Menschen ohne Krankenversicherung: Wachsender Bedarf

Die Berliner Clearingstelle für nicht krankenversicherte Menschen zieht Bilanz: Die Zahl der Beratungen steigt, die Kosten auch. Doch Geld ist knapp.

Zelte von Obdachlosen an einer Uferböschung

Ein großer Teil der Menschen ohne Krankenversicherung sind Obdachlose: Zeltlager in Schöneberg Foto: dpa

BERLIN epd | Die seit Oktober 2018 bestehende Clearingstelle für nicht krankenversicherte Menschen der Berliner Stadtmission hat seitdem Tausende Beratungen durchgeführt oder Bescheinigungen zur Kostenübernahme medizinischer Behandlungen ausgestellt. Allein zwischen Januar und Juli dieses Jahres hätten mehr als 2.800 Klienten die Stelle aufgesucht, sagte Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) am Freitag anlässlich des vierjährigen Bestehens der Einrichtung.

In den ersten zweieinhalb Jahren ihres Bestehens zählte die Stelle bis Juli 2021 knapp 10.000 Kontakte. Im ganzen Jahr 2021 ließen sich 1.069 Menschen aus 125 Ländern beraten, davon waren fast zwei Drittel (62 Prozent) wohnungs- und obdachlos. Insgesamt wurden mehr als 2.000 Kostenübernahmen ausgestellt. Dafür kooperiert die Clearingstelle mit 50 Berliner Hausarztpraxen und sechs Krankenhäusern.

Zu 86 Prozent waren die Klientinnen und Klienten Drittstaatler und EU-Bürger und-Bürgerinnen, der Anteil deutscher Staatsbürger ging deutlich zurück, sagte Clearingstellen-Leiterin Louise Zwirner. Knapp 90 Prozent der Ratsuchenden hätten beim Erstgespräch keine oder unklare Versicherungsverhältnisse gehabt. Insgesamt suchten mehr Männer als Frauen die Stelle auf.

Wegen der großen Nachfrage ist das Team um Zwirner von drei auf heute 18 Mitarbeitende angewachsen. Sie sprechen insgesamt neun Sprachen, darunter Englisch, Italienisch, Russisch, Rumänisch oder Bulgarisch. Das neueste Angebot sind Beratungen zum Aufenthaltsrecht.

In Berlin einmalig, bundesweit ein Modell

Die Gesundheitssenatorin sprach von einer wichtigen niedrigschwelligen Anlaufstelle für Menschen, die bisher keinen Zugang zu gesundheitlicher Versorgung haben. Die Clearingstelle sei nicht nur in „Berlin einmalig“, sondern auch bundesweit modellhaft.

Dabei ist Gote bewusst, dass die Einrichtung deutlich mehr Geld braucht. Die derzeit mit jährlich 2,6 Millionen Euro von der Senatsgesundheitsverwaltung finanzierte Einrichtung musste in diesem Sommer vorübergehend die Kostenübernahme von medizinischen Behandlungen aussetzen, weil das Budget bereits nach einem halben Jahr aufgebraucht war. In der Folge stellte der Berliner Senat weitere 670.000 Euro zur Verfügung. „Wir wissen aber nicht, ob das Geld bis zum Jahresende reichen wird“, räumte Gote ein.

Mehr Geld benötigt

Deshalb will sie bei den nächsten Haushaltsberatungen für mehr Mittel für die Clearingstelle werben. „Ich bin überzeugt, dass die Abgeordneten das genauso sehen und im nächsten Haushalt entsprechend mehr Geld dafür einstellen werden“, sagte sie.

Die Clearingstelle steht allen Bedürftigen ohne geklärten Versicherungsschutz zur Verfügung, auch EU-Ausländern und Migranten aus Drittstaaten. Sie werden von dem 18-köpfigen Team beraten oder bekommen eine Bescheinigung für die Kostenübernahme von medizinischen Behandlungen. Der Umfang der Kostenübernahme liegt nach Angaben von Clearingstellenleiterin Louise Zwirner mittlerweile jährlich bei etwa 1,5 Millionen Euro und damit deutlich über der Hälfte des Budgets.

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