Mentale Gesundheit im Journalismus: Wenn der Beruf krank macht
Unter welchen Bedingungen arbeiten Journalist*innen? Das wurde auf dem Journalismustag in Berlin diskutiert. Das Fazit fiel ernüchternd aus.
Andererseits sei die Demokratie auf unabhängigen Journalismus angewiesen, sagte Ver.di-Vorstandsmitglied Christoph Schmitz am vergangenen Samstag auf dem 36. Journalismustag der deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in Berlin. Die Correctiv-Recherche zum „Geheimplan gegen Deutschland“ habe dies einmal mehr bewiesen. Auf der Konferenz ging es um die Frage, wie Arbeitgeber*innen für das Thema mentale Gesundheit zur Verantwortung gezogen werden können. Damit Journalist*innen ihre demokratische Aufgabe wahrnehmen können, seien gute Arbeitsbedingungen notwendig, sagte Schmitz. „Psychische Gesundheit ist kein Privatproblem.“
Aktuell lässt sich nicht vermeiden, immer wieder auf das Thema Rechtsextremismus zurückzukommen. Schließlich sind es vor allem AfD-Anhänger*innen, die online gegen Medienschaffende hetzen. Dabei fielen immer die gleichen Worthülsen, „Staatsfernsehen“, „Lügenpresse“, sagte Nicole Diekmann, AfD-Expertin im ZDF-Hauptstadtstudio. Ihre Social-Media-Kanäle lässt sie inzwischen von HateAid überwachen, einer Organisation, die Betroffene von Hassrede betreut.
Auch in der übrigen Bevölkerung nimmt das Vertrauen in die Medien ab. Nach Angaben des Reuters-Instituts halten nur noch 43 Prozent den Großteil der Nachrichten für vertrauenswürdig. Das belastet die Journalist*innen mental, wie eine Umfrage der Otto-Brenner-Stiftung aus dem Jahr 2022 zeigt. Hinzu kommen Personalabbau und Arbeitsverdichtung, berichtete Co-Autor Burkhard Schmidt. Vielerorts fallen Stellen weg, während gleichzeitig mehr Kanäle als früher bespielt werden, 24 Stunden am Tag und in Echtzeit.
Prekäre Lage für freie Journalist*innen
Die Anwesenden schienen diesen Eindruck alle bestätigen zu können. Der Redebedarf war so groß, dass sich eine lange Schlange vor dem Mikrofon bildete. Und doch ließ Schmidts Präsentation den Raum sichtlich ratlos zurück: Sollen Journalist*innen nun ihre Qualitätsstandards senken? Künstliche Intelligenz die Arbeit machen lassen? Und wer bezahlt eigentlich diese ganzen „Resilienz“-Coachings?
Die Journalistin Emma Thomasson empfahl den Anwesenden die Helpline des Netzwerks Recherche, eine telefonische Beratung für Journalist*innen mit psychosozialen Problemen. Aber: „Veränderung kommt nur, wenn sie von oben gelebt wird“, fügt sie hinzu. Blöd nur, dass sich kein*e Arbeitgeber*in bereit erklärt hat, an dem Panel teilzunehmen.
Und was ist eigentlich mit den freiberuflichen Journalist*innen? Ohne sie würden viele Zeitungen leer bleiben, auf den Gehaltsschecks spiegelt sich das allerdings nicht wider. 2019 lag das Stundenhonorar laut Freischreiber-Honorarreport im Schnitt bei 22,50 Euro brutto. Auszeiten zu nehmen, gestaltet sich schwierig. „Das ist ein Riesenproblem, aber da haben wir jetzt leider auch keine Lösung“, meint Kountidou. Es ist der große Elefant im Raum, den niemand an diesem Tag wirklich ansprechen will.
Lars Hansen vom dju-Bundesvorstand versuchte es am Ende noch einmal, konnte aber nicht viel mehr sagen, als dass die Gewerkschaft dieses Thema wieder aufgreifen muss. Dann kündigte er an, dass es bald eine neue Tarifrunde geben wird. Die Freiberufler*innen werden davon nicht profitieren.
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