Menschenrechte in Georgien: Ex-Präsident vor Gericht
Der georgische Ex-Präsident Saakaschwili nahm per Video an seinem Prozess teil. Sein Anwalt fordert, dass er zur medizinischen Behandlung ins Ausland reisen darf.
Vor dem Gerichtsgebäude in Tiflis versammelten sich mehrere Dutzend Anhänger von Saakaschwili, um die Freilassung des früheren Staatschefs und heutigen Oppositionellen zu fordern.
Bei der Anhörung vor Gericht soll darüber entschieden werden, ob der zu sechs Jahren Haft verurteilte ehemalige Staatschef trotz seiner gesundheitlichen Probleme in Haft bleibt.
Gesundheitszustand durch Hungerstreiks schlecht
Der 55-jährige Saakaschwili war im vergangenen Jahr nach einem 50-tägigen Hungerstreik aus dem Gefängnis in ein Krankenhaus verlegt worden. Saakaschwili hatte gegen seine aus Sicht mehrerer Menschenrechtsorganisationen politisch motivierte Inhaftierung protestieren wollen. Durch die Hungerstreiks verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand erheblich.
Eine Gruppe von Ärzten aus den USA, die Saakaschwili auf Ersuchen seiner Anwälte persönlich untersucht hatten, erklärten gegenüber AFP, er sei aufgrund einer Reihe schwerer Erkrankungen des Nervensystems, an Magen und Darm und seinem Bewegungsapparat in Lebensgefahr.
Saakaschwilis Gesundheitszustand habe sich aufgrund von „Folter“ in der Haft verschlechtert, er müsse unverzüglich zur medizinischen Behandlung ins Ausland gebracht werden. Ein an den Untersuchungen beteiligter Toxikologe erklärte, Tests hätten ergeben, dass Saakaschwili während seiner Haft mit Schwermetallen vergiftet worden sei.
Saakaschwili war von 2004 bis 2013 Präsident Georgiens. In seine Amtszeit fiel der Kaukasuskrieg im Jahr 2008 zwischen Tiflis und Moskau um die abtrünnige Region Südossetien, bei dem Georgien unterlag. Dort unterhält Russland seither eine starke Militärpräsenz.
Saakaschwili war 2018 in Abwesenheit in Georgien verurteilt und im Oktober 2021 wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs festgenommen worden, als er nach einem langen Exil, das er vor allem in der Ukraine verbracht hatte, in seine Heimat zurückkehrte.
„Offensichtlich politische Rache“
Im Oktober forderte der Europarat die Freilassung von politischen Gefangenen, die in Russland und anderen Ländern gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin opponieren, einschließlich Saakaschwili. Amnesty International hat seine Behandlung als „offensichtliche politische Rache“ bezeichnet.
EU und USA haben die georgische Regierung aufgefordert, Saakaschwili eine adäquate medizinische Behandlung zukommen zu lassen und den Schutz seiner Rechte zu gewährleisten. Georgischen Behörden zufolge wird der Ex-Präsident angemessen medizinisch versorgt.
Georgien strebt wie die Ukraine eine EU-Mitgliedschaft an und wirbt auch um eine Aufnahme in die Nato.
Am Dienstag forderte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski die georgische Regierung auf, gegenüber Saakaschwili „Gnade walten zu lassen“ und ihn „in eine medizinische Einrichtung in der Ukraine, in Europa oder in den Vereinigten Staaten“ zu überführen. „Was gerade mit Michail geschieht, ist grausam. Es muss beendet werden“, erklärte Selenski. In der Ukraine war er unter anderem Gouverneur der Region Odessa gewesen.
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