Menschenfeindlichkeit bei der Polizei: Volksverhetzung – na und?
Polizisten, die gegen Muslime oder Juden hetzen: In Bayern sucht die Behörde nach einem geeigneten Umgang. Sie schwankt dabei zwischen den Extremen.
Es war im März dieses Jahres, als Herrmann den Sachverhalt im Landtag publik machte. Die Angelegenheit lag da schon gut ein Jahr zurück: Ein Beamter des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd hatte eine WhatsApp-Nachricht mit antimuslimischen Inhalten verschickt, ein weiterer diese an andere Kollegen weitergeleitet. Da einer von ihnen die Sache meldete, wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.
Die Konsequenz für den Polizisten, der die muslimfeindliche Botschaft in die Runde geschickt hatte: Er wurde versetzt und musste eine Geldbuße von 3.000 Euro zahlen. Im Gegenzug wurden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Nach Abschluss der Ermittlungen wurde der Mann sogar vom Polizeiober- zum Polizeihauptkommissar befördert, wie das Innenministerium auf eine schriftliche Anfrage Taşdelens mitteilte. Die regulär vorgesehene Beförderung habe sich durch die laufenden Ermittlungen lediglich um acht Monate verzögert. „Von Gesetzes wegen“ habe „kein fortbestehender Hinderungsgrund hinsichtlich der Beförderung mehr“ bestanden.
Mit anderen Worten: Das Verbreiten volksverhetzender Inhalte genügt nicht, um an der Eignung eines Polizeibeamten zu zweifeln? Eine Nachfrage der taz wird vom Innenministerium formaljuristisch beantwortet: Eignungsmängel könnten zwar zum Beispiel bei einem Dienstvergehen vorliegen. Allerdings dürfe der Beamte auf Dauer nur nach den entsprechenden gesetzlichen Regelungen von einer Beförderung ausgeschlossen werden. „Ein solches Beförderungsverbot bestand hier nicht.“ Eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei zudem nur unter engen Voraussetzungen und nur durch das Urteil eines Gerichts möglich. „Die Voraussetzungen dafür lagen nicht vor.“
„Diese Entscheidung zerstört das Vertrauen“
Für Taşdelen ist dies völlig unverständlich. Es gebe Beamte, die wegen viel kleinerer Vergehen nicht befördert worden seien oder ein Disziplinarverfahren am Hals gehabt hätten, sagt Taşdelen, selbst beurlaubter Zollbeamter. „Ich kann nicht verstehen, warum so jemand noch Dienst tun darf und sogar noch befördert wird. Diese Entscheidung zerstört das Vertrauen in unsere Gesetzeshüter.“
Die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldbuße hält er für nicht angebracht. Besonders empört den Politiker aber, dass es offenbar keinerlei Disziplinarmaßnahmen gibt. „Das ist schon ein Skandal“, sagt er. „Wenn dieser Beamte etwas Frauenfeindliches oder Homophobes gesagt hätte, wäre er nicht mehr befördert worden. Da bin ich mir sicher. Nachdem es aber ,nur' islamfeindlich war, haben sie sich gedacht: Mein Gott, dann befördern wir ihn halt.“ Aber: „Menschenfeindlichkeit ist Menschenfeindlichkeit.“
In der Bewertung der Tat selbst liegt Taşdelen dabei gar nicht mal so weit von der Regierung entfernt. Innenminister Herrmann selbst brachte in der Ausschusssitzung seine Bestürzung zum Ausdruck. Auch Robert Kopp, der zuständige Polizeipräsident, erklärte: „Ich akzeptiere es nicht, dass Polizeibeschäftigte volksverhetzende Inhalte oder diskriminierende Äußerungen in sozialen Netzwerken verbreiten.“
Menschenhass in Chatgruppen
Ermittelt wird derzeit noch gegen den eigentlichen Verfasser der Nachricht und mittlerweile auch gegen einen weiteren Beamten, der die ursprünglichen Untersuchungen geführt und behauptet hatte, der Verfasser sei nicht zu ermitteln gewesen. Er muss sich nun wegen Strafvereitelung im Amt verantworten.
