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Mehr Hasstaten gegen Sinti und RomaStraftaten um 54 Prozent gestiegen

Die Zahl antiziganistischer Straftaten ist stark gestiegen. Fast alle wurden von rechten Tätern verübt, doch das Innenministerium beschwichtigt.

Politisch motivierte Straftaten gegen Sinti und Roma werden erst seit 2017 erfasst Foto: Markus Heine

Die Zahl antiziganistischer Straftaten in Deutschland ist deutlich angestiegen. Sie erhöhte sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2017 um knapp 54 Prozent. Das ergibt sich aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, die der taz vorliegt.

Danach werden für das Jahr 2018 in der bundesweiten Statistik über politisch motivierte Kriminalität 63 Taten dem Unterbereich „Antiziganistisch“ zugeordnet. Im Vorjahr waren es 41 Taten. Hasskriminalität gegen Roma und Sinti wird erst seit 2017 separat erfasst.

Nahezu alle Straftaten rechnet das Innenministerium dem Phänomenbereich „rechts“ zu. Fünf Fälle konnten nicht eindeutig zugeordnet werden. Von den ermittelten 36 Tatverdächtigen gehören 32 dem rechtsextremistischen Spektrum an. Etwas mehr als die Hälfte der im vergangenen Jahr erfassten Delikte fällt unter den Straftatbestand der Volksverhetzung. Aber auch sechs Körperverletzungen sind darunter. Überdurchschnittlich viele der Taten wurden in Berlin verübt, nämlich 12.

Trotz des signifikanten Zuwachses antiziganistischer Straftaten sieht das Bundesinnenministerium keinen Grund zur Beunruhigung: „Auch wenn es im Vergleich zum Jahr 2017 zu einer Steigerung der Fallzahlen kam, befinden sich diese weiterhin auf sehr niedrigem Niveau.“ Gleichwohl weist das Ministerium darauf hin, dass die aktuellen Zahlen nur „vorläufigen Charakter haben und noch Veränderungen unterworfen sein können“. Die Bundesregierung verfolge denn auch „die weitere Entwicklung der Zahlen sehr genau“.

Zentralrat fordert Monitoringstelle

Der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, geht von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus. „Die Erfassung antiziganistischer Straftaten durch staatliche und nichtstaatliche Stellen ist immer noch nicht ausreichend gewährleistet“, sagte er der taz. So fehle es vielen PolizeibeamtInnen an Wissen und ausreichender Sensibilisierung für das Thema Antiziganismus – was auch Auswirkungen auf die Statistik habe. Für „zwingend notwendig“ hält Rose daher eine staatlich geförderte unabhängige Monitoringstelle zur Erfassung antiziganistischer Straf- und Gewalttaten.

Das fordert auch die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke. Die Bundesregierung habe bisher stets „sämtliche Bedenken hinsichtlich der Qualität der Erfassung einfach wegwischt“, kritisierte sie. Das wecke „ernsthafte Zweifel daran, dass sie antiziganistische Straftaten wirklich als Problem wahrnimmt“.

Neben unabhängigen Monitoring-Berichten hält Jelpke gezielte Sensibilisierungsmaßnahmen für Polizeibeamte für dringend notwendig. Sinti und Roma würden in Deutschland seit Jahrhunderten diskriminiert, entsprechende Vorurteile gegen diese Gruppen seien tiefsitzend. „Es gibt keinen Grund dafür, anzunehmen, dass ausgerechnet die Polizei frei von Antiziganismus wäre“, sagte Jelpke.

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10 Kommentare

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  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Ich dachte wir wären schon mal weiter.



    Zigeuner, Zigeunermädchen und jetzt im Taz- Artikel 6x das Wort Antiziganismus bzw. antiziganistisch.



    Also ist Zigeunerschnitzel doch nicht so schlimm, mein lieber Zigeunerjunge. Es ist schlicht und einfach Rassismuss gegen Roma und nicht Antiziganismus.

    • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
      @97287 (Profil gelöscht):

      Sorry, aber "Antiziganismus" ist ein Fachbegriff, der auch vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma verwendet wird und eine spezielle Form des Rassismus beschreibt.

      • 9G
        97287 (Profil gelöscht)
        @Pascal Beucker:

        Das macht es auch nicht besser, auch der Zentralrat kann ja daran arbeiten.



        Die Multiplikatoren in der Presse sollten es aber vermeiden.

  • Und jetzt liebe TAZ stellen Sie noch die Straftatenstatistik auf, die Angehörige von Sinti und Roma in Deutschland begangen haben, ich wette 10 zu 1 dass allein Angehörige mit einem fremden Pass mehr Straftaten verübt haben im letzten Jahr. Das eine rechtfertigt nicht das andere, aber das Verhältnis wäre augenöffnend.

    • @Lara Crofti:

      Entweder das Eine rechtfertigt das Andere nicht und es gibt keinen logischen Zusammenhang oder es wäre augenöffnend und es gäbe einen Zusammenhang. Bitte entscheiden Sie sich.

  • "rechten Tätern"



    Es sollte rechtsextremistisch heißen, wenn diese Gewalt ausüben.

    Wie soll man 63 Taten statistisch bewerten? Passierten diese alle an einem Ort oder ist der Anteil der Gesamtpersonengruppe anteilig besonders hoch?

  • Bei 20 Taten mehr von einem "signifikanten Zuwachs" zu sprechen ist schon gewagt. Und selbstverständlich braucht es bei 60 Taten im Jahr eine Monitoringstelle.

    Jede strafbare Handlung ist eine zuviel. Nur muss man auch alles im Verhältnis sehen.

    • @DiMa:

      Was glauben Sie wie viele Roma Anfeindungen anzeigen? Bei einer zutiefst antiziganistischen Gesellschaft mit einer zutiefst antiziganistischen Polizei überlegen sich Betroffene das zehn Mal. Dass Berlin so heraussticht würde ich deshalb auch weniger auf eine besonders antiziganistische Bevölkerung sondern eine tendenziell wehrhaftere Romacommunity zurückführen, die sich eben nicht ganz so viel gefallen lässt.

      • @LesMankov:

        Entweder ich beziehe mich auf eine Polizeistatistik oder ich lasse es.

        Eine Zunahme von 20 Taten könnte nach Ihrer Argumentation ohne weiteres auch auf ein geändertes Anzeigeverhalten zurück zu führen sein. Demnach könnten die Straftaten summa sumarum auch zurück gegangen sein. Nix genaues wüsste man dann nicht.

        Dann wäre die Aussage "Straftaten um 54 Prozent gestiegen" jedenfalls eine ziemlich steile These.

        • @DiMa:

          Kann sein, tatsächlich gilt das so oder so für alle polizeilichen und sonstigen Statistiken. Auf der anderen Seite ist die Aussage trotzdem grundsätzlich richtig auch wenn eine bessere Einordnung besser wäre.