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Meeres-Expertin über Mikroplastik„Die WHO-Studie ist enttäuschend“

Noch immer fehlen Untersuchungen, die Auskunft über die Gefahren von Mikroplastik für die Gesundheit geben, sagt Bettina Taylor vom BUND.

Enthält häufiger Mikroplastik als Leitungswasser: Wasser aus der Sprudelflasche Foto: dpa
Heike Holdinghausen
Interview von Heike Holdinghausen

taz: Frau Taylor, seit Langem wartet die Öffentlichkeit auf Informationen darüber, ob Mikroplastik in der Umwelt gesundheitsschädlich ist. Nun gibt die Weltgesundheitsorganisation WHO Entwarnung. Sind Sie beruhigt?

Bettina Taylor: Nein, gar nicht. Die Studie ist nicht überzeugend. Sie bemängelt an mehreren Stellen, dass es nicht genügend Daten zu dem Thema gibt. Und einige Seiten weiter heißt es dann, dass es derzeit keine Anzeichen für Gefährdungen gibt. Das passt nicht zusammen.

Die WHO hat über 50 Studien ausgewertet. Reicht das nicht?

Es gibt einige Studien darüber, ob und wie viel Mikroplastik im Wasser zu finden ist. Das sagt aber nichts darüber, ob es gefährlich für Menschen ist. Die WHO bestätigt, dass es keine Studien über die Auswirkungen auf den Menschen gibt. Nur einige wenige Studien, die an Tieren durchgeführt wurden und teilweise nicht belastbare Daten haben. Eine Studie bei Hunden ist von 1975.

Die Daten sind zu alt?

Neuere wären besser. Abgesehen davon zieht die WHO auch seltsame Schlüsse: So sagt sie, Partikel mit einem Durchmesser größer als 150 Mikrometer seien ungefährlich. Sie wären zu groß, um vom Darm aufgenommen zu werden. Allerdings werden in Untersuchungen im Wasser meistens Partikel gefunden, die kleiner als 100 Mikrometer sind. Dann muss ich mich doch auch damit befassen, wie diese Teile wirken! Übrigens haben nur neun der von der WHO genannten Studien überhaupt Trinkwasser untersucht, alle anderen hatten Grundwasser oder Süßwasser allgemein zum Thema. Zudem waren einige der Studien methodisch fragwürdig, sie haben etwa Mikroplastik mit dem Mikroskop gesucht. Das ist aber sehr fehleranfällig, da sind Kunststoffpartikel manchmal nicht von Sandkörnern zu unterscheiden.

Ist das nicht auch ein schwieriger Umgang mit dem Vorsorgeprinzip, nur Studien zu vertrauen, die warnen?

Es geht nicht darum, dass wir Studien nicht akzeptieren. Es gibt einfach noch keine Studien. Wir wollen keine Panik schüren. Aber eine Entwarnung gibt die Faktenlage eben auch nicht her.

Ist der Fokus auf die menschliche Gesundheit überhaupt richtig?

Natürlich sollten wir uns nicht nur dann mit Umweltproblemen befassen, wenn sie uns selbst erreichen. Mikroplastik hat in der Umwelt nichts zu suchen, weil es zum Beispiel kleine Meereslebewesen schädigt. Wenn wir gefragt werden: Was passiert, wenn Menschen eine Muschel essen, die Mikroplastik aufgenommen hat, dann sagen wir, wir wissen es nicht. Das ist der Stand der Wissenschaft, auch heute noch.

Bild: Birgit Wingrat
Im Interview: Bettina Taylor

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Bremen und arbeitet dort im Bereich Meeresschutz.

Wissenschaftler können Studien oft nicht veröffentlichen, wenn sie keine Effekte nachweisen. Darum schaffen sie künstlich welche, indem sie etwa mit sehr hohen Dosen rechnen. Verzerrt das unsere Wahrnehmung?

Ja, das ist so. Zum Beispiel zitiert die WHO eine Studie an Mäusen; in der wurden die Tiere mit extrem viel Mikroplastik gefüttert, davon mussten die krank werden. So viel hätten sie in der Natur aber nie aufnehmen können. Die Interpretation von Daten ist natürlich nicht einfach. Aber sowohl die Panikmache als auch die Entwarnung ist falsch, wenn sie einer glaubhaften Datengrundlage entbehrt.

Bis wohin gehen Sie mit?

Sicher ist: Es wird relativ wenig Mikroplastik im Leitungswasser gefunden. Es ist welches drin, aber nicht in Unmengen. In Sprudelflaschen ist es etwas mehr, das könnte an den Verpackungen liegen. Dazu, ob diese Mengen die Gesundheit gefährden, können wir keine Aussagen treffen.

Es gibt keine allgemeingültige Definition von Mikroplastik. Wer müsste hier für Klarheit sorgen?

Wir brauchen eine wissenschaftlich fundierte Definition, die politisch durchgesetzt wird. Im Moment gelten Partikel als Mikroplastik, die kleiner sind als fünf Millimeter. Das ist aber umstritten, genau wie die Kunststoffarten oder Untersuchungsmethoden. So kommt es bei Untersuchungen in Laboren häufig zu Verunreinigungen – schließlich ist dort auch alles aus Plastik.

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1 Kommentar

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  • Bei einer Definitionsgrenze von 5mm ist es ja kein Wunder, wenn man wenig bis kein Mikroplastik im Trinkwasser findet, oder?

    Das wär so, als ob man die Luftverunreinigungen durch Feinstaub abnickt mit "ich seh nix".