Der Verbreiter der Nachricht indes musste eine Unterweisung über die Erwartungshaltung seines Dienstherrn über sich ergehen lassen, distanzierte sich schriftlich von dem Inhalt der verschickten WhatsApp-Nachricht, bekannte sich zu Werten wie interkultureller Toleranz und Respekt vor anderen Religionen. Danach wurde er befördert. Hat sich die Einstellung des Mannes gegenüber Muslimen in so kurzer Zeit wirklich so grundlegend geändert oder handelte es sich doch eher um eine joberhaltende Maßnahme? Antwort des Innenministeriums: „Der zuständige Dienstvorgesetzte hält die Distanzierung für glaubhaft. Andere Erkenntnisse liegen hier nicht vor.“
Bekannt wurde die Sache mehr zufällig. Eigentlich war Herrmann an diesem Märztag in den Innenausschuss gekommen, um den Abgeordneten in einer anderen – wenn auch nicht gänzlich anderen – Sache Auskunft zu geben. Denn wenige Tage zuvor war durch einen Bericht des Bayerischen Rundfunks ein Skandal bei der Münchner Polizei bekannt geworden. Auch hier ging es um – in diesem Fall antisemitische, rassistische und frauenfeindliche – Inhalte, die in einer WhatsApp-Gruppe ausgetauscht wurden. In München waren Angehörige des Unterstützungskommandos (USK) die Urheber dieser Botschaften.
Dieser Skandal wiederum wurde erst durch einen Zufall, durch Ermittlungen wegen eines ganz anderen Verdachts bekannt: Im Zuge von Ermittlungen wegen einer möglichen Vergewaltigung durch einen der USK-Beamten beschlagnahmte das Landeskriminalamt auch ein Mobiltelefon. Darauf fanden die Ermittler zwar nichts, was den Vorwurf eines Sexualdelikts erhärtet hätte, machten aber eine andere Entdeckung: Sie erhielten Einblick in eine Chatgruppe von mehreren Dutzend Beamten, in der unter anderem antisemitische Videos geteilt wurden. Der Fall erinnert an den Polizeiskandal von Frankfurt, wo Polizisten ebenfalls über einen Messengerdienst beleidigende und fremdenfeindliche Bilder, Videos und Texte ausgetauscht haben.
Suspendierungen vom Dienst in München
Zwar haben die Vorwürfe in Frankfurt eine andere Dimension: Dort machte man ein rechtsextremes Netzwerk innerhalb der Polizei aus, das auch für rassistische Morddrohungen gegen eine Rechtsanwältin verantwortlich gewesen sein soll. In Bayern dagegen „liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich möglicher rechtsextremer Strukturen innerhalb der Polizei vor“, beantwortet das Innenministerium eine Anfrage der Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze.
Aber gegen Mitglieder der Münchner Chatgruppe wird nun ermittelt. Sechs Polizisten wurden bereits vom Dienst suspendiert, neun weitere versetzt. Neben den Verfehlungen einzelner Beamter erschreckt vor allem das Verhalten der nicht beteiligten Mitglieder der Chatgruppe. „Ich hätte mir einfach erwartet“, sagt Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä dem Bayerischen Rundfunk, „dass Chat-Teilnehmer auf diese Eintragungen hin reagieren und auch mal einen Beitrag hineingeschrieben hätten: ‚Lasst diesen Schmarrn‘.“
Klare Worte. Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl, findet Grünen-Politikerin Schulze: „Ohne medialen Druck wären die Ermittlungen gegen die USK-Beamten nicht öffentlich geworden. So eine Geheimhaltungstaktik weckt naturgemäß Misstrauen.“ Immerhin: In München hatten die Verfehlungen der Beamten deutliche Konsequenzen. „Da hat die Polizei richtig gehandelt“, sagt SPD-Mann Taşdelen. Nur: „Man hätte in dem anderen Fall genauso konsequent handeln müssen.“
Demokratiebildung und interkulturelle Kompetenz
Weder Taşdelen noch Schulze schätzen die Fälle als symptomatisch für die Situation in der bayerischen Polizei an. „Ich gehe fest davon aus, dass es Einzelfälle sind“, sagt Taşdelen. Und Schulze bekräftigt: „Ich habe Vertrauen in unsere bayerische Polizei.“ Beide fordern allerdings nicht nur eine umfassende Aufklärung, sondern wollen auch die Aus- und Weiterbildung von Polizisten auf den Prüfstand stellen. Bestandteile wie Demokratiebildung und interkulturelle Kompetenz müssten in der Ausbildung gestärkt werden. Schulze plädiert darüber hinaus für das Amt eines unabhängigen Polizeibeauftragten.
In Reaktion auf die Vorfälle bei der Münchner Polizei sagte Innenminister Herrmann: „Wer sich derart verhält, hat in den Reihen der Polizei nichts zu suchen.“ Wirklich? Der Beamte des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, der die Nachricht verbreitet hat, in der Muslime als „Räuber, Vergewaltiger und Mörder“ bezeichnet wurden, verdient nach seiner Beförderung rund 550 Euro mehr im Monat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern