch der Referentenentwurf noch ein Mietendeckel ist und kein Korken, der lose auf einer Proseccoflasche liegt. Zwar darf er nun, wie Lompscher sagt, etwas atmen. Das heißt, nur die, die wirklich in Not sind, sollen ihre Miete senken dürfen. Und auch leichte Mieterhöhungen sind erlaubt, wenn die Vermieter bislang fair waren oder in eine Notlage zu geraten drohen. Das wird vor allem die Genossenschaften freuen.

Doch trotz dieser Ausnahmen ist der Kompromiss, im Gegensatz zur Mietpreisbremse des Bundes, noch immer ein wirksames Instrument. Im Grunde implementiert er die Regelungen, die der Senat mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften getroffen hat, auf den gesamten Berliner Wohnungsbestand, Neubauten ausgenommen. Und: Ganz bestimmt ist dieser Kompromiss rechtssicherer als der revolutionäre Entwurf. Euphorie hin oder her. Uwe Rada

Nein!

Die Hysterie der materiell Bessergestellten hatte hoffnungsvoll gestimmt. Dass im Berliner Bürgertum (ob nun politisch grün oder schwarz, rot oder gelb gefärbt) wegen eines durchgestochenen Papiers zum Mietendeckel Panik ausbrach, wirkte wie eine Versicherung: dafür, dass das keine Symbolpolitik ist, sondern radikale Politik im Interesse der sozial Benachteiligten.

Mit der Ernüchterung für die Hoffenden folgte am Freitag aber auch die Erleichterung für die Hysteriker: Bausenatorin Katrin Lompscher stellte den überarbeiteten Entwurf vor, der die Mieten nicht mehr flächendeckend unter Obergrenzen senkt, sondern nur noch eine Härtefallregelung für Mieter mit geringen Einkommen kennt. Statt einer Absenkung der Mieten auf maximal 7,97 Euro pro Quadratmeter liegt die Obergrenze nun bei 9,80 Euro. Und ihre Miete absenken können – auf Antrag – nur die, die mehr als 30 Prozent ihres Einkommens dafür aufwenden. Vermieter dürfen – ohne Antrag – Modernisierungszuschläge von bis zu einem Euro pro Quadratmeter verlangen.

Solch ein Mietendeckel ist kein parteiischer im Sinne der Mieter mehr. Für viele Mieter wird der Weg zur Absenkung eine anstrengende, bürokratische Hürde werden, wenn sie sich im Wohnungsmarktdschungel überhaupt trauen, Vermieter zu konfrontieren.

Lokalrunde

Die neue Folge des Podcasts Lokalrunde - das politische Stadtgespräch aus Hamburg und Berlin beschäftigt sich mit der Debatte um den Mietendeckel und geht der Frage nach: Wie radikal ist er? Dazu: Alles zur Massenaktion der Klimagerechtigkeitsbewegung Free the soil.

Und warum liegt die Antragspflicht eigentlich bei den Mietern? Wäre es nicht gerechter und viel praktikabler, wenn die Vermieter Ausnahmen von Obergrenzen beantragen müssten? So ist der Mietendeckel einer, der diejenigen mit geringen Einkommen zu Bittstellern macht.

Auch im großen Ganzen wird dieser Mietendeckel weniger bewegen als zunächst erhofft: Der irrationale, profitorientierte Gang der Dinge auf dem Mietmarkt wird nur mäßig abgebremst werden. Das Mietpreisniveau, Pullfaktor für diejenigen, die mit Wohnraum Profite erzielen wollen, wird nicht so sinken wie zunächst erhofft. Außerdem – was für ein Euphemismus! – atmet der Deckel auch noch doppelt. Die großen Player werden also bleiben. Und sie kennen ihre Druckmittel gegen die Mieter – damit diese ja keine Mietabsenkung anstrengen.

Trotz alledem ist dieser Mietendeckel besser als gar kein Mietendeckel. Damit Wohnen aber einmal tatsächlich als Grundrecht und nicht als Ware gehandelt wird, wären Enteignungen wohl das bessere Mittel. Volkan Ağar

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11 Kommentare

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  • wie genau sorgt der Mietendeckel dafür, das Bedürftige eine bezahlbare Wohnung in Berlin bekommen?

    • @Gastnutzer 42:

      Der Mietendeckel sorgt dafür, dass nicht noch mehr Leute durch massive Mieterhöhungen auf der Straße landen und die Hälfte oder mehr ihres Gehalts nur für die Miete aufwenden müssen. Er sorgt dafür, dass Wohnungen bezahlbar bleiben, was schon verdammt viel ist.

      Es bringt ja nichts, nur neu zu bauen, wenn gleichzeitig immer mehr Leute, die bereits eine Wohnung haben, diese nicht mehr bezahlen können und dann zusätzlich auch nach einer neuen bezahlbaren Wohnung suchen.

  • Das Gesetzt bestraft den anständigen Vermieter, der die Mieten bisher moderat erhöht hat. Wenn der Staat die Menschen beklaut, überlegen sich diese, wie sie den Statt beklauen können. Russische Verhältnisse.

