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Memes über neues Bad Bunny AlbumSalsa Beats mitten in die Winterdepression

Politisch war im Januar viel los, privat bei den meisten eher nicht. Körperkult und melancholische Salsa helfen, die graue Tristesse zu übertönen.

Gute Laune überall: Fans vor einem Bad-Bunny-Konzert in Puerto Rico Foto: Ricardo Arduengo/reuters

Berlin taz | Der Januar ist mies. Die besinnliche Stimmung nach den Feiertagen vergeht schnell, genau wie die Motivation, Neujahrsvorsätze in die Tat umzusetzen. Der altbekannte Trott hat die Oberhand gewonnen und nicht einmal stumpfes Scrollen kann da helfen: Auf Social Media sind Fotos von Reisen, stylischen Outfits oder geselligen Runden unter Freun­d*in­nen Mangelware – und niemand teilt gerne die tristen Momentaufnahmen des Winterblues.

Stattdessen bestimmen politische Skandale die Timelines, etwa Mark Zuckerberg und sein Wunsch nach mehr männlicher Energie oder Elon Musks Hitlergrüße, die angeblich keine sind.

Zusätzlichen Stress lösen Fitnesstrends wie „12-03-30“ (12 Prozent Steigung auf dem Laufband, bei Geschwindigkeitsstufe 3, 30 Minuten lang) aus. Tiktok-Coaches brüllen in die Kamera, um Verunsicherte aufs Laufband zu locken. Doch selbst nach der Plackerei im Gym winkt keine Belohnung: Dry January lässt keinen Raum für Drinks und Eskapismus. Einzig die Skincare-Routine, die man sich eigentlich nicht leisten kann und auf Dauer mehr Pickel als Freude bringt, bietet etwas Trost.

Vor wenigen Wochen halfen noch „In-and-Out“-Listen, um am Ball zu bleiben. Dabei zählt man Dingen und Verhaltensweisen auf, die im neuen Jahr übernommen (In) oder aus dem Leben verbannt werden sollen (Out). So ist Dubai Schokolade out, Selbstoptimierung und Tagebuchschreiben – oder Journaling, wie man es online nennt – sind dagegen in.

Mehr Tanzen, weniger Tränen

Trotz aller Bemühung klopft kurz vor Februar die bittere Erkenntnis an. „New Year, new me“? Fehlanzeige. Stattdessen bleibt es beim „same old“.

In dieses emotionale Vakuum schlägt „DTMF“, das neue Album von Bad Bunny, ein wie eine Bombe. Tracks wie „Debí tirar más fotos“ oder „Lo que pasó a Hawaii“ handeln von Trauer, Identität und Vergänglichkeit. Es ist das wohl persönlichste und gleichzeitig auch politischste Werk des puerto-ricanischen Künstlers.

Diese Abwechslung kommt beim Publikum gut an: Die Musik füllt die leeren Feeds und scheint Antworten auf das kollektive Unwohlsein zu bieten. Besonders der Titel des Albums, „Ich hätte mehr Fotos schießen sollen“, ein philosophischer Aufruf, den flüchtigen Moment besser zu bewahren, bleibt tief in den Köpfen der Hö­re­r*in­nen haften.

Wir alle kennen diesen Stuhl

Neben emotionalem Tiefgang bietet auch der Sound eine Möglichkeit, um der Winterdepression zu entgehen: Zu melancholischer Salsa dürfen Tränen fließen, während der Frust im nächsten Moment bei einem energiegeladenen Twerk zu Reggaeton-Beats fortgetanzt wird.

Nicht nur musikalisch setzt Bad Bunny neue Akzente. Das Cover des Albums, das die berühmten weißen Monobloc-Plastikstühle zeigt, wird zum viralen Meme. Was wie ein simples visuelles Element wirkt, entfaltet sich zu einem Symbol für den nostalgischen Blick auf die Vergangenheit und die Verbindung zur ­Heimat. Die Stühle, die Bad Bunny vor dem karibischen Grün inszeniert, werden von Tiktok-User*innen in unzählige Szenarien montiert: ob im Büro, im Kinderzimmer oder mitten in den bayerischen Alpen.

Wir alle kennen diesen Gartenstuhl und haben irgendwo schon mal darauf gesessen, bis in die Nacht hinein die Gefühle ins kleinste Detail geschildert, mit den engsten Vertrauten geweint und gelacht. Er steht für Nostalgie, für Gespräche – vor allem aber für eine Verbindung mit dem, der neben einem sitzt.

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