Meisterschaft für Juventus Turin: Olympischer Motivator
CALCIO Juventus Turin ist wieder italienischer Meister. Für den Anschluss an die europäische Spitze sieht Erfolgstrainer Conte nun das Management in der Pflicht
„Juventus, das Wunder“ titelte die Gazzetta dello Sport in der gewohnt überschwänglichen Weise. Wundersam war allerdings nur, was Schiedsrichter Romeo bewogen haben mochte, einen etwas ungeschickten Zweikampf zwischen Palermos Verteidiger Donati und dem mit dem Rücken zum Tor stehenden Juve-Angreifer Vucinic als elfmeterwürdig anzusehen. Der Ex-Leverkusener Vidal ließ sich die Chance vom Punkt nicht nehmen.
Juventus ist Meister, drei Spieltage vorfristig und mit Kurs auf eine Rekordausbeute. Als magische Zahl stehen die 91 Punkte vor Augen, die Juve in der Saison 2005/2006 unter Fabio Capello erreicht hatte. Die waren freilich auch Frucht der Schiedsrichtersonderbehandlungen, die sich der damalige Juventus-Manager Luciano Moggi hatte einfallen lassen. Er und der Verein bezahlten mit Haftstrafe und Berufsverbot (Moggi) sowie Zwangsabstieg (Juve) hart dafür. Die aktuelle Saison steht – trotz der umstrittenen Elfmeterentscheidung am Sonntagnachmittag – nicht unter düsteren Verdachtswolken. Das immerhin ist ein gutes Zeichen.
Juventus dominierte die Meisterschaft dank eigener Stärken. Hauptkraft war sicherlich die unerschütterliche Willensstärke von Trainer Conte. Er steckte nicht nur die viermonatige Sperre wegen vorgeworfener Mitwisserschaft von Spielmanipulationen bei seinem Ex-Verein AC Siena weg. Er trieb seine Spieler auch immer wieder zu Höchstleistungen an. Als „olympisch“ würdigte die Gazzetta diese Motivationskunst.
Freilich erinnerte Conte dabei weniger an Zeus als an einen Pferdeschinder, der verzweifelt versuchte, mittels Peitschenhieben in größerer und Zuckerstückchen in kleinerer Menge aus Ackergäulen passable Galopper zu machen. Dies reichte für die Serie A. Mit Beinkraft im Mittelfeld wurde die Gegnerschaft zermürbt. Kreativität war nur in Ansätzen vorhanden. Manchmal ein Zauberpass von Pirlo, zuweilen ein Dribbling von Giovinco oder eine elegante Finte von Vucinic. Doch der Dauerdruck, den die einstige Stahllunge Conte den Seinen abverlangte, raubte den Männern mit Hang zur Kunst den Atem und passte sie der Mitläuferschar um sie herum an.
Einzig Arturo Vidal stach heraus. Der „Krieger“ der Bianconeri brachte jene Leidenschaft, Kampfkraft und Persönlichkeit ein, in der sich der frühere Juve-Kapitän Conte selbst wiedererkennen konnte. Vidal, der „Mann aus Eisen“ – so lobte die Gazzetta –, war nicht nur der einzige, der den stratosphärischen Bayern Paroli bot. Er war in der Gemengelage aus unsicheren Stürmern und Halbstürmern der einzige, der wenigstens eine zweistellige Zahl an Treffern erzielte.
Position der Stärke
Nicht zu verdenken also, dass Juve-Trainer Conte nun vehement Nachbesserungen fordert. Er droht sogar, anderenfalls den Verein zu verlassen. „Der Mensch Antonio Conte will zu 100 Prozent bei Juventus bleiben. Der Fachmann braucht klare Perspektiven“, sagt der von einigen ausländischen Klubs umworbene Meistercoach.
Conte agiert aus einer Position der Stärke. Nach zwei siebten Plätzen vor seiner Zeit hat er Juventus zu zwei Titeln verholfen und in der Champions League immerhin das Viertelfinale erreicht. Das ist Planübererfüllung. Jetzt erwartet er Gleiches vom Management.
Parallel sollte er allerdings an eigenen Schwächen arbeiten. In seiner ersten Saison, in der er eine Spitzenmannschaft mit der Doppelbelastung aus Meisterschaft und internationalem Wettbewerb zu führen hatte, gelang ihm die notwendige Rotation nicht. Daher wirkte sein Personal im Frühjahr matt und ausgelaugt. Die Kunst des Umbaus bei laufender Fahrt ist eine Studienaufgabe für Conte für den Sommer. Erst dann wird er ein großer Trainer, egal, ob jetzt schon bei Juventus oder auf einer weiteren Karrierestation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!