Menschenrechtler über Argentinien: „Obama mischt sich nicht ein. Gut so“

Der Militärputsch in Argentinien jährt sich zum 40. Mal. Nobelpreisträger Adolfo Pérez über Aufarbeitung, die Menschenrechtsbewegung und den Besuch Obamas.

Ein Soldat kontrolliert ein Auto. Weiter hinten stehen Panzer vor einem Gebäude

Nach dem Sturz von Isabel Perón in 1976: Panzer vor der Casa Rosada in Buenos Aires Foto: dpa

taz: Herr Pérez Esquivel, Argentiniens Militärputsch jährt sich am 24. März zum 40. Mal. Wieder wird es zwei getrennte Gedenkveranstaltungen geben. Warum ist die Menschenrechtsbewegung gespalten?

Adolfo Pérez Esquivel: Ein Teil der Menschenrechtsorganisationen beschränkt sich auf das, was während der Diktatur geschehen ist. Das muss respektiert werden, denn viele Organisationen formierten sich einst, um zu erfahren, was mit den geliebten Angehörigen passiert ist. Ein anderer Teil der Organisationen begreift die Menschenrechte umfassender, es geht auch darum, was heute mit den Menschenrechten passiert.

Der Staat ist verantwortlich für die Einhaltung und Achtung der Menschenrechte, und wenn sie verletzt werden, ist er dafür verantwortlich. Alles andere sind Straftaten. Es gab in Argentinien Menschenrechtsorganisationen, die sich zu Verbündeten des Staates und der vorherigen Regierungen von Néstor und Cristina Kirchner wandelten und es auch weiterhin sind.

Argentinien erfährt internationale Anerkennung für die juristische Aufarbeitung der Diktaturzeit. Woher rührt dies?

Der 1980 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Künstler ist konsequenter Verfechter der Menschenrechte. Von Argentiniens Militärs wurde er 1977 für 14 Monate eingesperrt und gefoltert.

Argentinien ist einer der wenigen Staaten, der mit seiner eigenen Justiz über die Menschenrechtsverbrechen der Diktatur richtet. Das muss gewürdigt werden. Die Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg oder die Prozesse wegen der Verbrechen in Exjugoslawien waren Ad-hoc-Tribunale, die einzig dafür gebildet wurden. Dagegen ist es in Argentinien gelungen, die Verantwortlichen vor die eigenen Gerichte zu stellen und zu bestrafen.

Glauben Sie, dass der neue rechtskonservative Präsident Mauricio Macri die juristische Aufarbeitung behindern wird?

Nein, gegenwärtig deutet nichts darauf hin. Zum einen hat Ricardo Lorenzetti, der Vorsitzende des obersten Gerichtshofs, klargestellt, dass es bei den Gerichtsverfahren kein Zurück geben werde. Sollte die Regierung hier zurückrudern wollen, ginge dies nicht, denn dies ist eine Angelegenheit der Justiz. Und zum anderen hat mir der Staatssekretär für Menschenrechte, Claudio Abru, versichert, dass die Regierung die Gerichtsverfahren weiter begleiten werde.

Die Verstrickung der USA in die Militärputsche der 1970er Jahre ist bekannt. Ausgerechnet am 23. und 24. März kommt nun US-Präsident Barack Obama nach Argentinien. War der US-Präsident schlecht beraten?

Die argentinische Regierung hatte dem US-Präsidenten vorgeschlagen, am 24. März die ESMA zu besuchen. Ich schrieb ihm daraufhin, dass dies an diesem Tag nicht geht, dass dies der Tag der Erinnerung des argentinischen Volkes an den Putsch und auch an die Teilhaberschaft der USA ist und dass in ganz Argentinien dafür mobilisiert werde. Ich finde es gut, dass Barack Obama am 24. März in Bariloche die Schönheit des Landes kennenlernt und sich hier nicht einmischt.

Wenn aber nicht wegen des Gedenktages, warum kommt Obama jetzt?

Zwischen der US-Regierung und der Argentiniens gibt es eine Annäherung. Er hat einen Freihandelsvertrag im Gepäck, mit der die vor gut zehn Jahren gescheiterte amerikanische Freihandelszone ALCA ersetzt werden soll. Obama versuchen, zu einer Übereinkunft zu kommen.

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