Merz' Besuch bei Donald Trump: Er war nicht „Angela“
Mit dem Besuch in Washington wollte Friedrich Merz das wackelige transatlantische Verhältnis stabilisieren. Immerhin – einen Punkt konnte er machen.

Die damalige deutsche Kanzlerin machte nicht nur in ihrer Autobiografie keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber Trump. Den G7-Gipfel drei Jahre später, mitten in der Coronapandemie, sagte sie ab. Danach soll Funkstille zwischen ihr und Trump geherrscht haben.
Ihr CDU-Nachfolger im Amt, Friedrich Merz, wollte nun die Drähte neu spannen, um sich Trump als zuverlässiger Gesprächspartner zu empfehlen. Als einer, dessen Nummer Trump als Erstes wählt, wenn er mit Europa sprechen will. Aber auch als jemand, der ihm – wenn nötig – widerspricht.
Merz’ Antrittsbesuch am Donnerstag in Washington war der bislang wichtigste Termin seiner noch jungen Kanzlerschaft und hatte etwas von der Aufwartung des hoffnungsvollen Bräutigams bei der als Drachen geltenden Schwiegermutter.
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Strategie: Lächeln und Schweigen
Merz meisterte ihn. Aber was folgt daraus? Wird sich Trump nun ohne Wenn und Aber auf die Seite der Ukraine schlagen? Ändert er seine Zollpolitik?
Die Ausgangslage schien günstig. Merz hat einmal für die US-amerikanische Investmentgesellschaft Blackrock gearbeitet, war jahrelang Vorsitzender des Lobbyvereins „Atlantikbrücke“. Er spricht fließend Englisch und besuchte bereits 1982 zum ersten Mal das Weiße Haus, als dort noch Trumps politisches Idol Ronald Reagan regierte. Was aber wohl am meisten für ihn sprach: Er war nicht „Angela“.
Die Ex-Kanzlerin ist für Trump offenbar immer noch eine solche Reizfigur, dass er sie beim Treffen mit Merz in seinem Büro, dem Oval Office, gleich mehrfach erwähnte. „Angela“ hätte viele böse Menschen nach Deutschland gelassen und Russland Milliarden geschenkt, behauptete Trump – eine Anspielung auf die Flüchtlingspolitik unter Merkels schwarz-roter Regierung und den Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2.
Für Merz fand Trump viele warme Worte: Dessen Englisch sei so gut, ob sein Deutsch genauso gut sei? Merz lächelte. Er hatte extra auf einen Dolmetscher verzichtet. Ein Vertrauensbeweis. An anderer Stelle nannte Trump den Kanzler sogar seinen Freund, darauf antwortete dieser schlauerweise nichts.
Überhaupt verbrachte er den größten Teil des gut 40-minütigen öffentlichen Beisammenseins schweigend, denn Trump ließ seinen Gast kaum zu Wort kommen. Er sprach lieber selbst, vor allem über US-amerikanische Innenpolitik: Über die von ihm Big Beautiful Bill genannten Steuererleichterungen – die Milliardenlöcher in die Staatskasse reißen werden –, über Ex-Präsident Joe Biden, der nie hätte Präsident werden dürfen, über seinen ehemaligen Best Buddy und neuen Intimfeind Elon Musk und natürlich über sich selbst, Donald Trump: Wäre er 2022 Präsident gewesen, hätte es den Krieg in der Ukraine nie gegeben.
Merz'scher D-Day
Merz, der sich in der Haltungsnote zwischenzeitlich dem Präsidenten angenähert hatte, vornüber geneigter Oberkörper, weit geöffnete Knie, die Hände locker dazwischen baumelnd, sich dann wieder zurücklehnte und die Armlehnen seines Sessels umklammerte, widersprach nur selten. Etwa als Trump den Krieg in der Ukraine mit zwei Kindern verglich, die sich prügelten und die man einfach mal ein bisschen kämpfen lassen solle, ehe man sie auseinanderreißt.