    • @XBurger:

      Neben dem Artikel steht: "Der Mietendeckel „atmet“. Das heißt, Mieterhöhungen bis zu den Obergrenzen werden ermöglicht. Gleichzeitig werden die Mietobergrenzen der Inflationsrate angepasst."

      Modernisierungen dürfen übrigens auch noch auf die Mietobergrenze aufgeschlagen werden, und es gibt eine Härtefallregelung für Vermieter, falls es dauerhaft zu Verlusten oder Substanzgefährdung kommt.

      Und wenn der Staat bzw. die Landesregierung die Berliner Mieter in einem für Vermieter verträglichen Rahmen vor überhöhten Mietforderungen und Gier schützt, wo beklaut er da jemanden?

  • das Gesetz wird bewirken:



    - Verfassungsklagen (Aufhebung bestehender Verträge!)



    - enormer bürokratischer Aufwand bei Prüfung der Härtefälle auf Seiten der Mieter



    - enormer bürokratischer Aufwand bei Prüfung der Härtefälle auf Seiten der Vermieter



    - Rechtsunsicherheit: kein Interesse in Neubau zu investieren



    - Leerstand, zunehmende Umwandlung in Eigentumswohnung



    - Einbruch des Marketes für Neuvermietungen, Schwarzmarkt.Wiederkehr des Abschlagsunwesens wie zu Westberliner Zeiten, Abwanderung nach Brandenburg mit entspr. Auswirkungen auf Verkehr und Klima



    - das Ende von R2G: einmal und nie wieder

    • @XBurger:

      Im Artikel steht noch einmal, dass der Mietendeckel (leider) nicht für Neubauten gilt. Warum sollte also ein Investor verunsichert sein?

      • @Andreas V.:

        Weil sich schon morgen ändern könnte, was als 'Neubau' zählt. So ein Investor hätte gerne etwas Planungssicherheit.

  • Gerade bei den ehemaligen Sozialwohnungen der GSW, die jetzt der Deutsche Wohnen gehören, können jetzt die Mieten nun offenbar doch weiter kräftig erhöht werden mittels sogen. energetischer Modernisierung. Die Nettokaltmieten liegen nämlich weit unter den Höchstgrenzen, während ein Großteil der Miete derzeit auf die Betriebskosten entfällt. Die vermeintlichen Modernisierungen waren bisher das Mittel der Wahl, um die Mieten möglichst schnell und dauerhaft zu maximieren und das kann nun fortgesetzt werden, sogar noch über die beträchtlichen Obergrenzen hinaus.

    Kein Wunder, dass der Aktienkurs der Deutsche Wohnen wieder steigt und die Hoffnung der Mieter sinkt. Seit Jahren macht es die Deutsche Wohnen in vielen Vierteln so: Zieht jemand aus, werden billige Arbeitskräfte aus Osteuropa in die Wohnungen geschickt, um diese zu sanieren („modernisieren“). Danach erhöht sich die Miete um 100 Prozent. Diese Vorgehensweise kann nun m.E. genauso oder leicht modifiziert fortgesetzt werden.

    Die Obergrenzen sollen zudem nur dann zur Geltung kommen, wenn jemand mehr als 30 Prozent seines Einkommens für die Miete aufwenden muss. Die Deutsche Wohnen hatte bisher keine Probleme damit, hinreichend zahlungskräftige Mieter zu finden und daran wird die Gewinnmaximierung auch künftig nicht scheitern. Und was ist mit den ALGII- und Sozialhilfeempfängern, bei denen eine 30-Prozent-Klausel gar nicht anwendbar ist?

    Es sieht doch sehr danach aus, dass das geplante Gesetz von den Freunden der Immobilienkonzerne insbesondere in den Reihen der SPD gezielt ausgehöhlt wurde. Die Pressesprecherin der Deutsche Wohnen, Manuela Damianakis, ist übrigens 2010 auch direkt vom SPD-Bausenat zum Aktienkonzern gewechselt. Das läuft alles wie geschmiert für einige wenige zu Lasten der sehr vielen.

  • Ja -- Nein -- Vielleicht?

    Gut argumentiert, beide Seiten. In einem können wir uns jedenfalls einig sein: danke an Frau Lompscher für ihren Mut -- auch und angesichts einer gut ausgestattenen und mächtigen Lobby als Gegner.

    Für mich steht jedenfalls fest: ich freue mich auf die zweite Runde von "Deutsche Wohnen & Co enteignen".

    Die Dunkle Seite wird ihre Lobbyarbeit hinter und vor den Kulissen weiterhin fleissig betreiben: sie haben auch noch bezahlte Klonkrieger.

    Es ist an uns, den Gegendruck aufrechtzuerhalten. Lassen wir uns vom Jammern der Hysteriker nicht verunsichern, das sind Kunstgeräusche aus den PR-Agenturen.

    Business as usual.

  • "[...] wären Enteignungen wohl aber das viel bessere Mittel."

    Das ist ja das Absurde: Enteignungen wären mit einem echten Mietdeckel nicht notwendig, da Wohneigentum dann weniger attraktiv als "Renditemaschiene" wäre.

    So aber, wird die Enteignungsdiskussion bald wieder aufflammen :-(