Messerattacke auf Algerier: Rassistischer Angriff in Schwerin vor Gericht
In Schwerin startet der Prozess gegen einen Mann, der einen Algerier attackiert hatte. Die Opferberatung Lobbi spricht von einem rassistischem Motiv.
V or dem Amtsgericht Schwerin muss sich seit Donnerstag ein Mann wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. In der Innenstadt der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern soll der Deutsche einen 33-jährigen Algerier mit einem Messer angegriffen haben. Der Geflüchtete erlitt unterhalb des Mundes eine tiefe Schnittwunde.
Für die Landesweite Opferberatung Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern (Lobbi) steht der Fall exemplarisch für eine besorgniserregende Entwicklung im Land. Bereits in der ersten Jahreshälfte 2024 zählte Lobbi so viele rechte Angriffe wie sonst nur im zehnjährigen Durchschnitt für das ganze Jahr. Häufigstes Tatmotiv war dabei Rassismus.
In dem aktuellen Fall begleitet die Opferberatung den Betroffenen, der erst wenige Tage zuvor in einer Geflüchtetenunterkunft angekommen war. Am 14. Juni dieses Jahres sei er mit drei Bekannten auf dem Marien-Platz unterwegs gewesen.
Der Angreifer habe den Algerier angesprochen. Da dieser ihn nicht verstand, habe er einen seiner Begleiter gebeten, für ihn zu übersetzen. In dem Moment habe der Täter das Messer gezogen und versucht, den Algerier an der Kehle zu treffen. Weil dieser etwas zurückgewichen sei, habe die Klinge nicht den Hals getroffen.
Die Opferberatung wundert, dass der Angriff nicht vor dem Landgericht verhandelt wird. „Aufgrund des zu erwartenden Strafmaßes hätten wir eher einen Prozess am Landgericht erwartet“, sagt eine Beraterin von Lobbi, die den Betroffenen seit dem Angriff unterstützt.
„Den Angriff hat der Täter gegenüber einer Bekannten vorher angekündigt“, sagt Robert Schiedewitz von Lobbi. Zudem habe er ein Messer mitgenommen. Der Vorsatz einer Tötung dürfte somit gegeben sein, vermutet Schiedewitz. Das die Tötungsabsicht verfehlt wurde, sei allein dem Zufall zu verdanken. Bisher ist nicht bekannt, ob der Täter versucht hat nachzusetzen. Für die Verhandlung ist ein weiterer Prozesstag angesetzt.
Sollte sich die Zahl solcher Gewalttaten weiter so entwickeln wie im ersten Halbjahr, rechnet Lobbi mit „einem trauriger Allzeit-Rekord rechter Angriffe“ seit der Gründung der Opferberatung im Jahr 2001. In den ersten sechs Monaten registrierte Lobbi insgesamt 89 rechte Angriffe, bei denen insgesamt 126 Menschen betroffen waren.
„Rassismus“ war nach Zählung von Lobbi in dem Zeitraum von Januar bis Juni mit 52 Angriffen das häufigste Tatmotiv. Aufgefallen sei zudem, dass auch die Attacken gegen mutmaßliche politische Gegner:innen der Rechten anstiegen. Mit 22 Angriffen war diese Gruppe deutlich häufiger Ziel rechter Gewalt als 2023.
Besonders viele Übergriffe habe es in den Großstädten Schwerin und Rostock gegeben, die bezogen auf die Einwohner:innenzahl die größte Zahl an Taten aufweisen. Dazu kommen die Landkreise Vorpommern-Rügen und Vorpommern-Greifswald. In der Hansestadt Stralsund registrierte Lobbi allerdings allein zehn Angriffe.
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