Menschenrechtverletzungen in der Türkei: Mit nichts zu rechtfertigen
Nirgends sonst seien 2015 Menschenrechte dermaßen verletzt worden wie in der Türkei, sagt Human Rights Watch. Und fordert massiven Protest.
Nirgendwo sonst, so Kenneth Roth und Emma Sinclair, die Türkei-Verantwortliche von HRW, habe es 2015 einen solchen Rückschlag gegeben wie in der Türkei. Die Kriminalisierung jeder Opposition gegen die immer despotischer auftretende Regierung und den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung und die Missachtung des Rechts auf Leben in den kurdischen Gebieten sei dramatisch geworden.
HRW spricht der türkischen Regierung nicht das Recht ab, sich gegen Angriffe der PKK zu verteidigen. Allerdings sei die Art und Weise, wie die Sicherheitskräfte vor allem in den letzten beiden Monaten in den Stadtzentren von Diyarbakır, Cizre und Silopi vorgegangen seien, mit keinen Anti-Terror-Maßnahmen zu rechtfertigen. Dabei unterdrücke die Regierung systematisch Angaben über getötete Zivilisten, die nach Informationen anderer Menschenrechtsorganisationen bereits in die Hunderte gehen.
Sinclair beklagte, dass viele Türken nichts von den Zuständen im Südosten wüssten, weil die Zensur Berichte darüber verhindere. „Das Jahr 2015 war gekennzeichnet durch die schlimmste Repression gegen die Presse, die ich in der Türkei je erlebt habe“, sagte sie. Wie zum Beleg ihrer Aussage wurde am Mittwoch bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen Can Dündar und Emre Gül, die beiden leitenden Redakteure der Zeitung Cumhuriyet, eine lebenslange Haftstrafe fordert. Beide sitzen seit zwei Monaten im Gefängnis, weil sie über illegale Waffentransporte nach Syrien berichtet haben.
Anerkennend äußerte sich Roth über die Aufnahme syrischer Flüchtlinge durch die Türkei. Gleichzeitig problematisierte er die angestrebte Kooperation mit der EU, sofern sie sich darauf beschränken sollte, Flüchtlinge an der Einreise in die EU zu hindern.
Sowohl Kenneth Roth wie auch Emma Sinclair beklagten, dass die EU zu den Menschenrechtsverletzungen in der Türkei schweige. „Der neue Despotismus, die Repression gegen die Zivilgesellschaft und die Gewalt gegen Kurden machen die Türkei immer instabiler. Es wäre im besten Interesse der EU, massiv dagegen zu protestieren. Ein völliger Zusammenbruch des Rechtsstaates und der Demokratie in der Türkei hätte auch für die EU schlimme Folgen.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links