Das konnte Merz so nicht stehen lassen. Die Nachfrage eines Journalisten ermunterte ihn zur Gegenrede: „Sie sind die Schlüsselfigur in der Welt, die Druck auf Putin ausüben kann, um den Krieg zu beenden“, schmeichelte er seinem Gegenüber. Und appellierte an dessen historische Verantwortung: Im Juni 1944 sei es zum D-Day gekommen, als die Alliierten unter amerikanischer Führung in der Normandie landeten und damit die letzte Phase von Hitlers Krieg begann, der mit der Kapitulation der Wehrmacht endete.
Insgesamt war der Besuch bei Trump für den nicht zum Understatement neigenden CDU-Politiker eine Übung in Demut und Bescheidenheit, eine Art Merz’scher D-Day. Als Merz später, nachdem er mit Trump noch zu Mittag gegessen hatte – Salat, Steak und Nachtisch –, vor der Kulisse des Lincoln Memorial ein erstes Fazit zog, schwitzte er noch immer. Es sei ein sehr gutes Gespräch, eine wirklich gute Atmosphäre gewesen, sagte der Kanzler in der schwülwarmen Nachmittagsluft. „Wir verstehen uns auf der persönlichen Ebene gut.“ Darauf aufbauend werde man sicher auch in Zukunft gute Gespräche haben. Merz wirkte erleichtert.
Denn das war der Zweck des Besuchs: einen guten Eindruck hinterlassen. Andere waren zuvor an Trump gescheitert, der hatte seine Gäste in Despotenmanier zur Schnecke gemacht, den ukrainischen Präsidenten gedemütigt, den südafrikanischen Staatschef mit Fake News provoziert. Die Befürchtung, Merz widerfahre ein ähnliches Schicksal, war nicht unberechtigt, zumal Trumps Stab kurz nach der Landung des Kanzlers den Ablaufplan änderte.
Das Mittagessen, wo Merz schon mal für gute Stimmung sorgen wollte, wurde nach hinten verlegt, das Gespräch vor Journalisten im Büro des Präsidenten vorgezogen. Schlechtes Timing. Würde sich Merz also von einem hungrigen Präsidenten einen Vortrag über die gefährdete Meinungsfreiheit in Deutschland anhören müssen oder von Maga-Bloggern zu seinem Naziopa befragt werden? Nichts davon trat ein.
Aus Partnerschaft wird Rivalität
Auf Fragen zur Meinungsfreiheit hatte sich Merz vorbereitet, wie er überhaupt einiges an Zeit und Nachdenken in den Besuch investiert hatte. Er hatte Telefonate geführt, Videos anderer Antrittsbesuche im Weißen Haus angeschaut. Viel steht auf dem Spiel. Deutschland ist in mehrfacher Hinsicht auf die USA angewiesen: als atomare Schutzmacht, als Handelspartner, als Verbündeter. Doch nie ließen die USA Deutschland diese Abhängigkeit auf allen drei Gebieten stärker spüren, nie zuvor schien sich Partnerschaft vor allem in Rivalität zu verwandeln.
Im Koalitionsvertrag wird die transatlantische Partnerschaft zwar noch als Erfolgsgeschichte beschrieben. Doch Trump überzieht die Welt, Europa und auch Deutschland mit Zöllen. Erst wenige Tage zuvor verdoppelte er die Preisaufschläge auf Stahl und Aluminium. „Die transatlantische Partnerschaft ist extrem wacklig und extrem geschwächt“, sagt Rachel Tausendfreund, die bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zu diesem Thema forscht. Die extrem aggressive Handelspolitik der Trump-Regierung und deren Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands stellten sie auf die Probe. Allerdings sei auch klar: „Deutschland kann auf die USA und auf eine gute beiderseitige Beziehung nicht verzichten.“
Ein Dilemma. Im Krieg Russlands gegen die Ukraine drohen die USA als bislang größter Unterstützer des angegriffenen Landes ebenfalls auszufallen. Trumps sprunghafter Umgang mit dem russischen Kriegsherren Wladimir Putin treibt die Koalition der Willigen, die Merz gern anführen würde, schier in den Wahnsinn. Es geht ihm nun vor allem darum, die USA bei der Stange zu halten. Doch dies, das weiß man auch im Kanzleramt, wird harte Arbeit. Trump, der einen Tag vor Merz’ Besuch mit Putin telefoniert hatte, übt bislang nur Druck auf die Ukraine aus.
