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Mietenaktivist über Bauziele der Ampel„Luxusneubau hilft uns nicht“

Matthias Weinzierl von der bundesweiten Kampagne Mietenstopp kritisiert die Bauziele der Ampelkoalition. Der soziale Wohnungsbau bleibe auf der Strecke.

Bauboom in Berlin, aber zu wenige Neubauten sind Sozialwohnungen Foto: Dirk Sattler/imago
Gareth Joswig
Interview von Gareth Joswig

taz: Herr Weinzierl, 400.000 Wohnungen will die Ampelkoalition pro Jahr bauen. Reicht das, um die vor allem in Großstädten akute Wohnungsnot in den Griff zu bekommen?

Matthias Weinzierl: Auf gar keinen Fall! Hilfreich sind dabei natürlich nur Wohnungen in einem bestimmten Segment. Man muss ganz genau hinschauen, was für Wohnungen entstehen. Luxusneubau hilft uns kein bisschen.

Die Sozialraumquote der Ampelkoalition liegt bei 25 Prozent, jährlich sollen also 100.000 Sozialwohnungen entstehen. Ist das genug?

Nein, und wenn man genau hinschaut, sieht man auch, dass schon die Zahl 100.000 nicht stimmig ist. Dabei handelt es sich nämlich nicht um „echte“ Sozialwohnungen. Da werden zum Beispiel auch geförderte Eigentumswohnungen mitgezählt. Zudem fallen jährlich mehr geförderte Wohnungen aus den Sozialbindungen als neue gebundene Wohnungen gebaut werden. So ist unterm Strich nichts gewonnen. Gleichzeitig steigen die Baukosten ins Unermessliche, vor allem aufgrund der hohen Bodenpreise, was sich wiederum unmittelbar auf die Mieten auswirkt.

Bild: Benjamin Olszewski
Im Interview: Matthias Weinzierl

49, ist angestellt beim DGB und Koordinator sowie Sprecher der bundesweiten Mietenstopp-Kampagne.

SPD und Grüne sprachen vor den Wahlen davon, regionale Mietregulierungen in angespannten Wohnungsmärkten zu ermöglichen. Kann man schon jetzt sagen: Aus dem Wahlversprechen ist nichts geworden?

Grüne und SPD sind der FDP in diesen Fragen weit entgegengekommen. Die Zugeständnisse finden auf den Rücken von Mietern statt. Die SPD sprach im Wahlkampf von einem Mietenmoratorium, die Grünen haben ähnliche Forderungen aufgestellt. Geblieben ist davon nichts, außer der Erklärung, 400.000 Wohnungen bauen zu wollen, die Mietpreisbremse zu verlängern und die Kappungsgrenze in angespannten Märkten von 15 Prozent auf 11 zu senken. Das reicht bei Weitem nicht, um sich dem großen gesellschaftlichen Problem entgegenzustellen, vor dem wir stehen: Viele Menschen können sich Wohnraum nicht mehr leisten. Schon jetzt findet in den größeren Städten eine dramatische Verdrängung statt. Viele gehen in Rente und können sich ihre Wohnung plötzlich nicht mehr leisten. Kinder, die ausziehen, können nicht in ihrer Heimatstadt studieren, weil es einfach zu teuer ist. Darauf muss man doch schnell reagieren.

Wie?

Neben einem Mietenstopp fordern wir unter anderem neue Wohnungsgemeinnützigkeit, ein neues soziales Bodenrecht, höhere Bauquoten im sozialen Segment, neues kommunales Vorkaufsrecht, strengere Regeln für Eigenbedarf und faire energetische Gebäudesanierungen.

Mitten im Wahlkampf kippte vergangenes Jahr nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts plötzlich das kommunale Vorkaufsrecht, ein wichtiges Instrument gegen Verdrängung in einigen Städten. Verschiedene Länder stießen sofort Bundesratsinitiativen an, eine schnelle Reform wurde versprochen. Nun will die FDP-Vorsitzende im Bauausschuss, Sandra Weeser, zunächst doch länger prüfen lassen. Wie soll die Ampelkoalition das Wohnraumproblem lösen, wenn sie nicht einmal das leicht zu reformierende Vorkaufsrecht repariert?

Uns ist völlig unverständlich, warum sich die Ampel an diesem Punkt so viel Zeit lässt. Selbst Politiker aus der Union aus betroffenen Städten betonen die Wichtigkeit dieses Instruments. In München wollte die Stadt in einer Reihe von Fällen das Vorkaufsrecht wahrnehmen. Die sind alle wegen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts gescheitert. Kommunen haben in Wohnraumfragen ohnehin wenig Gelegenheit einzugreifen – ohne dieses Werkzeug sind sie bei Verdrängung zum Zuschauen verdammt.

