Mehr Härte bei Angriffen auf Politiker?: „Kein Zwei-Klassen-Strafrecht“
Nach dem Messerangriff auf den Bürgermeister Altenas: Kommen härtere Strafen für Attacken auf Politiker? Das Justizministerium reagiert reserviert.
Den Appell stützt auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Von einer „völlig neuen Dimension“ von Hasskriminalität gegen Mandats- und Amtsträger spricht Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Es sei nicht hinnehmbar, dass Menschen, die sich für die Gesellschaft einsetzten, solchen Angriffen schutzlos ausgeliefert seien. „Ein wehrhafter Rechtsstaat muss diesen Entwicklungen mit aller Kraft entgegentreten.“ Landsberg fordert das Schließen von Strafbarkeitslücken, etwa mit der Ergänzung des Stalking-Paragrafen 238 im Sinne eines „Politiker-Stalkings“.
Tatsächlich ist die Attacke von Altena kein Einzelfall. Rund 450 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger zählte das Bundeskriminalamt in diesem Jahr allein im ersten Halbjahr. 1.800 Straftaten waren es im vergangenen Jahr.
Heiko Maas: keine Verschärfung
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) lehnt eine Gesetzesänderung dennoch vorerst ab. Erst im Frühjahr sei der Stalking-Paragraf verschärft worden, sagte ein Sprecher der taz. Dieser schütze auch Amts- und Mandatsträger. Und dies „erheblich“ besser als zuvor. Zudem gebe es weitere strafrechtliche Vorschriften, die Hassdelikte gegen Politiker „konsequent“ verfolgen würden.
Auch SPD-Innenexperte Burkhard Lischka stimmte ein: „So abscheulich und verwerflich diese Angriffe auch sind: Ich halte es nicht für sinnvoll, für verschiedene Bevölkerungsgruppen Sonderstraftatbestände zu schaffen. Dies birgt die Gefahr eines Zwei-Klassen-Strafrechts.“ Ähnlich argumentieren die Grünen. „Einzelne Berufsgruppen durch spezielle Straftatbestände schützen zu wollen, sehe ich sehr kritisch“, so Innenexpertin Irene Mihalic. „Dass jemand angegriffen wird, weil er sich für das Gemeinwesen eingesetzt hat, kann auch nach geltendem Recht zu einer höheren Strafe führen.“
Andreas Hollstein ist bereits seit Dienstag wieder im Dienst. Er wurde bei der Attacke leicht am Hals verletzt. Der Angreifer schwieg am Mittwoch weiter zu seiner Tat. Er sitzt in U-Haft wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?