Beide Themen sprach Merz im Weißen Haus an. Bei beiden erreichte er wenig. Immerhin rang sich Trump im Beisein des Gastes das Bekenntnis ab, dass die amerikanischen Truppen, nach Trumps Angaben gut 45.000 Soldaten, in Deutschland stationiert bleiben sollen.
Zu einer Änderung seiner Zollpolitik ließ sich Trump bislang nicht bewegen, weder von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen noch von seinem neuen Freund Friedrich. Im Gegenteil – die von Trump geplanten Steuererleichterungen enthalten auch eine versteckte Strafsteuer für Länder, die eine Abgabe für Digitalkonzerne erheben, wie sie etwa die EU und auch Deutschland plant. Darauf weist der Grünen-Politiker Sven Giegold auf X hin.
Vorauseilender Gehorsam
Beim ersten Telefonat mit Trump, zwei Wochen nach seinem Amtsantritt, hatte Merz sich mit diesem tatsächlich auch über Großväter ausgetauscht. Nicht über den eigenen, der Mitglied der NSDAP und Bürgermeister von Brilon war, sondern Trumps Ahne. Der stammt aus dem rheinland-pfälzischen Kallstadt und hieß wie Merz mit Vornamen Friedrich. Nach dem Telefonat ließ er nach Trump seniors Geburtsurkunde fahnden, im Landeskirchenarchiv von Speyer wurde man fündig. Die in Gold gerahmte Abschrift überreichte er dem Enkel.
Trumps öffentliche Begeisterung hielt sich in Grenzen. Er schien das gleiche Geschenk bereits 2017 erhalten zu haben, jedenfalls behauptet das Ex-Bild-Chef Kai Diekmann auf X. Und zwar von ihm, Kai Diekmann. Möglicherweise hat Trump es inzwischen entsorgt, zu sehen war es jedenfalls nicht.
Wichtiger als das goldgerahmte Faksimile war wohl ein anderes Antrittsgeschenk: In seiner Regierungserklärung hatte Merz verkündet, Deutschland wolle die stärkste konventionelle Armee Europas stellen. Er legte dann nach, dass man künftig 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigungsausgaben investieren wolle. Eine Forderung, der sich auch andere Länder anschlossen. Trump quittierte das im Weißen Haus als „positiv“.
„Die USA geben selbst keine fünf Prozent für Verteidigung aus, insofern kann es Trump als Etappensieg verbuchen, dass Deutschland und die EU-Länder das vorauseilend als Nato-Ziel anbieten“, sagt Cathryn Clüver Ashbrook, Expertin für Außenpolitik bei der Bertelsmann-Stiftung. Trump habe mit Europa im Verteidigungsbereich eigentlich abgeschlossen. „Er möchte aus der Verantwortung, so weit es geht, raus. Asien steht im Fokus.“
Für das beste Angebot, welches Merz Trump machen könnte, sei es noch zu früh, meint Clüver Ashbrook. Trump werde in den kommenden Monaten große wirtschaftliche Probleme mit den von ihm selbst verhängten Zöllen und innenpolitischen Interventionen bekommen, prophezeit sie. „Reindustrialisierung ist sein Ziel, Technologie und Hochleistungsfertigung können hier Antworten bieten. Die dafür nötigen Maschinen kommen entweder aus Europa, aus Deutschland oder Italien – oder eben aus China.“ Hier könne Deutschland im eigenen und im US-Interesse eine Lücke füllen.
Will Trump das? Als Merz zum Schluss vor das Lincoln Memorial zog, fanden sich zahlreiche Schaulustige ein. Unter ihnen Kevin und Tami aus Kalifornien. „Ah, Friedrich Merz“, bemerkte Kevin, ein Ex-Soldat, der mal in Deutschland stationiert war. „Ein guter Mann.“ Dann entschuldigte er sich: „Wir lieben Deutschland, und wenn es vorbei ist mit Trump, werden wir auch wieder gute Freunde.“ Dass es Trump um Kooperation geht, bezweifeln sie.
Merz will es jedenfalls versuchen. Schon in einer Woche, beim Treffen der G7-Staaten, und Ende Juni beim Nato-Gipfel trifft er Trump wieder.
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