Gibt es auch etwas, mit dem Sie zufrieden sind bei der Ampel?

Was unser Thema betrifft, lautet die Antwort – leider nein. Die Maßnahmen greifen einfach zu kurz.

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9 Kommentare

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  • Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland stagniert. Es ist nicht verständlich wieso plötzlich hinten und vorne Wohnungen und Häuser fehlen. Ist es weil plötzlich alle nur noch in der hippen Stadt leben wollen? Oder weil ein jeder inzwischen wenigstens 60 Quadratmeter Wohnplatz pro Person beansprucht? Wird eventuell diese Diskussion auch durch Sonder- und Luxuswünsche angeheizt? Wenn ich mir keine Stadt leisten kann, muss dann die Allgemeinheit dafür sorgen, dass mir das ermöglicht wird? Und Arbeit gibt es in vielen Kleinstädten und im ländlichen Bereichen auch.



    Und dann natürlich die Baupreise! Da sollten wir mal genauer hinsehen. Wie kriegen wir diese wieder runter? Dem Handwerker am Bau den Lohn kürzen. Dem Lastwagenfahrer der die Ziegeln anliefert weniger Geld zahlen. Dem Zimmermann der das Holz zurichtet sagen dass es weniger Geld gibt, usw. . Nein, das geht natürlich gar nicht. Aber Spekulanten sagen, dass es da nichts mehr zum spekulieren gibt, das ginge. Aber das mit der FDP und den Grünen umzusetzen, no way. Denn das ist deren Klientel.

  • Bei einer Leerstandsquote von 2,8 Prozent (2020) oder umgerechnet mehr als 600.000 Wohnungen (Ruinen gar nicht eingerechnet) frage ich mich, wovon wir eigentlich sprechen. Denn jenseits sozialer und familiärer Aspekte, persönlicher Vorlieben und Trend-Städten pflastern wir dieses Land immer weiter einfach nur Beton zu – den wir, wenn die Location nicht mehr hip ist, stehen lassen. Wieso gibt es eigentlich das (sehr richtige) Argument, dass Straßen-Infrastruktur die Versiegelung fördert, wenn dies bei Wohn- und Gewerbe-Bebauung einfach nur "wumpe" ist. Gibt es eigentlich Zahlen, die hier mal den Flächenverbrauch durch nicht genutzte Bebauung zum Vergleich zeigen? Die gängigen Suchmaschinen liefern (natürlich) hier leider gar nichts.

    • @Markus Wendt:

      "Bei einer Leerstandsquote von 2,8 Prozent (2020)"

      Ich glaube kaum, das in den Ballungsgebieten irgendwelche Sozialwohnungen leerstehen.



      Was ist das für aalso eine Zahl, woher kommt die und was ist damit gemeint (unbezahlbare Luxuswohnungen, Renditeobjekte, die eh nicht vermietet werden??)

  • Es ist einfach frustrierend zu sehen, dass es nie etwas zwischen Luxus- und Sozialwohnungen gibt. Ich habe selbst vergeblich in Frankfurt eine Wohnung gesucht, weil ich dort studiert habe, aber mit meinem Partner in einer 2-Zimmer Wohnung zusammenleben wollte. Selbst wenn man dort nur noch Sozialwohnungen bauen würde, wäre das Problem nicht für die gelöst, die nicht Sozialhilfe berechtigt, sich aber dennoch keine Miete von 1000-2000 kalt leisten können.

    • @Lunako:

      Danke, das ist etwas, was bei den ganzen Diskussionen immer wieder zu kurz kommt. Selbst Leute, die aus dem Beihilfebereich gut heraus sind, können sich die Wohnungen kaum noch leisten. Notgedrungen nehmen sie teilweise ANgebote wahr, die eigentlich das nicht wert sind, für was sie angeboten werden. Das gilt auch bei Menschen mit mittlerem Einkommen. Diese können sich keine EIgentumswohnungen leisten, stellen aber fest, dass sie mit ihrem höheren Einkommen beliebter als Mieter sind, bekommen Wohnungen entsprechend, die eigentlich für niedrigere Einkommensstufen geeignet wären.



