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Menschenrechte in Myanmar und SingapurZweierlei Maß des Westens

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Die Haftstrafe für Aung San Suu Kyi in Myanmar stößt auf internationale Verurteilung. Die Hinrichtung eines geistig Behinderten in Singapur nicht.

Mahnwache für den zu Tode Verurteilten Foto: Hasnor Hussain/reuters

Z wei Fälle menschenverachtender Justiz haben sich am Mittwoch in Südostasien abgespielt. Sie sind in westlichen Ländern unterschiedlich beachtet worden. In dem bekanntermaßen von einer brutalen Militärdiktatur regierten Myanmar ist die einstige Freiheits- und Demokratieikone Aung San Suu Kyi erneut zu einer weiteren mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Das Verfahren – eins von vielen gegen die frühere Regierungschefin – zielt klar darauf, die beliebteste Politikerin ihres Landes kaltzustellen. Nach dem Willen der Generäle soll die 76-Jährige dort niemals wieder eine politische Rolle spielen. Der intransparente Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun und zeigt nur die Unterdrückung durch das Militär. Myanmars grobschlächtige Junta wird zu Recht von westlichen Ländern sanktioniert.

Im Gegensatz zum Pariastaat Myan­mar erfreut sich die Handelsmetropole Singapur in Wirtschafts- und Diplomatenkreisen großer Beliebtheit. Die Elite ist hochgebildet, gilt als vertrauenswürdig und hat beste Umgangsformen. Derzeit verlegen nicht wenige Konzerne ihre asiatischen Repräsentanzen von Hongkong nach Singapur, einer der effizientesten und modernsten Metropolen der Welt.

Zwar finden es Westler schrullig, dass in dieser Ökodiktatur Kaugummi verboten ist. Ansonsten wird gern übersehen, dass es dort mit der Demokratie, mit Meinungs- und Pressefreiheit auch nicht weit her ist. Früher wurde das noch mit angeblichen „asiatischen Werten“ entschuldigt. Doch zeigt die am Mittwochmorgen erfolgte Hinrichtung eines geistig behinderten Drogendealers, dass auch hier brutale Menschenverachtung regiert.

Im Unterschied zu Myanmar protestieren westliche Regierungen aber kaum. Der Hingerichtete galt wegen seiner Einschränkungen als besonders vertrauensselig, konnte leicht hinters Licht geführt werden und kaum überblicken, was er tat. So jemanden mit dem Tod zu bestrafen ist ein Verbrechen, das so wahrgenommen gehört wie das Unrecht an Aung San Suu Kyi und nicht stillschweigend hingenommen werden darf.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wenn in einem globalen Finanzzentrum Behinderte hingerichtet werden, wird da wohl mit der demokratischen Grundordnung einiges im argen liegen. Was für sie "lediglich" ein Einzelschicksal ist, verstößt gegen das Völkerrecht. Empathie ist offensichtlich nicht so ihr Ding.

    • @Andreas J:

      war für Dima

      • @Andreas J:

        Die "Behinderung" wird lediglich von einem Lager (alles entweder Gegner der Todesstrafe oder Familienmitglieder) behauptet und ist nicht von unabhängiger Seite bestätigt.

        Wenn dann jedoch geschrieben wird, dass "er das Geld brauchte um seine Familie zu unterstützen", dann scheint irgendwas von Anfang an nicht ganz Koscher gewesen zu sein.

        Auch der angebliche Völkerrechtsverstoß wird stets nur behauptet (ebenso von Ihnen), ohne hierfür irgendwelche belegbare Quellen zu benennen. Gegen welche Regeln soll Singapur verstoßen haben? Bitte werden Sie etwas konkreter.

        • @DiMa:

          Ein IQ von 69 gilt als eine geistige Behinderung. Erstaunlich wie sie hier die Hinrichtung eines Menschen verteidigen. Geht es ihnen nur ums Recht haben? Im Iran steht auf Ehebruch von Frauen die Steinigung. Ist Gesetz. Auch okay? Wahrscheinlich nicht. Wo ist die rote Linie? Singapur hat die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben.



          www.amnesty.ch/de/...ch-kranken-stoppen

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Wer ist denn "der Westen"? Das ist doch nur ein Konstrukt.

  • Leider ist das kein Novum, da in Deutschland Handel und Profit über die Menschenrechte gestellt werden.

  • Hier werden doch zwei vollkommen unterschiedliche Fallkonstellationen mit vollkommen unterschiedlicher Gewichtung betrachtet. Im Fall von Myanmar geht es um die Erstickung einer demokratischen Grundordnung während es im Falle von Singapur lediglich um ein individuelles Einzelschicksal geht.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      ... während es im Falle von Singapur lediglich um ein individuelles Einzelschicksal geht." ... das in welchen Gesellschaftsformen erst möglich wird ???



      ... lediglich ... eine krasse Wortwahl.

      • @82286 (Profil gelöscht):

        Man kann die Todesstrafe verurteilen oder halt auch nicht. Ich persönlich denke, dass sich der Staat nicht zum Henker machen sollte. Dies kann man jedoch auch anders sehen. Insoweit dränge ich meine Meinung niemandem auf und akzeptiere eine andere Meinung.

        Wichtig ist hingegen, ob es ein faires Verfahren gegeben hat oder nicht. Dies kann ich anhand der vorliegenden Informationen nicht einschätzen. Insoweit bleibt es bei einem individuellen Einzelschicksal. Ähnlich scheint es unter anderem auch die Presse zu sehen, den die Resonanz war vergleichbar gering.

        • @DiMa:

          Einen geistig Behinderten wegen Drogenschmuggels zum Tode zu verurteilen ist weit entfernt von Fairness. Mangelnde Resonanz in den Medien ist auch keine Entschuldigung für eine empathielose Wortwahl.

          • @Andreas J:

            Chapeau!

            Allein auf Grund des Ausgangs des Verfahrens und einer vollkommen unbestätigten Behauptung über eine angebliche Behinderung entscheiden Sie also über die Fairness eines Verfahrens. Uii.

            Im verlinkten Artikel des Spiegels steht ausdrücklich, dass ein psychiatrisches Gutachten zu dem Schluss gekommen ist, dass der Täter zum Tatzeitpunkt "keine geistige Behinderung aufwies". Da der Richter in der Regel über keine eigene Fachkenntnis verfügt folgt er in der Regel halt dem Gutachten. Sieht man mal von der Strafe ab, ist insoweit alles ganz normal und wäre in Deutschland auch nicht anders.

            Ob das Gutachten jetzt richtig oder falsch war kann und will ich nicht einschätzen. Jedenfalls reicht dies alles bei weitem nicht aus um einen internationalen Skandal herbeizureden.

            • @DiMa:

              Es gab auch medizinische Gutachten die von einer eingeschränkten Schulfähigkeit ausgingen.

              • @Andreas J:

                Das alles hat der Richter zu würdigen und ich kenne die Gutachten nicht. Sollte das Gerichtsgurachten falsch sein, ist dies keinen internationalen Skandal wert.

                Es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn Sie meine Meinung kritisieren, eine andere Meinung zur Todesstrafe haben und/oder die Situation anders bewerten.

                Problematisch ist allerdings, dass die taz nicht nachprüfbare Partreibehauptungen als Fakt darstellt. Journalistisch unterste Schublade.