Merkel und Europas Griechenlandpolitik: Einheit? Welches Europa meint sie?
Merkel beschwört Europas Einheitlichkeit. Aber die Griechen darben trotz massiver Einsparungen weiter. Dank Schäuble.
Dies zeigt das Beispiel Griechenland. Die jüngsten Beschlüsse der Eurogruppe bedeuten, dass Griechenland weiter verarmt, weil es zu einem drakonischen Sparkurs gezwungen wird. In der vergangenen Woche hat sich die Eurogruppe darauf geeinigt, dass Griechenland bis 2022 einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent erwirtschaften muss. Damit ist das Plus im Staatshaushalt gemeint, wenn man Zinszahlungen und Schuldentilgungen nicht berücksichtigt.
Zum Vergleich: Selbst Deutschland erreicht momentan nur einen Primärsaldo von etwa 2 Prozent, obwohl die Wirtschaft boomt und fast Vollbeschäftigung herrscht.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) moniert daher seit Jahren, dass die griechische Schuldenlast nicht tragfähig ist – und fordert Erleichterungen. Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble blockt. Über eventuelle Schuldenerleichterungen will er erst ab 2018 verhandeln, wenn das jetzige Rettungspaket für Griechenland ausläuft.
In diese laufende Debatte hat sich jetzt der griechische Notenbankchef Yannis Stournaras eingeschaltet. In einem Gastbeitrag für die griechische Zeitung Kathimerini erklärt er höflich, warum Schäubles Zeitplan nicht funktioniert: „Die Finanzmärkte wollen schon jetzt wissen, ob die Schulden tragfähig sein werden oder nicht.“ Sonst könnte sich Griechenland 2018 kein frisches Geld leihen – und das Land bräuchte erneut Hilfe. „Niemand, weder die Partnerländer noch Griechenland, hat Lust auf ein weiteres Rettungspaket.“
Stournaras unterbreitet auch einen ganz konkreten Vorschlag: Ab 2020 sollte der griechische Primärüberschuss auf 2 Prozent sinken. Zudem sollte das Land für seine Schulden beim europäischen Rettungsschirm EFSF für weitere 8,5 Jahre keine Zinsen zahlen müssen. Bisher läuft dieses Moratorium nur bis 2022. Insgesamt haben die Griechen beim EFSF Schulden von knapp 131 Milliarden Euro.
In den vergangenen Jahren haben die Griechen die Gehälter zusammengestrichen und ihre Lohnstückkosten um 25 Prozent gesenkt. Sie sind also wieder wettbewerbsfähig. Doch die Investitionen bleiben trotzdem aus. Denn, wie Stournaras herausstreicht, „die Anleger wollen Sicherheit“, wie es in Zukunft weitergeht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!