      Daher ist es kurzsichtig, nur Billigstwohnungen zu fördern, damit die Bezieher von niedrigsten Einkommen oder Bezieher von Sozialhilfe (egal, wie es gerade genannt wird) darin unterkommen. Solange zu wenig auf dem Markt ist, sind die Preise zu hoch. Gerade aber mittlere Einkommen sind noch eher in der Lage mit Förderung selbst Wohnraum zu schaffen und damit den Wohnungsmarkt zu entlasten. Der Blick auf die ganz unten hilft da wenig, da diese nie in der Lage sind, Wohnraum zu kaufen/erstellen und damit die gesamten Kosten für die Wohnraumschaffung bei den Kommunen/dem Steuerzahler hängen bleibt. Wie es anders aussehen kann, zeigen andere Länder mit höherem Anteil an Wohneigentum, bei denen sich trotz schlechter finanzieller Gesamtlage des Staates (süden: GR) die Bewohner Wohneigentum leisten können, damit den Staat an sich nicht auch noch mit der Notwendigkeit der Wohnraumbezahlung für Geringverdiener beschäftigen müssen. Da müssen die Wohnungen im öffentlichen Bestand nicht noch mit denen des Mittelstandes geteilt werden, weil diese dort in der Lage sind, sich selbst mit Wohnraum zu versorgen.



      Klar gibt es auch in anderen Ländern Menschen, die sich Wohnraum kaufen könnten, trotzdem in Miete wohnen, aber nicht so viele.

  • 2G
    24584 (Profil gelöscht)

    Die Logik von Herrn Weinzierl überzeugt mich nicht. Können nicht Luxusneubauten indirekt auch für arme Vorteile bringen, wenn dann nämlich die neu hinzugezogenen Luxusmieter oder Luxuseigentümer nicht mehr Wohnungen im Bestand einkaufen und dann luxussanieren? Wenn jeder Reiche sich etwas neu baut, nimmt doch der Druck auf den Bestandsmarkt ab. Problematisch ist doch eher, wenn bisher bezahlbarer Wohnraum viel teurer wird, weil arm und reich sich auf die wenigen Wohnungen stürzen. Wer da den kürzeren zieht, ist klar.



    Das heißt natürlich nicht, dass wir den Reichen Geld geben sollen. Aber die Analyse scheint mir nicht ganz durchdacht.

    • @24584 (Profil gelöscht):

      Solange mit der Luxussanierung von abgerockten Altbauten sich die größte Marge realisieren lässt, wird das gemacht, sogar dann, wenn niemand in den Wohnungen lebt, denn leere Wohnungen sind mehr wert als bewohnte. Und solange die Banken mittels Krediten Geldschöpfung von komplett virtuellem Geld realisieren, das anderswo dann mit Miezahlungen oder Kaufpreisen von Wohnungen mit echtem Geld, das für echte Arbeit eingenommen wurde, solange also Geld von jenen, die für ihr Einkommen arbeiten müssen, hin zu denen fließt, die "Geld arbeiten" lassen, so lange wird das Spiel weitergehen.

    • @24584 (Profil gelöscht):

      Klar, super Idee.



      Wir fördern Luxuswohnungen, damit die "Armen" irgendwo vielleicht was finden.



      Wie wär's stattdessen damit, Gutverdiener aus Sozialwohnungen rauszuschmeissen, damit die in die von Ihnen so gepriesenen Luxuswohnungen einziehen können?

    • @24584 (Profil gelöscht):

      Kann ich nur zustimmen, ist ein sehr einfach gedachtes Modell des Herrn, gern bei Menschen verortet, die sich so in ihrer Ideologie verrannt haben, dass andere Gedanken gar nicht mehr in den Kopf wollen.



      Dass geförderte Wohungen aus der Bindung fallen: Ja, ansonsten ist doch keiner mehr bereit zu investieren, wenn auf Dauer das Eigentumsrecht beschnitten bleibt. Spätestens bei einer Anschlussfinanzierung ist sonst schlecht ein Kredit zu bekommen, wenn so eine Belastung auf dem Objekt liegt.



      Abgesehen davon ist es einfach der Schlendrian, der vor Jahren dazu geführt hat, dass massenhaft Wohnungen aus kommunalem Besitz verhökert wurden, das Geld aber in anderen Bereichen versickert ist, an statt weiteren sozialen Wohnungsbau zu tätigen. Ich kann nicht das Tafelsilber und -Gold verkaufen, irgendwann feststellen, dass ich auch kein Porzellangeschirr mehr hab, nicht mal Blechnäpfe und dann auf die Käufer des Tafelsilbers schimpfen und die, die auf etwas angewiesen sind, von wo sie essen können, dann sagen die Käufer wären schuld.



      Dann auch noch so frech sein und sagen, die Lösung läge darin, den Käufern das Tafelsilber wieder abzukaufen, möglichst zu einem Preis, der den augenblicklichen nicht widerspiegelt, trotzdem damit kein Stück Wohnraum zur Entlastung schaffen, sondern nur "sein Geld los zu sein".



      Herr lass Hirn regnen. Den Blechnapf zum Auffangen spende ich.